XXVI.

[95] Wohl floh ich oft von meines Lebens Quelle,

Und spähte fern umher nach Land und Wogen,

Nicht meinem Wollen, meinem Stern ergeben;

Doch immer war zu der Verbannung Stelle

Erinnerung und Hoffnung mitgezogen, –

Dank dir, o Amor! – neu mich zu beleben.

Nun heb' ich ach! die Hand, zurückzugeben

Dem feindlich grausamen Geschick die Wehre,

Da von so süßer Hoffnung mich's geschieden.

Nur der Erinn'rung Frieden

Erhält mich noch; mit ihr mein Herz ich nähre,

Daß sonder Kost es sich nicht ganz verzehre.


Wie, wenn dem Läufer Nahrung auf der Reise

Gebricht, er zu langsamern Lauf gezwungen,

Weil sich die Kraft, die Schnell' ihm gab, verringet;

So auch, da meinem matten Seyn die Speise,

Die köstliche, gebricht, die der verschlungen,

Der Trauer mir, der Welt Verödung bringet,

Wird mir, was Andere mit Lust durchdringet,

Zur Last; drum muß ich hoffen und verzagen,

Des kurzen Pfades Ende nicht zu finden.

Wie Wolk' und Staub vor Winden

Flieh' ich, der Pilgerschaft mich zu entschlagen,

Und muß es seyn, will ich es gern ertragen.


Durch sie allein gefiel mir dieses Leben,

(Zum Zeugen hab' ich Amor mir erkoren)

Die als ein Stern uns beyden aufgegangen.

Doch nun der Geist, der Daseyn mir gegeben,[96]

Gestorben hier und droben neugeboren,

Streb' ich ihm nach mit sehnendem Verlangen.

Wohl mag ich klagen, daß ich so befangen

In Blindheit nicht gesehen mein Verderben,

So Amor warnend unter lichten Brauen

Der Herrlichen ließ schauen.

Nun muß ich trostlos bittern Tod erwerben,

Dem selig kurz zuvor erschien das Sterben.


Den Augen, wo mein Herz gewohnt beständig,

Bis es mein hartes Schicksal draus vertrieben,

Als müßt' es ihm so reiche Wohnung neiden,

Ihnen hatt' Amor vormahls eigenhändig

Das mit des Jammers Zeichen eingeschrieben,

Was bald sich drauf bewährt, von meinen Leiden.

Da war mir süß willkommen noch das Scheiden,

Als, wenn ich starb, nicht mit mir starb mein Leben,

Mein bester Theil vielmehr noch lebt' hienieden.

Gras deckt nun meinen Frieden,

Mein Hoffen ist dem Tod zum Raub gegeben;

Ich leb'! und denk' es nimmer sonder Beben.


Wär', wo es galt, Verstand mit mir gewesen,

Und hätte andre Sehnsucht nicht behende

Von Weg mich abgelenkt zu anderm Orte,

Hätt' ich wohl auf Madonna's Stirn gelesen:

»Du bist gelangt zu deiner Freuden Ende,

Zu deines langen Jammers dunkler Pforte.«

Abwerfen konnt' ich, hört' ich selbe Worte,

Den Erdenschleyer freudig ihr zur Seiten,

Und dieses Fleisch so schwer und voll der Mühen,

Und so voraus ihr ziehen,[97]

Den Sitz zu sehn im Himmel ihr bereiten.

Nun werd' ach! andern Haars ihr nach ich schreiten.


Siehst du, Canzon', in Liebe Einen selig,

Sprich: Stirb, weil du noch fröhlich!

Nicht Schmerz ist, sondern Flucht bey Zeiten sterben;

Wer gut es kann, soll um Verzug nicht werben.

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 1, Wien 1827, S. 95-98.
Lizenz:
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