Dritter Akt.

[64] Hof im Hause des Mopsus.


PHYLLIS allein.

Schon dämmert es rings und der Venusstern

Tritt aus dem Gewölk in die Nacht glorreich;

Zwar Sirmio fehlt und der Schultheiß fehlt,

Doch brennt in der Brust die Begierde mir stets

Nach Blut und Verderb, und der Fluchtvorsatz.

Wie ertrug ich so lang, was dieser Gemahl

Aufs Herz mir gelegt, solch vielfach Leid?

In der Brautnacht schon, was that mir der Wicht?

Ich trug, wie bekannt, ringsfließendes Haar,

Wie ein Bandwurm lang, wie der Ruß kohlschwarz:

In der Brautnacht nun, als schnarchend ich lag,

Scheert mir der Barbar das Gelocke vom Kopf,

Und er gibt's zum Verkauf in der Frühe sogleich

An den nächsten Perückenverfert'ger!


Mit den Kindern sodann, was denkt er zu thun?

Denk' ich's, überläuft mich die Ganshaut kalt!

Denn er will ja die zwölf Kernjungen mir als

Karl Witte's erziehn, zu gelehrten Genie's.

Mit denen, die just drei Jahr alt sind,

Treibt er den Euklid und die Regel de Tri,

Ja, Einem, der kaum noch den Fallhut trägt,

Lehrt er das Gesetz vom beschleunigten Fall,

Und mit Einem, der noch in die Windel hofirt,

Liest er im Virgil der Harpy'n Unart.

Kurz alle gedenkt er nach Deutschland einst

Zu verhandeln, um dort Professores zu seyn

Im sechsten bereits oder siebenten Jahr,

Als zwölf Karl Witte die jüngsten!


[65] Phyllis, Mopsus.


MOPSUS.

Deklamirst du hier im Hofe? Geh hinein zu deinen Kindern!

PHYLLIS.

Hier im Mondenschein zu schwärmen, soll mich kein Gemahl verhindern.

MOPSUS.

Doch es hindert dich der Bullenbeißer, und vom Dach der Kater.

PHYLLIS.

Dennoch will ich deklamiren; denn die Welt ist ein Theater.

MOPSUS.

Aber das Theater selber, ist es zur Türkei geworden,

Denn, wo sonst Heroen schritten, tummeln sich Barbarenhorden?

PHYLLIS.

Stille, stille! lerne lieber nach des Pöbels Pfeife tanzen,

Und verehre tief im Staube den Geschmack der Intendanzen!

MOPSUS.

Freilich! Intendanten machen sich das Schlechteste zu Nutze,

Denn das Gute hilft sich selber, das entzieht sich ihrem Schütze.

PHYLLIS.

Demnach aber darf das Gute deutsche Bretter nie besteigen?

MOPSUS.

Nie, wofern es reich und kräftig, überlegen, keck und eigen.

PHYLLIS.

Wehrt denn diesem Volk zuweilen nicht ein Fürst herab vom Throne?

MOPSUS.

Schmeichler nahn sich ihm als Flecken, trüben den Brillant der Krone:

Ein Poet stolzirt in Waffen, ist des Helikons Bestürmer,

Aber Manche kriechen aufwärts, wie gekrümmte Regenwürmer,

Und das Publikum, das alte Höckerweib, entblößt von Zähnen,

Schließt sogleich den Mund zum Bravo, wenn er Miene macht zum Gähnen.[66]

PHYLLIS.

Auf die neuern Dramaturgen wäre sonach nichts zu halten?

MOPSUS.

Das vernein' ich. Gutes mag sich, doch mir unbewußt, gestalten:

Ja, ich könnte selbst citiren ein'ge schöne, neu're Data:

Kam nicht Herzog Ernst aus Schwaben? Kam nicht aus Burgund Renata!

PHYLLIS.

Kommt nicht eben hier der Schultheiß?

MOPSUS.

Noch so spat, was kann er wollen?


Die Vorigen, Damon, Sirmio.


DAMON.

Nichts als einen nachbarlichen, freundlichen Besuch euch zollen.

