Deutschlands Feierkleid

[53] Mit wie herrlich weitem Kleide,

Ganz bedeckend deinen Leib,

Könntest du in Samt und Seide

Prangen, Deutschland, edles Weib!


Da du aus dem Sack der Aschen

Standest auf nach langer Rast

Endlich, und dein Kleid gewaschen

In dem Blut des Feindes hast!


Wenn nur in der Hand des Bösen

Deines Kleides nicht ein Stück,

Statt es ganz dir einzulösen,

Man vergessend ließ zurück!


Wenn nur jetzt nicht deine Kinder

In nicht liebevollem Streit

Jedes für sich einen Flinder

Riss' aus ihrer Mutter Kleid!


Mit wie herrlich weitem Kleide,

Ganz bedeckend deinen Leib,

Könntest du in Samt und Seide

Prangen, Deutschland, edles Weib!

Quelle:
Friedrich Rückert: Werke, Band 1, Leipzig und Wien [1897], S. 53.
Lizenz:
Kategorien: