Vorwort.

Seit einer Reihe von Jahren sammle ich an den Ueberlieferungen des Harzes und habe dieselben niedergelegt in folgenden Schriften:

1) Aus dem Harze. Leipzig, Mendelssohn, 1851. 8. 120 und VIII S.

2) Kinder- und Volksmärchen. Ebenda 1853. 8. 254 und LII S. (Mit mythologischen Bemerkungen).

3) Harzsagen. Gesammelt auf dem Oberharze und in der übrigen Gegend von Harzeburg und Goslar bis zur Grafschaft Hohenstein und bis Nordhausen. Ebenda 1854. 8. 306 und XXXVIII S. (Mit Anmerkungen und mit mannigfachen Erörterungen im Vorwort).

4) Märchen für die Jugend. Mit einer Abhandlung für Lehrer und Erzieher. Halle, Buchhandlung des Waisenhauses. 1854. 8. 236 und XVI S. (Auch mit mythologischen Anmerkungen).

5) Weltliche und geistliche Volkslieder und Volksschauspiele. Mit einer Musikbeilage. Aschersleben, Focke. 1855. 8. 324. (Mit ausführlichen Anmerkungen).[18]

6) Harzbilder. Sitten und Gebräuche aus dem Harzgebirge. Leipzig, F.A. Brockhaus. 1855. 8. 119 S.

Das zuletzt unter Nr. 6 genannte Büchlein enthält im Wesentlichen die Gebräuche des Oberharzes, zwar ohne mythologische Erläuterungen, jedoch in reiner, für den wissenschaftlichen Gebrauch bestimmter Auffassung.

Auch Nr. 3, die »Harzsagen« beschäftigen sich vorzugsweise mit dem Oberharze, und wie im Format, so schließen sich auch dem abgehandelten Gebiete nach die »Unterharzischen Sagen« streng an die »Harzsagen« an. Die vorliegenden unterharzischen Sagen behandeln die Gegend von der Roßtrappe an (deren allbekannte Sagen man eigentlich erst nach dem Zusammenhange, in welchem wir sie nun vorführen, beurtheilen kann), über den Brocken hin (dessen Sagen hier zum ersten Mal planmäßig gesammelt sind), bis zur Grafschaft Stolberg, von deren eben so schönen als alterthümlichen und reichlichen Sagen (ich verweise zur Begründung dieses Urtheils auf Nr. 401-405, 421, 427, 458) ich mich mit Ausnahme von Nr. 452, welche von mir selbst einer gedruckten Quelle entlehnt ist, niemals nur eine Andeutung gelesen zu haben erinnere. Ein drittes selbständiges Buch soll die Sagen des östlichen Harzes, vom Brocken bis zur Grafschaft Mansfeld enthalten. Auch die Kyffhäusersagen, von mir neu gesammelt, sollen ihm einverleibt werden, da Bechstein nur die gedruckten Quellen erschöpft, die mündliche Ueberlieferung aber allzugering bedacht hat. Meine auch für den östlichen Harz und den Kyffhäuserberg längst angelegten Sammlungen an den verschiedenen Orten so weit zu vervollständigen, daß auch für diesen ein Abschluß möglich war, hinderte mich in dem verflossenen Sommer so Manches, zum Glück war's nichts Böses, ich will aber hier nur den weit früher als ursprünglich[19] bestimmt war unter meinen Augen in Wernigerode begonnenen Druck der unterharzischen Sagen selbst nennen, welcher allein schon größere Ausflüge durchaus nicht gestattete, sowie den bedeutenden Umfang, den die durch den Brocken und Ilsenburg so höchst wichtigen Sagen der Grafschaft Wernigerode in diesem Buche (S. 49 bis 140, 182, 188-193, 206, 208-211) erhielten, welchen zunächst immer noch gründlicher nachzuforschen nicht allein am Angenehmsten, sondern auch am Allergerathensten schien1.

