Zweiter Akt.

[50] Platz vor dem Hause des Mopsus.


MOPSUS.

Wer kann sich frei erhalten von Versuchungen,

Und wär' er in Arkadien auch, von Wünschen frei?

Wenn Einer sich in einen Zobelpelz verliebt,

Zieht's ihn aus freien Stücken nach Sibirien.

Durch mein Gelüst veröd' ich dieß Elysium,

Wie den Heroen biblischer Sylbenstecherei

Das Paradies zur Wüste wird durch eignen Wust.

Vergebens sagt die Phyllis, meine Frau, zu mir:

Geneuß das Leben, spare nicht für's Rittergut,

Das doch ja blos an der Hoffnung Vorgebirge liegt!

Was frommte dir nach einem halben Säculum

Beständiger Entbehrungen ein Rittergut,

Wenn dir in schlaffer Hose knackt das morsche Knie?

Du solltest lieber idyllisch an des kühlen Quells

Krystallnen Fluthen liegen mit dem Dudelsack!

Doch ich entgegne meiner Frau gewöhniglich:

Sey weniger fruchtbar, oder ich sende deine Brut

Ins Findelhaus, wie Rousseau, der Erzieher, that

Mit seines Weibs Emilen und Emilien,

Wovon vielleicht noch Manche lebt und unbewußt

Ueber ihres Rabenvaters Heloise gähnt.


Mopsus, Phyllis.


PHYLLIS.

Ich weiß, du hast erspartes Geld, du besinnst dich ja

Bei jedem Heller, den du in den Händen drehst,

Um in die Tasche wieder ihn zurückzuthun.

Gib nur so viel, daß Teller ich und ein Besteck

Für unsre Wirthschaft kaufen kann.

MOPSUS.

Wir haben ja

Die Gabel noch.[51]

PHYLLIS.

Das ist was Rechtes!

MOPSUS.

So? Es ist

Ein altes Erbstück einer Ururgroßmama.

PHYLLIS.

Was seufzest du?

MOPSUS.

Dieselbige soll einen Schatz

Verscharret haben, einer alten Schrift gemäß,

Die ich als Kind gelesen; doch vergebens grub

Ich nach in Hof und Garten, ich entdeckte nichts.

PHYLLIS.

So hast du keine Wünschelruthen angewandt?

MOPSUS.

Sie kleckten nicht, sie senken nach Metall sich blos:

Vielleicht besteht in Diamanten dieser Schatz.

PHYLLIS.

Vielleicht im Aberglauben blos, wer weiß, worin?

Doch gib das Geld her, wenigstens das nöthigste!

MOPSUS.

Geld ist ja nicht das Nöthigste, das Wasser ist's.

Was wären ohne Wasser wir? Bedenke nur!

Wo nähme denn die Klerisei zur Fastenzeit

Die Karpfen her? Wie würde der Kaffee gekocht?

Wie kämen unsre Schiffe nach Amerika?

Fouqué's Undine, wo geriethe diese hin?

Die Enten müßten ganz verzweifeln! Ja, was wär's

Mit unsern Wäscherfrauen, den natürlichen,

Und auch den metaphysischen, wie Krug und Fries?

Trink Wasser, Schatz! Ich werde nach den Schafen sehn.


Ab.


PHYLLIS.

Der Grobian! Wenn unser Schultheiß nur den Dieb

Indeß entdeckt! Ich sollte wieder fragen gehn.


Phyllis, Sirmio.


SIRMIO.

O Glück, allein zu treffen dich, du Theuerste,

Du meines Herzens erste Liebe! Heute gilt's

Ein wichtiges eleusisches Mysterium.[52]

PHYLLIS.

Was flüstert Er von Läusen und von Mist herum?

Mein Mopsus ist auf's Feld gegangen. Sprecht' Er laut!

SIRMIO.

Heut zeige mir, daß unsre Seelen wahlverwandt.

PHYLLIS.

O ja, so weit es möglich meiner Ehepflicht.

SIRMIO.

O weiter noch! O weiter noch um Einiges!

PHYLLIS.

Was mir an Ihm gefallen könnte, wüßt' ich nicht.

SIRMIO.

O ho! Ein hübscher Bursche glaub' ich doch zu seyn.

PHYLLIS.

Wo ist an Ihm was Hübsches, laß Er hören, Freund!

SIRMIO.

Die rothen Haare deuten auf ein Feuerherz.

PHYLLIS.

O geh' Er mit symbolischen Beziehungen!

SIRMIO.

Des feuchten Auges schwärmerischer Liebesblick.

PHYLLIS.

Nach jeder Schürze schielen solche Blicke gern.

SIRMIO.

Auf üppiger Unterlippe brennt Schönheitsgefühl.

PHYLLIS.

Brennesseln also wären seine Lippen? Pfui!

SIRMIO.

Die robuste Hand vermännlichet den Händedruck.

PHYLLIS.

Ich ziehe die weichen Hände vor. Was Anderes!

SIRMIO.

Im hohlen Rücken spiegelt sich der stolze Gang.

PHYLLIS.

Die hohlen Spiegel lieb' ich nicht. Was Anderes!

SIRMIO.

Der Bauch –

PHYLLIS.

Er Unverschämtester in der Christenheit!

Den untern Theil begehr' ich nicht.

SIRMIO.

Warum denn nicht?

Der untre Theil des Körpers ist des obern Halt:

Das nenn' ich Freundschaft, welche bis zum Nabel geht,

Allein der Blick der Liebe sinkt verschämt herab.

PHYLLIS.

Schon gut! Ich aber halte mir die Ohren zu.

SIRMIO.

Noch einen Vorschlag, Theuerste! Wir könnten wohl

Zusammen durchgehn heute Nacht, mitsammt dem Geld.

PHYLLIS.

Mit welchem Geld?[53]

SIRMIO.

Das ist ja mein Mysterium:

In Euerm Hof befindet sich ein alter Schatz.

PHYLLIS.

Ein alter Schatz? Wär's möglich? Hätte Mopsus Recht?

Allein er grub den ganzen Hof umsonst herum.

SIRMIO.

Weil er den Hundstall wegzuthun vielleicht vergaß,

Denn der verhüllt der Eisenkiste Heiligthum.

Wenn ich sie finde, Vielgeliebte, gehst du durch?

PHYLLIS.

Durch Feu'r und Wasser geh' ich, wie Pamina that,

Und lasse meinem Gatten hier die Kinderchen.

SIRMIO.

Ich geh' hinein und grabe. Halte den Mopsus hier

Zurück, wenn heim er kehren sollte, daß er mich

Im Hofe nicht ertappe, ja den Schatz zugleich

Entdecke, jenen köstlichen, der morgen früh

Durch Nacht und Nebel uns begleiten soll.

PHYLLIS.

Nur fort!

Ich warte hier; doch nimm vor'm Hunde dich in Acht!


Sirmio ab.


PHYLLIS.

Das kommt mir doch gerade recht. Der Sirmio

Ist ein gewandter Junge! Meinem Geizigen

Lass' ich die sechs Paar Drillingsbrüder, wie die zwölf

Gestirn' im Thierkreis. Alle zwölf beisammen sind

Die rechte Zahl, indessen man im Trauerspiel

Nur fünfe braucht; doch freilich wird das fünfte blos

Als Stier bei den Hörnern hergezogen; während doch

Der Dichter selbst das fünfte wär' als Wassermann:

Auch ist Elvire keine Jungfrau, denk' ich mir.

Allein wohin lass' ich herab mich, und warum

Verleih' ich einer Albernheit Unsterblichkeit? –

Da kommt mein Mann. Er will doch nicht ins Haus hinein?

Pst! Mopsus!


[54] Phyllis, Mopsus.


MOPSUS.

Nun?

PHYLLIS.

Erzähle von den Schafen was,

Und bleib' im Freien!

MOPSUS.

Keineswegs! Ich geh' hinein.

PHYLLIS.

Bleib, Herzensmann! Erzähle von den Schafen was!

MOPSUS.

Was soll ich denn erzählen?

PHYLLIS.

Von den Schafen was! –

Mir fällt vor Angst nichts Bess'res ein – Bleib, Herzensmann!

MOPSUS.

Ich will ins Haus.

PHYLLIS.

Die Stuben werden aufgefegt,

Du kommst vom Felde und beschmutzest Alles!