Auch versichr' ich: Jener Jude, den des Diebstahls ihr bezüchtigt,

Ist als Ehrlichster von allen Kindern Israels berüchtigt.

MOPSUS.

Kennt ihr nicht das alte Sprichwort, daß der Hehler wie der Stehler?

DAMON.

Glaubt mir, Mopsus, Dieberei ist jenes Juden kleinster Fehler.

PHYLLIS.

Nun, wer hat es denn gestohlen?

SIRMIO.

Stille, Phyllis, mir zu Liebe!

DAMON.

Soll ich meine Meinung sagen, waren Elstern eure Diebe.

MOPSUS.

Elstern! Was für Mährchen! Soll ich Elstern vor Gericht verklagen?

DAMON.

Hat nicht auch Rossini's Elster ein Besteck davongetragen?

PHYLLIS.

Ei Rossini!

DAMON.

Ja, ich könnt' euch einen neuern Fall entdecken,

Der, als Trauerspiel behandelt, tausend Seufzer würde wecken.[67]

PHYLLIS.

O erzählt! Ich lese täglich Meißners Kriminalgeschichten.

MOPSUS.

Mitternacht ist nah, da hört man Ammenmährchen gern berichten.

DAMON.

In Arkadien war ein Kuhhirt, welcher hieß Anaximander,

Er und seine Gattin schliefen eines Abends bei einander;

Aber neben ihr, so war es ihr Gebrauch, auf einem Tischchen

Lag ihr Ehering und eine Predigt, oder sonst ein Wischchen.

Offen standen alle Fenster, da es Sommer war, und freier

Lüftete des Zephyrs Athem der Gardinen grüne Schleier;

Aber mit dem Zephyr kam ein Elsterchen herbeigeflogen,

Dieses wurde durch des Ringes gelben Schimmer angezogen,

Flog ans Tischchen, sah die Predigt, nahm jedoch den Ring alleine,

Trug ihn fort und ließ ihn wieder fallen – auf dem Rabensteine.

Weil's vom Schicksal war beschlossen, daß es so geschehen sollte,

Sieht ihn dort der Knecht des Henkers, welcher eben rädern wollte,

Steckt ihn an die Hand; doch achtet er nicht weiter dieses Dinges.

Des Anaximanders Gattin merkte den Verlust des Ringes

Schon am andern Tag, verschweigt es aber weislich ihrem Gatten,

Weil sie hofft, der Zufall werd' ihr ihn gewiß zurückerstatten.

Doch im Stall Anaximanders, dieses dürft ihr nicht vergessen,

Da's die Quintessenz von Allem, war ein Ochs krepirt indessen:

Nach dem Fallknecht schickte Jener, daß er weg den Ochsen bringe,[68]

Und begegnet an des Knechtes Finger seinem Eheringe.

Zwar er schweigt: doch kann er seine Wuth nur kurze Zeit verschließen.

Kennt ihr Eifersucht? Was wollt' er machen, als das Weib erschießen?

Er erschießt es auch, begräbt es heimlich, aller Welt verborgen,

Und vermählt mit einer andern Gattin sich am andern Morgen.

Diese ward ihm aber wirklich ungetreu, sie war umrungen

Von Bewerbern, und ersah sich einen allerliebsten Jungen

Zur Gesellschaft. Dieser wollte seiner Liebsten was verehren,

Und er fing ein Elstermännchen, dem er wollte sprechen lehren.

Dieß gelang, es sprach, worauf er's seiner Herzenskön'gin sendet;

Aber ach! Es war der Vogel, welcher einst den Ring entwendet.

Leider könnt' er jetzo sprechen! Er berichtet unbefangen

Dem Anaximander Alles, wie es mit dem Ring ergangen,

Dieser fühlt sich, wie begreiflich, ganz von Reu' und Leid zerrissen,

Malt sich das Schaffot poetisch, faselt von Gewissensbissen,

Klagt sich selbst an, wird gerichtet auf demselben Rabensteine,

Und es rädert auch derselbe Henkersknecht ihm Arm' und Beine!

Auch das Weib, das ungetreue, starb an Champignons vergiftet,

Und die Elster fiel in Wahnsinn, weil sie all dieß angestiftet.

