[In dem Zimmer, dessen Fenster]

[316] In dem Zimmer, dessen Fenster

Gegen Ost und Mittag sehn,

Wenn darin Gespenster gehn,

Sind es sonnige Gespenster.


Dort wo unsre beiden Leichen,

Eine nach der andern lagen,

Wird an allerhellsten Tagen

Nicht ein sanfter Schauer weichen.


Laß herein die Lichter kämpfen

Durch die Fenster, wehr nur ihnen

Nicht mit Laden und Gardinen!

Dieser Schauer wird sie dämpfen.


Hier am Näh- und Schreibetische

Sitze du und laß mich sitzen,

Staunen, was den Sonneblitzen

Diesen Schwebeschatten mische.


Mag durch's Laub der Pappel schlüpfen

Der bewegte Sonnenschein,

Laß es ihre Schatten sein,

Die uns vor den Augen hüpfen.

Quelle:
Friedrich Rückert: Kindertodtenlieder aus seinem Nachlasse, Frankfurt a.M. 1872, S. 316-317.
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