MOPSUS.

Nun, ich will

Die Schuhe wegthun.

PHYLLIS.

Warte doch!

MOPSUS.

Warum denn das?

PHYLLIS.

Die Kinder schlafen, morde nicht den süßen Schlaf!

Sonst wird der Rittergutsherr auf dem Vorgebirg

Der guten Hoffnung nicht mehr schlafen. Glaube mir!

MOPSUS.

So will ich auf den Zehen schleichen. Laß mich doch!

PHYLLIS.

O bleib! Die Scham verbietet dir hineinzugehn,

Weil unsre Viehmagd eben ein Klystier bekommt.

MOPSUS.

So halt' ich zu die Augen oder blinzle blos.


Ab.


PHYLLIS.

O du Weltunheil! O du Schicksalstag!

Er enteilt, er entdeckt mir das Geld, er entdeckt

Mir den lieblichen Wicht!

Und er zaust mir den Wicht und erobert das Geld,

Er ergreift, der Barbar, mit der Rechten den Schöpf

Des Geliebten, o weh! und die Linke durchwühlt

Habgierig indeß die Dukaten!
[55]

Ha! Soll ich vielleicht ihm gönnen das Glück?

Aufopfern zugleich den metallenen und

Rothlockigen Schatz?

Das geschieht niemals! das geschieht niemals!

Eh kehre zurück und verderbe die Welt

Die titanische Brut, die unendliche Nacht,

Und das uranfängliche Chaos!


Wie errett' ich das Geld dem Geliebten und mir? –

Es durchzuckt das Gemüth mir ein Graunvorsatz,

Ein entsetzlicher Wunsch!

O Medea, du schwebst mir beständig im Geist,

Du erstachst herzhaft dein Schlangengezücht,

Dann schwangst du dich frei in die Wolken empor,

Auf drachenbespannter Kalesche!


Doch Judith war noch kecker als du!

Denn es ging ja mit ihr Holofernes zu Bett,

Und sie hatte den Sack

In Bereitschaft schon für den Kopf des Gemahls.

Ich darf doch wohl, wie mich dünkt, für's Geld

Und den Sirmio thun, was Judith's Muth

Für bloße Hebräer gethan hat?


Nur Sirmio darf nichts wissen davon,

Denn es ist sein Herz noch kindisch und weich,

Aber mein Ehherr

Soll heut mir des Nachts mit Tod abgehn!

Und der Hausahnfrau zweizinkiger Dolch

Durchbohre des Manns unersättliche Brust,

Gleich einer gebratenen Gansbrust!


Phyllis, Mopsus mit Sirmio.


MOPSUS.

Dir führ' ich den Dieb bei den Ohren heraus; denn du bist seine Genossin!

Doch im Haus, Gottlob! steht unversehrt die gewichtige Riesenschatulle.[56]

SIRMIO.

Was scheltet ihr mich? Ihr habt mir ja doch zu verdanken die ganze Bescheerung.

MOPSUS.

Geh heim, Gaudieb! Ich verdanke dir nichts!

Mir dank's, wenn ich nicht in der Zornwuth

Dir die Faust anleg' ans glatte Gesicht, und den Stock an die zierlichen Schenkel!

PHYLLIS leise.

Geh, Sirmio, geh! denn es bleibt ja dabei, und du kommst früh morgens und holst mich.

SIRMIO.

Ach, aber das Geld!

PHYLLIS.

Wir entwenden es schon. Laß mich

nur sorgen und komm brav!

SIRMIO.

So gescheh's!

PHYLLIS.

So gescheh's!

MOPSUS.

Was flüstert ihr noch?

PHYS.

Geh, Sirmio, laß mir den Brummbär!

SIRMIO.

Ich nehm's mit ihm auf!

PHYLLIS.

Geh!

MOPSUS.

Soll ich dem Herrn mit

dem Flegel die Beine beflügeln?

PHYLLIS.

Geh!

SIRMIO.

Hab' ich doch schon, an den Sohlen zumal, als Amtsmerkurius Flügel!


Zur Phyllis.


Wir sprechen uns noch; denn ich führe mit mir heut Abend herüber den Schultheiß,

Dann muß er mich ja doch dulden, der Mops, wir aber besprechen das Weitre.