SIRMIO.

O der herrlichen Verwicklung!

PHYLLIS.

Wär' es doch schon auf den Brettern!

SIRMIO.

Auf gestutzt mit Modefloskeln![69]

PHYLLIS.

Und durchwebt mit Donnerwettern!

SIRMIO.

Welche wunderbare Fügung!

PHYLLIS.

Und der Rabenstein, mir schaudert!

MOPSUS.

Doch der Jude scheint mir auch ein Elstermännchen, welches plaudert.

DAMON.

Plaudert, aber nie gestohlen!

PHYLLIS zu Sirmio.

Siehst du nicht, wie Damon immer

Nach dem Hundstall schielt hinüber?

SIRMIO.

Steht der Schatz bereits im Zimmer?

PHYLLIS.

Wohlverwahrt, doch uneröffnet.

SIRMIO.

Morgen lösen wir die Siegel.

PHYLLIS.

Komm nur pünktlich!

SIRMIO.

Mit dem Frühsten.

PHYLLIS.

Offen stehen Schloß und Riegel.

Aber bring' auch einen Karr'n mit, um den Kasten aufzuladen!

SIRMIO.

Ja doch!

DAMON.

Gute Nacht, ihr Leute!

PHYLLIS.

Ich empfehle mich zu Gnaden.


Damon und Sirmio ab, von Mopsus begleitet.


PHYLLIS.

Nun schleuß dich, o Herz, dem Mitleid zu!

Weil schon des Gehegs Nachtwächter die Zeit

Der entsetzlichen That im Dorfe posaunt,

Und der Schwengel sich schon

Zwölfmal in der Glocke des Thurms regt.

MOPSUS zurückkommend.

Nur hinein! Nur hinein! Was willst du noch hier?

Bald folg' ich dir nach. Unheimlicher läßt

Sich die Nacht jetzt an. Nur hinein ins Haus!

PHYLLIS bei Seite.

Jetzt geh' ich hinein,[70]

Bald kehr' ich zurück mit der Gabel.


Ab.


MOPSUS.

Wie es pfeift in der Luft, wie so plötzlich sich das gestirnte Gewölbe verfinstert!

Ein Gewitter ist nah, und im Wachsen der Sturm, und es häuft sich Gewölk an Gewölke;

Laut blockt mir das Vieh in den Stallungen rings, und der Kater miaut und der Hund bellt.

Was deutet mir das? Und wie leg' ich's aus? Gibt's Ahnungen oder was gibt's denn?

Wenn die Scheere, die fällt, in den Boden sich spießt, so behauptet man, daß es Besuch gibt;

Das verschüttete Salz, anzeigt es Verdruß, und am Lichte der Räuber ein Brieflein;

Wenn man Schafen begegnet, bedeutet's ein Glück, wenn man Schweinen begegnet, ein Unheil;

Fühlt Einer sich krank und er soll abziehn, sieht Nachts er die Bahre vorbeiziehn;

Wird einer geköpft, ein Verbrecher, so zuckt vorher an der Mauer das Richtschwert.

Was deutet mir nun dieß Hundegebell? Ist's mein Tod oder der Phyllis?


Mopsus, Phyllis.


PHYLLIS.

Sacht schleich' ich heran; doch treff' ich ihn wohl? Wo steht er? Ich sehe ja keinen

Stich hier in der Nacht, wie soll ich ihm denn beibringen den Stich mit der Gabel?

MOPSUS.

Es rumort in der Luft und der Donner beginnt.

PHYLLIS.

O hätt' ich doch Anatomie noch

Als ledig studirt, nun wüßt' ich den Fleck, wo es ihn zu verwunden am besten!

Wo treff' ich das Herz? Liegts links oder rechts, daß ich nicht in den Magen ihn stoße?

Sein Magen verdaut so entsetzlich gut, daß er könnte verdauen die Gabel.[71]

MOPSUS.

Nun geh' ich hinein, wo die Phyllis träumt, und mach' ihr im Stillen den Garaus

PHYLLIS.

