An Marie Louise Shew

Noch unlängst pries der Schreiber dieser Zeilen,

Sich brüstend mit besonderem Verstand,

»Die Schöpferkraft der Worte« und bestritt,

Daß je Gedanken jenseits des Gebiets

Der Menschenzunge Menschenhirn entsprängen;

Und jetzt gesteht er, seinen Stolz verhöhnend:

Zwei Worte sind, zwei seltsam fremde Silben,

Italiens Töne, die von Engeln nur

In Mondlichttraum sich flüstern lassen, »Tau,

Der perlengleich auf Hermons Hügel hängt«,

Aus seines Herzens tiefstem Grund bewegte

Gedanken, die, wie ungedacht, die Seele

Nur von Gedanken sind, weit reicher, wilder

Und göttlich-visionärer, als sie selbst

Der Seraphharfner Israfel (der doch

»Die süßeste der Stimmen hat von allen

Geschöpfen Gottes«) jemals äußern könnte.

Und ich! Ach, meine Zauber sind gebrochen.

Kraftlos entsinkt die Feder meiner Hand.

Ob du auch batest drum, ich kann es nicht,

Mit deinem teuren Namen etwas schreiben.

Ich kann nicht sprechen oder denken, ach,

Nicht fühlen mehr; denn das ist kein Gefühl,

Dies starre Stehen auf der goldnen Schwelle

Weitoffnen Traumtors, da ich regungslos,

Entzückt vom prächtigen Ausblick und durchschauert

So auf dem rechten wie dem linken Weg,

Weithin den ganzen Weg, in Purpurdunst

Bis fern ans Ende sehe – dich allein.

Quelle:
Edgar Allan Poes Werke. Gesamtausgabe der Dichtungen und Erzählungen, Band 1: Gedichte, Herausgegeben von Theodor Etzel, Berlin: Propyläen-Verlag, [1922], S. 129,133.
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