Wie in jeder der oben unter Nr. 2-6 aufgeführten Schriften, so habe ich auch heute schon wieder die Ehre, eine diesmal ganz besonders zahlreiche Reihe von Gönnern dankbar namhaft zu machen, welche mich in der Arbeit gefördert haben: die Oberlehrer Kallenbach und Keßlin, der Lehrer Sievert vom Lyceum zu Wernigerode, Secretair Großhennig, Dr. Friedrich, Reg.-Rath Stiehler, sämmtlich zu Wernigerode; H. Krause zu Stade und Pastor Göroldt zu Aderstedt; sowie meine lieben Freunde den Gymnasiallehrer Gustav Forcke aus Wernigerode, den Kaufmann Gustav Adolf Leibrock, der einen musterhaften Fleiß auf die Geschichte seiner Vaterstadt Blankenburg verwendet und Stübeners Werk weit hinter sich lassen wird, und Dr. Gustav Schöne, der jetzt als Mitarbeiter der Pertz'schen Monumente von Halle nach Berlin geht.

Ueber die Einrichtung des vorliegenden Buches brauche ich mich nicht auszusprechen. Sie ist wesentlich die der »Harzsagen,« welche ich im Vorwort jenes Buches zu[20] begründen suchte. Sie hat Billigung erfahren2 und gegen unsern guten J.W. Wolf3, der jede Sage gleich hastig nach dem mythologischen Gegenstande, nie nach dem Orte, schematisirt haben wollte, brauche ich sie nicht mehr zu vertheidigen. Ich kann ihm auch das ihm öffentlich versprochene Gesammtregister über alle meine bisherigen Sammlungen schuldig bleiben: denn seine vielgetreue Seele ist zu unsern Vätern eingegangen. – O, wie sollte ihm die deutsche Erde nicht leicht sein?

Die eigentliche Localliteratur habe ich wieder eben so gern als in den »Harzsagen,« hauptsächlich für die Anmerkungen, herbeigezogen4. Die neuere sogenannte Harzliteratur dagegen, welche für die Sommerfremden bestimmt ist, habe ich absichtlich unbenutzt gelassen, weil sie von Jahr zu Jahr abgeschmackter und lächerlicher wird. Dahin gehört auch die Literatur der bisherigen unterharzischen Sagen mit Ausschluß von Otmars Volkssagen5, deren Aufführung in den Harzsagen begonnen[21] ist, welche fortzusetzen sich aber kaum der Mühe lohnen würde.

Mit Bedauern bemerke ich, daß die Vergleichung der vorliegenden Sagen mit denjenigen in Sammlungen aus andern deutschen Gebieten wiederum Manches zu wünschen übrig läßt. Allerdings ist für die ältere deutsche Sagenliteratur auch darauf gerechnet, daß der Leser, wenn er die diesmal von mir herbeigezogenen Stellen, z.B. in Jacob Grimms Mythologie und in den Harzsagen nachschlägt, durch die Citate die er dort abermals vorfindet, schon wieder viel weiter umschauen kann.

Das Material für die Forschung so reichlich als möglich zu geben war auch diesmal mein erstes Bestreben. Ich habe die Bausteine aber diesmal schon ungleich mehr behauen als in den Harzsagen.

Zunächst muß hier verwiesen werden auf die im Formate der unterharzischen Sagen gedruckte, meinem theuren Lehrer Jacob Grimm gewidmete Abhandlung:

»De Bructeri nominibus et de fabulis, quae ad eum montem pertinent. Wernigerodae, sumptibus et typis Bernhardi Angerstein. MDCCCLV.« 8. 48 p.

Sie schließt sich auf das Engste an die Abhandlungen des vorliegenden Buches an.

Von diesen wird namentlich Abhandlung C, welche da wir dies Vorwort abfassen schon fertig gedruckt ist die Untersuchungen über den Hirsch um ein Beträchtliches weiter führen. Wie über den Hirsch im stolbergischen Wappen, so habe ich auch über die Säule in demselben gesprochen, und könnte ich meine bisherige Ansicht auf folgende Weise zusammenfassen:

»Wenn die Säule nicht gar zu spät in das stolbergische Wappen aufgenommen wurde, so geschah es gewiß in einer Art und Weise, welche an die sächsische Säule erinnerte. Und zwar war diese letztere hauptsächlich[22] aus den Kämpfen gegen die Thüringer noch im Gedächtniß. Hier knüpfte daher die gelehrte Sage von Otto de Columna an und erklärte für römisch, was man aus dem deutschen Alterthume nicht mehr verstand. Wie wenig sonstige Willkür dabei war, zeigt die bekannte Inschrift:

Stolberg ward fundirt

A.C. 590

Wider die Thüringer aufgeführt.«

Allein nicht nur setzt diese Inschrift den Ursprung der Stadt Stolberg im Vergleich mit dem sonstigen ersten Vorkommen dieses Namens so früh, daß man an ihre Zuverlässigkeit durchaus nicht glauben kann, sondern auch an die äußere Zusammengehörigkeit der Säule mit dem Hirsche ist nicht mehr zu denken6. Erst im Anfang des 17. Jahrh. ist nach gütiger Mittheilung Sr. Erlaucht des Herrn Grafen Botho anfänglich auf Münzen, die Säule in das stolbergische Wappen gekommen, durch Beziehungen zu den Grafen von Henneberg, die sie angeblich auch von den Columna's führten, welche letzteren, die Columna's, fabelhaft bleiben. Es wäre nun noch möglich, die hennebergische Säule von der heidnischen Säule herzuleiten, doch darüber können wir bei völliger Unbekanntschaft mit der hennebergischen Geschichte nichts beweisen. Wir lassen also die Untersuchung über die Säule vorläufig fallen, bitten nach den eben gegebenen Nachträgen das Nöthige auf S. 197 und 198 zu berichtigen, dagegen das interessante Zusammentreffen schon jetzt zu beachten (S. 194 und 195), daß uns die Fabel von den Columna's gleich der Stelle Witekinds auf Schidungen hinweist. Wir können nur den Wunsch hinzufügen, daß[23] es Sr. Erlaucht dem Herrn Grafen Botho, dem gediegenen Kenner der stolbergischen Geschichte, gefallen möge, seine genealogische Arbeit über seine Vorfahren bald zu veröffentlichen, welche ohne Zweifel ein monumentales Werk werden wird, das nach vielen Richtungen hin anderweiten Forschungen dienen würde. – Unsere Untersuchungen über den Hirsch thut die auffallende Jugend der Säule im stolbergischen Wappen natürlich keinen Eintrag. –

Schließlich bitte ich um freundliches Entgegenkommen und um schriftliche Zusendungen für die Sagen des östlichen Harzes, vom Selkethale bis zur Grafschaft Mansfeld, einschließlich von Questenberg, der Rothenburg, dem Kuffhäuser und Sangerhausen.


Wernigerode, um Michaelis 1855.


Heinrich Pröhle.

Fußnoten

1 Die Sagen der Stadt Wernigerode selbst sind zwar für die Alterthumskunde nicht so wichtig, als die der Stadt Stolberg, jedoch in poetischer Hinsicht zum Theil ganz vortrefflich. Ich verweise auf Nr. 166, 167, 168, 176.


2 Siehe literar. Centralblatt von 1854, Nr. 18.


3 Siehe die Anzeige der »Harzsagen« in seiner Zeitschrift II, 2, S. 119 und 120.


4 S. 216, am Schlusse der Anm. über die Baumannshöhle ist Geiger ein Druckfehler und dafür zu lesen Görges. Es ist der bekannte Postsecretair gemeint, der sich im Lande Braunschweig dilletantisch um die antiquarischen Local-Forschungen bekümmert hat, die im Ganzen dort sehr darniederzuliegen und jetzt auch an der Wolfenbüttler Bibliothek durchaus keinen Anhalt mehr zu haben scheinen.


5 Dieselben sind schon charakterisirt Harzsagen, Vorwort S. XVII-XX. Eine Abhandlung über den Verfasser selbst soll bald erscheinen, als weiterer Vorläufer einer Arbeit über Gleim und seine Freunde, in Betreff deren ich mich schon 1849 oder früher wegen der dem Domgymnasium zu Halberstadt in Verwahrung gegebenen Gleimschen Papiere an meinen verehrten Lehrer, den Director Theodor Schmid gewendet, auch am gestrigen Tage, während der Wahl eines Abgeordneten für die 2. Kammer nochmals die gütige Zusicherung erhalten habe, daß sie mir zur Bearbeitung anvertraut werden sollen.


6 Die von Prof. Günther Förstermann erwähnte und einigermaßen begünstigte Ansicht, der wir nicht beistimmen zu können glaubten (s. S. 196), beruht auf einem einfachen Irrthume.
[24]

Quelle:
Heinrich Pröhle: Unterharzische Sagen. Aschersleben 1856.
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