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Eine mörderische Schlacht ist vorüber, in der Tausende ihr Leben verloren haben, in der auch mir der Tod furchtbar nahe war, und ohne Constantins heldenmüthige Liebe mich unter die Myriaden seiner Opfer gerissen hätte. Wir sind geschlagen, und stehen am rechten Ufer des Euphrats. Das Lager ist bei Hierapolis aufgeschlagen, ich aber bin meinem Feldherrn, meinem Retter in die Stadt gefolgt, wohin ihn seine Wunde sich bringen zu lassen nöthigte, seine Wunde, die er für mich empfangen hatte. Er schläft im anstoßenden Zimmer, und ich eile dir Bericht von unserem Schicksal und meinem Leben zu geben, damit kein vergrößerndes Gerücht dich beunruhigen,[32] und bei der Gewißheit unsrer Niederlage mein Schweigen dich mit Sorge um mich erfüllen möge.
Galerius, der schon das vorige Jahr vergebens auf eine Gelegenheit geharrt hatte, Valerians schimpfliches Ende und die Schmach des römischen Namens durch einen entscheidenden Sieg an den Persern zu rächen, suchte jetzt, vielleicht mit mehr Hast als Klugheit, eine Schlacht zu liefern. Ein unglückliches Verhängniß hieß ihn die unabsehlichen Sandgefilde von Carrhae2 zum Schauplatze wählen, wo schon einst Crassus mit seinen Legionen in dem verrätherischen Boden und der glühenden Hitze seinen Untergang gefunden hatte. War er falsch berichtet, oder traute er sich allzuviel zu, genug, er griff wider den Rath aller seiner Kriegsobersten die weit überlegenen Perser wüthend an. Das Gefecht wurde heiß, die Römer erkannten die Ueberzahl der Feinde, ihre Gefahr, aber auch die Ehre ihres Namens, und die Schmach, die sie zu rächen hatten. Es wurde mit unerhörter Tapferkeit gestritten, allein der sandige Boden wich treulos unter unsern Füßen, und der Sonne senkrechter Strahl entglühte unsre Rüstungen zur unerträglichen Last. Die Perser, stets durch frische Schaaren ersetzt, erneuten sich unaufhörlich, wie das Haupt der Hydra, und boten unsern müden Armen immer frische Gegner dar. Ihre ganze Macht warf sich auf den Mittelpunkt unseres Heeres, wo Galerius befahl, er wurde durchbrochen, und nun war Verwirrung und Unordnung allgemein. Nur Constantin hatte Besonnenheit und Mäßigung genug, um seine Schaaren, unverwirrt von dem allgemeinen Lärmen, in festgeschlossenen Gliedern gegen die Brücke zu ziehen,[33] die über den Euphrat führt, und in ihr die Hoffnung unsres Rückzugs zu erhalten. Die zerstreuten Haufen flohen jetzt in wilder Hast dem Strome zu, und Viele fanden in den Fluthen ihr Grab. Tiridates, auf den, als die Hauptursache des Krieges, jeder Perser seine Aufmerksamkeit gerichtet hielt, und der, zu stolz eine unrühmliche Sicherheit durch Verkleidung zu erkaufen, an Waffen, Helmbusch und der Heroengestalt vor Allen kenntlich, auch jetzt noch durch die Reihen sprengte, und erhielt, was noch zu erhalten war, sah sich auf einmal allein von einem großen Trupp Perser umringe. Widerstand war nicht möglich. Er gab dem Pferd die Sporen, und sprengte an den Euphrat3. Die Feinde hatten ihn ereilt, keine Rettung blieb als in den Wogen. Er stürzte mit der ganzen Rüstung in die schäumende Fluth, ich hielt ihn für verloren, aber mit Riesenkraft kämpfte er gegen das Element, und erreichte das ziemlich ferne Ufer, wo ihn die Unsrigen mit lautem Freudengeschrei empfingen. Jetzt suchten die Perser unserm kleinen Haufen den Uebergang zu erschweren, aber Constantin vertheidigte die Brücke mit eben so viel Besonnenheit als Muth. Da sprengte der Anführer der Feinde heran, Constantins schlichte Rüstung mochte ihn getäuscht haben, er hielt mich für seinen Gegner, und in der Hoffnung, die Spoliae optimae4 zu erbeuten, zuckte er sein Schwert über mich. Ich stand abgewendet, der gewaltige Streich hatte mich tödten müssen, wenn nicht Constantin mit Schild und Arm ihn aufgefangen hätte. Im Augenblick der Rettung[34] erst erkannte ich meine Gefahr, ich wandte mich, und mein Schwert rächte die Drohung, und Constantins Wunde. Der Perser fiel, die Seinigen zerstreuten sich, wir sprengten ungehindert über die Brücke, die sogleich hinter uns abgeworfen wurde, und erst hier, als wir von unsern Pferden sprangen, fand ich den Augenblick, meinem Retter zu danken. Auch er fühlte erst jetzt seine Wunde, und sank halb ohnmächtig in meine Arme. Wir hielten uns fest umschlungen. Du bist mein, rief er, ich habe dich mit meinem Blute erkauft. – Ich drückte ihn an mein Herz; unsre Seelen, nicht unsere Lippen, schwuren sich ewige Treue. Ich trug ihn aus dem Gewühle, seine Leute eilten herbei, und was Liebe und Ergebenheit ersinnen konnte, wurde aufgeboten, um seinen Zustand zu erleichtern. Seine Wunde ist tief, aber nicht gefährlich. Ich lebe um ihn, ich schlafe an seiner Seite, tausend kleine Bande knüpfen uns jeden Tag fester, und mein Herz öffnet sich willig und freudig erhebenden Gefühlen, Aussichten und Planen, die Constantins Verhältnisse, seine Denkart, seine Freundschaft für mich mir in schönerer Zukunft zeigen. In weit umfassenden Entwürfen für die Menschheit verliert sich die Rücksicht auf einzelnen Schmerz, und vor dem lauten Rufe der Pflicht für's Ganze verstummt die Stimme bitterer Erinnerungen, wenigstens in so langen Zwischenräumen, daß der Geist Zeit und Kraft gewinnt, um den Satz deutlich zu erkennen, den man in guten Stunden so leicht ausspricht, und in trüben so schmerzlich zugibt, den Satz – daß Glückseligkeit nicht der Zweck des Einzelnen sey, und seine vielen Entsagungen und geringen Ansprüche darnach einzurichten.
1 Hierapolis, eine Stadt am rechten Ufer des Euphrats. Die Schlacht, welche hier beschrieben wird, findet sich beinahe mit allen Umständen der wirklich geschichtlichen Personen (Constantin ausgenommen) in dem 13. Kap. von Gibbons Geschichte. Daß ich sie von dem Jahre 296 auf 302 verlegt habe, wird man in einem Romane wohl verzeihen.
2 Geschichtlich.
3 Geschichtlich.
4 Spoilae optimae, wurde die Rüstung des feindlichen Heerführers genannt.