Ab.


MOPSUS.

Xantippe, hinein!

PHYLLIS.

Bin ich das, gieß' ich auf den Schädel

herab dir, du weißt was?


Ab.


MOPSUS.

Abtrünniges Weib! O ich möchte vor Wuth umbiegen die Pole des Himmels:[57]

Phraseologie, die im Kopf mir blieb aus einem Tragödienrührei!

Doch denk' ich indeß an den Schatz, durchströmt mein Herz unsägliche Wollust!

Nur Schade, daß rings das Behältniß fest zu ist, nicht Riegel noch Oeffnung,

Noch Vorlegschloß sieht man und es ist hermetisch verschlossen die Kiste;

Aus schwerem Metall aneinandergefügt, schlitzt keiner so leicht ihr den Bauch auf.

Doch hoff' ich noch Rath. O wär' ich bereits, wo mir stets hinwinket die Hoffnung!

Was hält mich zurück in des Reichthums Schoos, da den köstlichen Schatz ich besitze?

Soll hier ich etwa durchbringen das Geld mit den Kindern und meiner Gemahlin,

Statt dort mir ein Gut zu erhandeln und dort zu beschließen in Ruhe das Leben?

Soll hier ich dafür ankaufen Geräth', Breinapf, Reibeisen, Kaffeezeug,

Und Putz für die Frau, Stecknadeln und Schawls, Tanzschuhe, gefütterten Unsinn?

Ja, wächst das Gezücht mir heran, so bedarf's noch Schulgeld sammt Abcbuch,

Und zuletzt noch was, wenn gelehrter sie sind, man nennt's Cornelius Nepos,

Für die Kinder ein Schreck; wir kannten doch blos, da wir selbst jung waren, den Wauwau.

Anwandelt mich Wuth und Zerstörungstrieb, wenn ich mir vorstelle den Aufwand!

Wär's Unrecht wohl ans herrliche Ziel, wie ein Held, über Leichen zu schreiten?

Zwar Helden auch trifft ein entsetzliches Loos, Napoleon starb in Verbannung,

Und der Schiller'sche Held, der ermordete, geht jetzt über die Bretter als Yngurd,[58]

Zu beweisen der Welt, was Hamlet sagt, daß Helden gekneteter Lehm sind.

Dieß schrecke mich nicht! Auch kommt mir in Sinn, was eine Zigeunerin sagte,

Nachdem sie zuvor in die Hand mir gesehn, in die Karten und ihren Kaffeesatz:

Wenn du nicht umbringst dein Ehegespons, Elender, so bringt es dich selbst um.

Ich verstand nichts mehr, was weiter sie sprach; doch glaub' ich, sie wollte mir sagen:

Wenn du nicht umbringst dein Ehegespons, Elender, so bringt es dich selbst um

Kapital und Prozent. Ja, thut sie mir das, dann bringt sie mich sicherlich selbst um.


Mopsus, Schmuhl verkleidet.


SCHMUHL.

Herr! Euch aufzuwarten wagt ein junger Mann von vielem Geist.

Welcher um der guten Hoffnung Vorgebirg herumgereist.

MOPSUS.

Welche Freude! Seyd willkommen! Seyd gereist ihr rings herum?

SCHMUHL.

Rings herum, doch stets vergebens, wie das deutsche Publikum,

Das auf seinen Schaugerüsten einen Löwen hofft zu schau'n,

Aber fast nur schäb'ge Kater schleichen sieht und hört miau'n.

MOPSUS.

Innig freut mich's, da man selten solche Reisewunder trifft!

SCHMUHL.

Ach wer hätte nicht zuweilen jenes Vorgebirg umschifft?

Ja, vor allen fährt die Liebe diesen Klippenweg vorbei,

Aber unter ihren Füßen geht der morsche Kahn entzwei!

MOPSUS.

Darf ich wohl um Euren Namen mich erkundigen, Musje?[59]

SCHMUHL.

Robinson der jüngre heiß' ich, den sie nennen Crusoe.

MOPSUS.

Wie? Ihr lebtet noch? Ihr setzt mich wirklich in Verwunderung.

SCHMUHL.