Jetzt wendet er sich, jetzt eil' ich hinzu. Stirb, Gräßlicher! Aber was ist das?


Blitz und Donnerschlag. Salome erscheint mit Gepolter und Flammen. Phyllis läßt die Gabel fallen und entflieht.


PHYLLIS.

Ein Gespenst! Ein Gespenst! fort eil' ich ins Haus! Wenn Gott will, frißt es den Mopsus.


Ab.


SALOME.

Ich rettete dich, mein Urursohn! Heb' auf vom Boden die Gabel!

MOPSUS.

Dank beb' ich dir zu. Wer bist du, Gestalt? Ein Geschöpf, sprich, oder ein Unding?

SALOME.

Ein Geschöpf, wie du selbst, vormals theilhaft des verrinnenden Sands in der Sanduhr,

Jahrhunderte jetzt in entsetzlicher Haft, durch nie zu berechnenden Zeitlauf.

MOPSUS.

Doch seh' ich dich frei.

SALOME.

Um zwölf Uhr blos, jetzt blos,

in der Mitte der Nacht blos.

Doch wird mir auch dieß zur entsetzlichen Qual, denn die Nacht ist schrecklich um die Zeit!

MOPSUS.

Zwar hört' ich das oft, doch glaubt' ich es nicht, ich hielt's für chimärischen Wahnsinn;

Auch hielt ich mich nicht für ein Sonntagskind, denn ich bin ja geboren am Samstag.

SALOME.

Thut nichts, da der Sabbath als Sonntag gilt, wir führen den Judenkalender,

Seitdem durch Geist uns Geister bestach der berüchtigte Jude Spinoza.

MOPSUS.

Was wälzt sich denn in der Mitte der Nacht so Entsetzliches über den Erdkreis?

SALOME.

O glückliches Auge des Menschengeschlechts, das nicht ins Dunkel der Nacht dringt!

Doch erscheint auch euch voll Grauen die Nacht, durch Ahnung mehr als Gewißheit.[72]

O könntet ihr schau'n in den Kern der Natur mit erleuchteten Augen um zwölf Uhr!

Da bewegt sich die subtellurische Macht als Windsbraut unter der Erde,

Und sie weht als Dunst von der Hölle herauf, kohlschwarz wie die Säule des Dampfboots.

Das ist's, was eben verheert die Natur, sonst hättet ihr ewiges Wachsthum:

Von der Wurzel des Baums zum Gipfel empor steigt's auf als Gift der Zerstörung,

Und es schleicht als Tod ins thierische Herz, und vermählt sich menschlichem Odem;

Drum lebt auch länger der Vogel als ihr, der weniger klebt an der Erde,

Der seltener auch den entsetzlichen Dunst aus höherer Luftregion zieht.

O könntest du jetzt in der Mitte der Nacht durchschweben Gefild und Gebirge!

Aus Schluchten empor widerhallt das Gestein vom Zähnegeklapper der Hölle,

Und vernehmlich krächzt aus Wipfel und Dach halbmenschliche Worte der Uhu,

Denn es irrt die Natur, und vermischt gräulvoll Labyrinthisches untereinander!

Jetzt heben empor aus Quellen und Seen Meernixen ihr schilfiges Antlitz

Und den schuppigen Leib, und stören den Traum des Ermüdeten, welcher am Bach schläft;

Und das Mühlrad peitscht aufzischenden Schaum in verdoppelter Schnelle wie rasend.

Und der Mühlknecht stürzt in den Trichter hinab, wenn er just aufgießet das Korn jetzt.

Auf dem Kirchhof stäubt die Gebeine herum lautsausend ein wüthender Windstoß,

Und es knarren der Gruft Thürangeln, es flammt, wie Von Blitzen erleuchtet, die Grabschrift,[73]

Und die Todten im Sarg, aufwachen sie halb, und behorchen mit Schauder den Holzwurm.

Hu, hu! Weh, weh! O Mitte der Nacht, du grausige Stunde, huhu, hu!

MOPSUS.

Unglücklicher Geist!

SALOME.

