[Großvater ist gegangen]

[270] Großvater ist gegangen,

Eh' er dich konnt' umfangen.

Ihr waret, um zu wandern

Das eine hier zum andern,

Zu jung, zu alt von Jahren.

Da ist er hingefahren,

Wo Näh und Ferne schwindet,

Und sich Getrenntes findet;

Da seid ihr zwei vereinigt,

Von Erdenweh gereinigt.

Von ihm hier abgefodert,

Bist du emporgelodert;[270]

Konnt' ich dich vorenthalten

Den Fordrungen des Alten?

Du magst an ihn dich schmiegen,

Ihm auf dem Kniee dich wiegen,

Und von dem Sohn ihn grüßen,

Der hier hat missen müssen

Die Tochter auf der Erde,

Daß jenem droben werde

Die Enkelin, die Krone

Von seinem ältsten Sohne.

Mag er mit dir sich kränzen,

Und seine Augen glänzen

Vor Lust, dich zu erkennen;

Du brauchst dich nicht zu nennen,

Er sieht in dir das treue

Abbild, das jugendneue

Von der, die, ihm erkoren

Zur Braut einst', mich geboren;

Der Gattin Jugendglieder

Bringt ihm die Enklin wieder.

So sei mir aufbehalten,

Mein Jüngstes bei dem Alten!

Und ordnet vor die Kreise,

Bis wir familienweise

Uns finden all zusammen

Dorthin, woher wir stammen,

Gereint von allen Makeln,

In sel'gen Tabernakeln.

Quelle:
Friedrich Rückert: Kindertodtenlieder aus seinem Nachlasse, Frankfurt a.M. 1872, S. 270-271.
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