Da ich stets bei Kindern lebte, blieb ich etwas länger jung.

MOPSUS.

O erzählt von jenem Vorgebirg, das meiner Wünsche Thron!

Das was sich auf Eurer Insel zugetragen, weiß ich schon.

Zwar es ist des braven Ritters Erd- und Völkerkunde hier,

Doch unbrauchbar wird sie durch das reimerische Löschpapier.

O versetzt mich in das schöne Land, das all mein Sinn begehrt,

Wenn ein Adam auch, wie ich bin, keines Paradieses werth!

Setzen ja die Jambenschmierer, deren Vers den Vers zerstört,

Den Spondäus oft an Stellen, wo er gar nicht hingehört!

SCHMUHL.

Auf jenem Gebirg, wo die Hoffnung wohnt, ist's ganz wie im Land der Schlaraffen,

Und der Boden wie Sammt, und der Himmel wie Glas, und die Wolken wie Flocken von Purpur.

Und die Sonne, wie lacht sie in Klarheit stets! Doch breitet sich schattige Wölbung

Von Baume zu Baum, von Gebüsch zu Gebüsch, und es neigt sich Rose zu Rose.

Stets knospet's im Laub, und es wimmeln darin Papageien und bunte Fasane,

Stolz wandelt der Pfau durch silbernen Sand und schlägt goldaugige Räder,

Und es taucht sich der Schwan und der Colibri schläft im Kelche der flammigen Tulpe,

Und der Harzbaum würzt die geschwängerte Luft und der feine Geruch der Jasmine.[60]

Nicht Fliegen erblickst du noch Raupengezücht noch Unkraut, denn es vertritt hier

Kirschlorber den Platz des bedornten Gesträuchs, Stechpalme die Stelle der Distel.

Und der Springquell füllt, in beständigem Scherz, alabasterne Becken mit Goldschaum:

Dort kühlt sich im Bade der Jungfrau'n Leib, und der Jünglinge göttliche Nacktheit:

Hyacinthenes Haar umwuchert das Haupt und des Nackens unsterbliche Bildung.

Es verkündet der Wuchs kein irdisches Maß und die Haltung schwebet in Anmuth.

Sanft plätschert um sie die melodische Fluth und es hebt sich Flötengesäusel,

Vom Winde verweht, der leis' im Gefolg balsamischer Düfte daherzieht,

Und er schüttelt vom Ast, im Vorbeigehn mild, den vergoldeten Ball der Orange,

Und die kühlende Frucht der Granate mit ihr, für künftig Durstende sorgend.

Dort quält kein Schmerz, und die bitterste Pein ist dort wie Seufzer der Liebe;

Dort lehnt sich der Freund an die Schulter des Freunds, nie bange vor einstiger Trennung,

Und der Efeu mischt sein ewiges Blatt in die wallenden Locken der Dichter;

Als Lüge nur gilt dort Alter und Tod, das Unmögliche nennen sie wirklich.

MOPSUS.

Das leuchtet mir ein; doch findet man dort auch Speciesthaler und Maxdors?

SCHMUHL.

Wohl! Alles genug, und die Kiesel im Bach sind blos Holländer Dukaten.

MOPSUS.

O ich reise vielleicht noch morgen dahin, und ich bitt' Euch, mich zu begleiten!

SCHMUHL.

Verbindlichen Dank! Doch habt Ihr denn auch für die Fahrt hinlängliches Zehrgeld?[61]

MOPSUS.

Kommt Zeit, kommt Rath.

SCHMUHL.

Bis morgen jedoch schlägt

wenige Zeit von der Thurmuhr.

MOPSUS.

Für's Geld sorg' ich. Doch jetzt lebt wohl, Herr Crusoe, weil ich hinein muß.

SCHMUHL.

So vergönnt, daß ich mit eingehe, damit ich im Haus Euch leiste Gesellschaft.

MOPSUS.

Schon bin ich versehn, denn ich habe darin zwölf Kinder und eine Gemahlin.

Lebt wohl!


Ab.


SCHMUHL.

Lebt wohl! Was hält er mich denn von der Schwelle zurücke, der Schafpelz?

Wie verschafft er sich dann das benöthigte Geld, die gewaltige Reise zu machen?