O wär' ich erlöst! Zu betrachten das menschliche Daseyn

Ist schrecklich, während man Mensch noch ist, ist schrecklicher einem der Geister:

Die Geburt und der Tod, einander so nah, sind blos durch Schmerzen geschieden,

Sind Schmerzen sie selbst. O trauriges Loos, wohl werth unsterblicher Thränen,

Wie ein Gott sie geweint!

MOPSUS.

Doch seyd ihr erlöst, was thut ihr, luftige Geister?

SALOME.

Wir tanzen den Reihn und berühren im Flug mit schwebenden Sohlen die Sterne.

MOPSUS.

Was kann ich dir thun?

SALOME.

Viel, viel, wenn du willst; doch

halt' ich das Beste geheim noch.

MOPSUS.

Nein, sprich, was ich soll?

SALOME.

Was wolltest du denn mit der

Gabel beginnen, o Mopsus?

MOPSUS.

Ich wollte damit auch Kinder und Weib dort unter die Sterne versetzen;

Doch tadelst du das, so –

SALOME.

Genire dich nicht! thu was der Instinkt dir gebietet!

Man metzelt in neuen Tragödien auch schlechtweg, nach kurzer Versuchung.

MOPSUS.

Doch, wenn du befiehlst –

SALOME.

O nein! wie gesagt, ich billige deine Begierden.[74]

MOPSUS.

Doch möcht' ich dich noch ausfragen, warum –

SALOME.

Jetzt nicht, da verronnen die Zeit ist:

In den Kerker zurück eilt jetzt mein Geist, und schmachtet entgegen der Freiheit:

O Erlösungstag, wann seh' ich entzückt die Vergoldungen deiner Aurora?


Sie verschwindet.


MOPSUS.

Vortrefflicher Geist! Du erriethst mich gleich, wohl kennst du das menschliche Herz recht.

Nun könnt' ich vor Muth mein ganzes Geschlecht, als wär's Pappdeckel, zerstechen!

O Gabel, du bist in der Hand mir jetzt der plutonische, gräßliche Zweizack!

Jetzt könnt' ich mit dir, in titanischer Kraft, aufgabeln als Kugel den Erdball,

Ihn laden, und dann todtschießen mit ihm die gestirnten Armeen des Himmels!

Was hör' ich denn da?


Mopsus, Schmuhl der über die Mauer steigt.


SCHMUHL.

Wenn der Hund nicht bellt, so

vollend' ich den herrlichen Anschlag.

MOPSUS.

Was dringt für ein Ton durch Nebel und Nacht? Ist denn schon wieder ein Geist hier?

SCHMUHL.

Wer wandelt denn dort?

MOPSUS.

He! He da, Gespenst! Gib

Antwort! Wenn du ein Geist bist,

So verhindre mich nicht an der löblichen That, und laß den gefundenen Schatz mir!

SCHMUHL.

Den gefundenen Schatz? O weh mir, weh!

MOPSUS.

Gib Antwort, wenn du ein Geist bist!

SCHMUHL.

Auch ohne das, Freund! Wir kennen uns ja, als künftige Reisegenossen.[75]

MOPSUS.

Wie? Crusoe, du? Wie kamst du herein in den Hof und eben um die Zeit?

SCHMUHL.

Das Gewitter, du hast es gesehen; es schlug mich ein Blitz schnurstracks in den Hof her.

MOPSUS.

Das wundert mich doch! Im Uebrigen kannst du mich während der Reise begleiten;

Denn ich gehe noch heut und bedarf recht sehr des erfahrenen Wandergefährten.

SCHMUHL.

Aber laß uns jetzt eintreten ins Haus, ich helfe dir packen, Geliebter!

MOPSUS.

O es ist schon gepackt, nichts nehm' ich mit mir, als eine Schatulle von Eisen.

Bleib hier nur im Hof, gleich kehr' ich zurück, dann können wir Alles besprechen;

Jetzt laß mich hinein, ich nehme nur noch von Weib und Kinderchen Abschied.


Ab.


SCHMUHL.

Abtrünniges Glück! So muß ich mich denn mit der Hälfte des Schatzes begnügen?

O Geld! Was opfert das Menschengeschlecht nicht dir und deinem Besitzthum?

