[283] Ich kehr', o Gott der Gnaden,
Mich wiederum zu dir,
Der Schuld mich zu entladen,
Die dich getrennt von mir;
Ach, Vater, hör mich doch,
Wenn du mich würdst verschmähen,
So müst' ich untergehen
In diesem schweren Joch.
[283]
Zwar hab' ichs nicht verdienet,
Daß du mehr gnädig seyst,
Weil ich, wenn du versühnet,
Dich niemals recht gepreyst;
Viel wenger mich ergetzt,
Da ich mich beßern möchte,
Noch daß ich deine Rechte
Mir hertzlich vorgesetzt.
Was aber willstu machen
Mit einem armen Knecht?
Sprächst du in meiner Sachen,
So führ' ich mehr als schlecht.
Ach Gott, erbarm dich mein,
Ich hab' es ja geerbet,
Daß ich gantz bin verderbet,
Wie kan ich beßer seyn?
Will gleich der Geist das Gute,
So folgt das Fleisch doch nicht,
Ich bin in meinem Muthe
Offt gantz zu dir gericht.
Ach aber, ach, wie leicht
Werd', Herr, ich von der Erden
Mit Lüsten und Beschwerden
Von deinem Dienst gescheucht.
Erleb' ich gute Tage,
So reitzet mich mein Blut,
Quält mich des Kreutzes Plage,
So fällt mir fort der Muth.
Sieh, Gott, was mir gebricht,
Es falle, wie es wolle,
So thu ich, was ich solle,
Doch das Geringste nicht.
Dies geht mir so zu Hertzen,
Daß ich für Reu und Leid,
Für Angst und Seelen-Schmertzen
Nicht von der Höllen weit;[284]
Ja, wäre nicht dein Wort,
So müst' ich ganz verzagen
Und gleich dem Kain klagen,
Du treibst ohn Trost mich fort.
Nun hastu ja geschworen
Auß großer Lieb' und Huld,
Daß Keiner sey verloren
Von wegen seiner Schuld,
Der sich bekehrt zu dir;
Auff diese deine Treue
Bitt' ich in wahrer Reue,
Verzeih, mein Schöpffer, mir.
Schon' Herr, ach schone meiner,
Ja, schon', o Menschen-Freund,
Nicht minder selber deiner:
Denn wie kanst du mein Feind
Ohn deinen Schaden seyn,
Da du auß deinem Leben
Mir hast den Geist gegeben,
Ist auch mein Fall ja dein?
Bestehstu denn, daß Sünde
Nicht gut ohn Straffe thu,
So siehe deinem Kinde
In seiner Marter zu:
Das fromme Schäffelein
Hat so viel Pein und Plagen
Biß auff den Tod ertragen,
Daß ich frey möchte seyn.
In dem kan ich dir zahlen,
All was ich mißgethan,
In dem nimm mich nochmalen
Zu Gnaden wieder an[285]
Und sey mir stets zur Seit;
Denn ohn dich ist vergebens
Die Besserung des Lebens
Bey so verboster Zeit.
Wenn denn auch meine Tage
Geendet ihren Schein,
So laß die Niederlage
Doch sanfft und seelig seyn;
Es mag mir hie ergehen,
So hart es immer wolle,
Wenn ich, mein Gott, dich solle
In deiner Freude sehn.
Buchempfehlung
Von einem Felsgipfel im Teutoburger Wald im Jahre 9 n.Chr. beobachten Barden die entscheidende Schlacht, in der Arminius der Cheruskerfürst das römische Heer vernichtet. Klopstock schrieb dieses - für ihn bezeichnende - vaterländische Weihespiel in den Jahren 1766 und 1767 in Kopenhagen, wo ihm der dänische König eine Pension gewährt hatte.
76 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro