Andacht

[242] Fromme Seele, laß die Welt;

Deines Schöpffers heiligs Zelt,

Warum du pflegst beten,

Heist dich einzutreten;

Sey bedachtsam, wie man ist,

Wenn man seinen König grüst.
[242]

Liebster Gott, ich seh' in mir

Dich und alle deine Zier,

Deinen Thron und Himmel

Und das Jauchz-Getümmel,

Das der frohen Engel Schaar

Um dich treibet immerdar.


Was ich kan, sing' ich mit ein,

Aber doch, was kan es seyn?

Ich begunt im Bösen,

So ist noch mein Wesen,

Wie kömmt dessen Tichterey

Ihrem heiligen Heilig bey?


Werd' ich eins bey ihnen sein,

Denn so werd' ich gleichfalls rein,

Und was Reines geben.

O erwünschtes Leben,

O beglückter Stand für hier,

Wenn doch sterb' und fall' ich dir?


Vater, Sohn und heilge Flamm,

Schöpffer, Tröster, Bräutigam,

Grosses Eins in dreyen!

Wie muß ich mich freuen,

Wenn ihr, Haupt der Ewigkeit,

Meiner Seelen Gäste seyd.


Ich betrübter Erdenkloß

Bin der gantzen Gottheit Schooß;

Für die Lust und Ehre,

Auch wie kurtz sie wäre,

Ging' ich nicht auf Ewigseyn

Aller Erden Herrschafft ein.


Sey, o Seele, frey, und froh,

Dein und Gottes allzeit so,[243]

Stopff dir Aug' und Ohren;

Wenn du die verloren,

Denn so hörst und siehstu recht,

Drinn dich Aug' und Ohr itzt schwächt.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 30, Stuttgart [o.J.], S. 242-244.
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