Dir wuchert der Filz, und der Sämann sät nur dir, es bezieht der Soldat blos

Die Parade für dich und exerzirt, und der Schreiber copirt, und es gucken

Buhldirnen für dich zum Fenster heraus, ja, Schornsteinfeger zum Schornstein!

Vor den Uebrigen ziehst du das Judengemüth dir zu, wie ein Schiff der Magnetberg.

Aber Eins verleihst du, o himmlisches Geld, was Wenige, die dich besitzen,

Zu besitzen verstehn, zu genießen verstehn, was ist dieß Eine? die Freiheit.


Er wirft den Mantel ab und tritt als Chorus an den Rand der Bühne. Der Himmel wird wieder hell und die Gestirne treten hervor.


O goldne Freiheit, der auch ich entstamme,

Die du den Aether, wie ein Zelt, entfaltest,[76]

Die du, der Schönheit und des Lebens Amme,

Die Welt ernährst und immer neu gestaltest;

Vestalin, die du des Gedankens Flamme

Als ein Symbol der Ewigkeit verwaltest:

Laß uns den Blick zu dir zu heben wagen,

Lehr' uns die Wahrheit, die du kennst, ertragen!


Du wolltest gütig uns das Wort verleihen,

Das als ein Funke deinem Herd entglommen,

Du, die du gibst ihm deine sieben Weihen,

Durch die's der Menschen Herzen eingenommen,

Die du es tönen lassest und gedeihen

Vom Rednerstuhl, dem weltlichen und frommen:

Leih' auch den Genien dieses heitern Ortes

Den schönsten Ausdruck des lebend'gen Wortes!


Wer hier zum Volke spricht in stolzen Tönen,

Der sey auch würdig vor dem Volk zu sprechen;

Entnervendes zu bieten statt des Schönen,

Ist an der Zeit ein Majestätsverbrechen.

Zeigt ihr der Väter sonst'gen Ruhm den Söhnen,

So sucht, durch stille Größe zu bestechen,

Und wollt ihr treffen mit des Witzes Strale,

Kredenz' euch Anmuth erst die Zauberschale!


Doch laßt ihr stets euch voll Geduld beschenken

Mit allen Gattungen von Mißgebilden,

Die höchst possirlich jedes Glied verrenken,

Um zu gefallen euch, den Allzumilden;

Doch hoffe Keiner ohne tiefes Denken

Den ew'gen Stoff zur ew'gen Form zu bilden,

Und schwierig ist's, mit Würde sich zu fassen

Auf einem Stuhl, den Schiller leer gelassen.


Lernt erst das Edle kennen und erproben,

Und scheiden lernt den Schwätzer vom Propheten!

Wie lange wollt ihr diese Reimer loben,

Die fremdes Mehl, doch ohne Würze, kneten?

Verlangt ihr Großes, hebt den Blick nach Oben,[77]

Denn nicht herunter steigen die Poeten,

Und selten wird euch schmeicheln ihre Strenge:

Die Kunst ist keine Dienerin der Menge.


Was frommt's dem Stümper, einen Kranz zu tragen,

Und wenn ihr brächtet ihn auf seidnem Kissen?

Im Innern muß ihn blos die Sorge nagen,

Ein so gemeines Haupt bekrönt zu wissen:

Wer Schönes bildet, kann dem Preis entsagen,

Er kann ein Land, das ihn verkennt, vermissen:

Wer Dichter ist in seiner Seele Tiefen,

Der fühlt von Lorbern seine Schläfe triefen!


Der Frühling kommt, ihr könnt es nicht verwehren;

Die Luft erquickt, ihr könnt sie nicht verschließen;

Der Vogel singt, ihr könnt ihn nicht belehren;

Die Rose blüht, es darf euch nicht verdrießen;

Und naht ein Dichter, eure Lust zu mehren,

So lernt ihn auch im vollsten Maß genießen,

Anstatt sein Thun beständig zu verneinen:

Was soll der Mond denn anders thun als scheinen?

Quelle:
August von Platen: Die verhängnisvolle Gabel / Der romantische Ödipus. Stuttgart 1979, S. 64-78.
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