Wär's denkbar, daß er den Schatz mir entdeckt? Unglaublich! hätte die Ahnfrau

Von Göttingen her mich citirt, um hier es zugleich zu vertrauen dem Mopsus?

Wenn die Nacht einbricht, will nochmals hier spioniren ich, ob ich den Eingang

Ins Haus, in den Hof frei finde, sodann geht's über den leidigen Hundstall;

Jetzt muß ich indeß ein gewisses Geschäft noch abthun hier in der Eile.


Hervortretend.


Wie kommt es, liebes Publicum, daß du die größten Geister

So oft verkennst, und stets verbannst die sonst berühmten Meister?

So ist bei dir der Kotzebue in Mißkredit gekommen,

Der sonst doch ganz allein beinah die Bretter eingenommen:

Du klatschtest seinen Herrn und Frau'n, du liebtest seine Spaße,

Er war dein Leib- und Herzpoet, der dir alleinge mäße:

Was galten dir vor dem Apoll die Musen alle neune?[62]

Auf jeder Bühne fand man ihn, ja fast in jeder Scheune:

Deß rühmt kein andrer Dichter sich, drum weigert ihm nicht länger

Als deutschem Sophokles den Kranz, als nationellstem Sänger!

Er schmierte wie man Stiefel schmiert, vergebt mir diese Trope,

Und war ein Held an Fruchtbarkeit wie Calderon und Lope.

In Versen schrieb er selten zwar; doch könnt' euch das nicht stören:

Ihr seyd ja Menschen, wollt ihr denn der Götter Sprache hören?

Er sprach wie ihr, das war euch recht; er nahm, um euch zu schonen,

Aus eurem eignen Kreise sich die fadesten Personen.

Auch habt ihr euren Kotzebue nicht ganz und gar verlassen,

Zwar starb er euch, doch blieben euch des Edlen Hintersassen:

Der Advokat in Weissenfels, und ähnliche Gesichter,

Die klein wie er als Menschen sind und groß wie er als

Dichter! Wir sehen einen solchen Knirbs nach Lorbeerzweigen schielen,

Weil er geborgt ein Trauerspiel aus zehen Trauerspielen,

Indeß er euch nur Scheußliches und Niegescheh'nes zollte,

Das man, und wär' es auch geschehn, mit Nacht bedecken sollte!

Was sind nun solche Koryphä'n moderner Dithyramben,

Als Kotzebue's im Domino, staffirt in lahme Jamben?

Gern hau' ich Manches wörtlich euch aus ihnen nachgewiesen,

Doch ihre Verse sind zu schlecht, sie passen nicht zu diesen.[63]

Wie Mancher dünkt sich Virtuos und schlägt gewalt'ge Triller,

Der blos als leere Phrase drischt, was Goethe sprach und Schiller:

Wenn die sich auch nur deß bedient, was Andre schon erworben,

So stünden wir bei Ramler noch, der längst in Gott verstorben!

Wen die Natur zum Dichter schuf, dem lehrt sie auch zu paaren

Das Schöne mit dem Kräftigen, das Neue mit dem Wahren;

Dem leiht sie Phantasie und Witz in üppiger Verbindung,

Und einen quellenreichen Strom unendlicher Empfindung;

Ihm dient, was hoch und niedrig ist, das Nächste wie das Fernste,

Im leichten Spiel ergötzt er uns, und reißt uns hin im Ernste;

Sein Geist, des Proteus Ebenbild, ist tausendfach gelaunet,

Und lockt der Sprache Zierden ab, daß alle Welt erstaunet!

Er fürchtet keinen neid'schen Feind und keinen tück'schen Spötter,

Und vor dem Tode bangt ihm nicht, als einem Freund der Götter:

Er weiß, daß nach Aeonen noch, was sein Gemüth erstrebet,

Im Mund verliebter Jünglinge, geliebter Mädchen lebet;

Indeß der Zeit Pedanten längst, verwahrt in Bibliotheken,

Vor Staub und Schmutz vermoderten, als wurmige Scharteken.

Quelle:
August von Platen: Die verhängnisvolle Gabel / Der romantische Ödipus. Stuttgart 1979, S. 50-64.
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