Von der Hoffnung

[297] Worauff bestehestu, mein Hertz,

Wenn hie dich drückt des Kreutzes Schmertz,

Dort lockt die faule Lust der Erden?

Dies bringet Anmuth, jenes Pein,

Sprich, weßen du gedenkst zu seyn,

Denn beyds zugleich dir nicht kan werden.


O schwere Wahl! Wer redt mir ein,

Im Fall vor mir zween Wege seyn,

Der eine wüst und kaum zu sehen,

Der ander sauber, sanfft und weit

Und in den schönsten Schmuck gekleidt,

Daß ich soll den, nicht diesen, gehen?
[297]

Was bringt mir sonder Zweiffel bey,

Daß, was das Auge nicht sieht, sey,

Und nicht sey, was man meint zu schauen?

Wir nehmen für die Worte That;

Was man nur hoffet und nicht hat,

Ach, schwer auff solchen Grund zu bauen.


Besinne dich hie recht, mein Geist,

Schau, wo dich hin der Ausschlag weist,

Wirst du es Beyds der Wage geben:

Ach, ungleich-wichtiges Gewicht,

Da eins sich gantz zur Höhe richt,

Das andre nicht ist auffzuheben.


Das eine schliest die Erd' allein,

Das andre Gott und Himmel ein,

Dies hoffstu, das hast du in Händen,

Dies wird durch Müh' und Sorge dein,

Bey dem darffst du nur frölich seyn;

Zu welchem Theil wilst du dich wenden?


Wie hart liegt doch uns Beydes an!

Gibt aber nicht der Ackersmann

Mit frohem Muth sein Korn der Erden,

Läst nicht der Kauffmann Kind und Hauß

Und zieht auff bloße Hoffnung auß?

Und du wilst Alles seyn, Nichts werden.


Ein Kriegsmann setzt um schlechte Beut'

Offt selbst sein Leben an die Seit',

Und um den Schatz der Ewigkeiten,

Der Sternen Gold, das höchste Gut

Gehst du mit gantz erblödtem Muth

Mit deines Schöpffers Feinden streiten.


Lockt dich von jener Seit die Lust?

Was große Häuser voller Wust,

Voll Schlangen eine schöne Weide,

Was Honig voller Stacheln ist,

Ein klarer Brunn, da Gifft aus fliest,

Das, trau, ist gleichfalls diese Freude.
[298]

Schreckt' dich das Kreutz von dieser Seit'?

Ach, wol dir, macht dich das bereit.

Der Wein trägt übel unbeschnitten,

Die Traube giebt Nichts ungepreßt,

Den Baum setzt nur der Sturm recht fest,

So nützet dir, was du gelitten.


Wir dulden aus des Winters Kält,

Weil drauff die Frühlings-Lust einfällt,

Die Sonne muß sich wieder stellen,

Hierum läst man sie gerne fort,

Und auff das Absehn von dem Port

Vertraut man sich den rauhen Wellen.


Nur auff den Trost von jener Zeit

Baut man so ungern dieses Leid.

O aber uns elenden Seelen,

Sehn wir nur auff die Welt allein,

Und wollen, was wir hie nicht seyn,

Schon gäntzlich für verloren zählen.


Hab' Alles, was man wünschen kan,

Sitz' überall nur oben an,

Weiß keine Maaß von deinem Gute,

Sey lebhafft, frey und unbemüht,

Wenn diese Rose hie verblüht,

Weh künfftig deinem armen Blute!


Nein, liebster Gott, so will ich nicht,

Ich weiß, es stehet meine Pflicht

Nicht im Genieß von diesem Leben;

Mein Gut, mein Wandel ist nicht hier,

Will ich zum Himmel und zu dir,

So muß ich nicht der Erd' ankleben.


Ich schätze Nichtes für das Mein,

Als was ins Künfftig mein wird seyn,

Ich habe gnug, daß ich Nichts habe;

Ich harr' auff dich, dies ist mein Halt,

Dies, machet mich der Tod eins kalt,

Belebet mich in meinem Grabe.
[299]

Ich weiß, was mir ist beygelegt

Und was mein Kreutz für Früchte trägt,

Ich weiß, was du mir eins wirst sagen,

Ich kenne meinen Gnaden-Lohn,

Den Rock, die Palmen und die Kron,

Die ich zu deinem Ruhm soll tragen.


Dies ist, was ich gedenk' allein,

Hierauff wünsch' ich hie nichts zu seyn.

Ach aber, Jesu, deine Wunden

Sind, wo die meine Beylag ruht,

Gib mir denn Theil an deinem Blut,

So hat mein' Hoffnung sie gefunden.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 30, Stuttgart [o.J.], S. 297-300.
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