[251] Vipria. Nachtigall.
NACHTIGALL. Da bin ich schon, ich hab meine Sachen prächtig gemacht. Nun wie schauts jetzt mit den Gedicht aus? machen wirs zusammen gschwind. Ich kanns gar nicht erwarten, die Königin ist schön, da sind Sie nichts dagegen, ich bin in sie verliebt, ich kanns gar nicht erwarten, bis ich König bin.
Arrogantia zerrt die Phantasie in Ketten herein, die Flügel sind ihr abgeschnitten.
ARROGANTIA. Hier bring ich sie, sie hat entwischen wollen, als ich den Käfig öffnete.
VIPRIA. Wo hast du deine Flügel?
ARROGANTIA. Ich hab sie ihr beschnitten.
VIPRIA. Das hast du klug gemacht. Höhnisch. Wo wolltest du denn hin, du Täubchen du?
PHANTASIE ebenso. Ich hab zum Geier fliegen wollen, weils bei der Eule mir mißfiel.
ARROGANTIA. Ich will auf Kundschaft mich begeben, mache mit ihr, was du willst. Ab.[251]
VIPRIA zu Nachtigall. Durch diese wirst du das Gedicht hier schreiben, das ist die Phantasie.
NACHTIGALL. Ah, das freut mich, daß ich die Ehr hab kennenzulernen. Heimlich zu Vipria. Was ist denn das, die Phantasie?
VIPRIA. Es ist der Geist, der im Gehirn der Dichter tobt.
NACHTIGALL. Also die springt den Dichtern im Gehirn herum, da ists kein Wunder, wenns bei ihnen rappelt, drum sagt man, die Dichter sind närrische Köpf.
VIPRIA. Ich schmied sie dir an diesen Schreibtisch an. Sie hängt die Fessel der Phantasie in einen Ring, der an der Seite des Schreibepultes angebracht ist, ein, so daß die Phantasie an der Seite des Tisches gegen die Mitte der Bühne auf der breiten Stufe sitzt, doch ja nicht etwa auf dem Boden. Sei stolz darauf, kein Dichter kann sich dessen rühmen, daß sie als Sklavin ihm gedient. Was sie dir vorsagt, zeichne emsig auf. Hermione ist der Name des Gedichts. Den schreibst du oben hin.
NACHTIGALL. Also ich bin ein Dichter, der nur schreibt, ohne daß er was denkt? Da bin ich nicht der einzige. Und sie ist die, die für die Dichter alle denkt?
VIPRIA. So ists.
NACHTIGALL. Das muß a Marter sein. Drum schaut s' so mager aus.
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Die gefesselte Phantasie
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