Sechzehnter Auftritt


[496] Vorige. Simplizius, mit einem goldnen griechischen Panzer geschmückt und die große Eberhaut umhängen, wird von Edlen hereingeführt.


SIMPLIZIUS. Was mit mir alles treiben! Jetzt nähen s' mich mitten im Sommer in eine Eberhaut ein, da möcht einer doch aus der Haut fahren.

DARDONIUS. Edle Herren und Frauen von Kallidalos, hier steht der kühnste Jäger seiner Zeit.

SIMPLIZIUS. Ich wollt, ich wärs, ich jaget euch alle davon.

DARDONIUS. Ihm ward das Glück, das Untier zu besiegen, das unser Land verwüstet hat. Nun könnt ihr kühn den Wald durchstreifen, und eurer Felder Saaten sind durch ihn gerettet.

SIMPLIZIUS. Aha! Drum haben s' mich zum Feldscherer gemacht.

DARDONIUS. Schon ruht auf seiner Stirn das Zeichen höchsten Ruhmes, und seine Schultern deckt des Tieres rauher Panzer. Nichts gleichet seinem Mut.

SIMPLIZIUS für sich. Mir steigen schon alle Ängsten auf, ich schwitz mich noch zu Tod.

DARDONIUS. Darum ist meines ganzen Volkes Hoffnung nur auf dich gerichtet.

SIMPLIZIUS für sich. Nun, ich gratulier.

DARDONIUS. Bald wird der Krieg mit Agrigent beginnen und das Schlachtfeld sich mit Kriegern füllen. Besteige jenen Thron und künde selbst, wozu ich dich ernannt.

SIMPLIZIUS. O verflixt, mir verschlagts die Red, und ich soll eine halten. Ah was, ich red halt einen unzusammenhängenden Zusammenhang, das gfallt oft besser als was Gscheids Steigt auf den Thron und seufzt. Also. Volk über alle Völker hinüber, der König hat mich unters Militär gegeben, und obwohl ich nicht die rechte Maß hab, so fühle ich mich[496] doch über alle Maßen gerührt und so ergriffen, daß ich mich auf meinen Thron hier niederlassen muß, um alles zu verschweigen, was mir meine Bescheidenheit nie zu sagen erlaubt. Setzt sich.

DARDONIUS. Ich hab zum Unterfeldherrn ihn ernannt. Du bist ein größerer Held, als du ein Redner bist. Nun reicht den Frauen das Myrtendiadem, wie ich es heute angeordnet habe, und laßt die Mädchen um den Preis der Schönheit buhlen.


Schmelzende Tanzmusik.

Zwölf Mädchen, so gekleidet wie Aloe nach ihrer Verwandlung, doch weiße Kleider mit roten Rosen geziert, beginnen anmutige Gruppierungen vor dem Thron des Königs. Endlich bildet die Gruppe ein Tableau, das in seiner Mitte einen Raum läßt, in

welchen Aloe tritt, die während der Bewegungen von Ewald mit der Fackel hereingeführt wurde und die Gruppe schließt.

Ein Knabe bringt den Frauen die Myrtenkrone auf einem Kissen.


DARDONIUS mit Entzücken. Jene ists, die einer diamantnen Rose gleich die zarten Perlen überschimmert. Er steigt vom Thron und führt Aloe vor. Ihr Frauen, krönet sie, nur ihr gebührt der Preis.

SIMPLIZIUS für sich. Die Alte hat sich ausgewachsen. Jetzt kauft man s' für eine Junge.

DARDONIUS. Sagt selbst, welch Land hat solch ein Mädchen aufzuzeigen?

DIE MÄNNER. Erstaunen fesselt unsre Sinne.

SIMPLIZIUS für sich. Das ist der schönste Betrug, der mir noch vorgekommen ist.

DARDONIUS. Warum zögert ihr, geehrte Frauen, ist sie nicht eurer Krone wert? – Pause. Antwortet doch.

DIE FRAUEN. Ja, sie ist uns –

DARDONIUS. Was ist sie euch?

SIMPLIZIUS. Zu schön ist sie ihnen, das ist die ganze Gschicht.

DIE FRAUEN. Sie ist uns an Schönheit überlegen.

SIMPLIZIUS. Das hat was braucht, bis das herausgekommen ist. Morgen sind s' alle krank.

DIE FRAUEN setzen ihr das Diadem auf. Du, schöner als wir alle, sei des Festes Königin.[497]

SIMPLIZIUS. Jetzt kriegt die auch einen Kranz. Der setzet ich was anders auf.


Die Frauen führen Aloe in den Hintergrund auf die Thronstufen und reihen sich zu beiden Seiten.


ALLE. Heil der Königin des Festes!

SIMPLIZIUS. Was die heut schreien, das ganze Volk wird heisrig noch.

DARDONIUS. Simplizius, jetzt kann ich erst nach Würde dich belohnen. Nimm dieses Mädchens Hand. Sie sei dein Weib.

SIMPLIZIUS. Das alte Weib? Jetzt war ich bald vor Schrecken über den Thron hinuntergfallen. Die nehm ich nicht.

DARDONIUS. Bist du verwirrt? Dies hinreißende Geschöpf?

SIMPLIZIUS. Mich reißt sie nicht hin. Ich hab s' in ihrer alten Negligee schon gsehen.

DARDONIUS. Du mußt sie nehmen. Wenn du nicht dein Amt verlieren willst.

SIMPLIZIUS. Wegen meiner schon. Steigt vom Thron – für sich. Ich will doch lieber die Feldschererei verlieren, als die Schererei mit der Alten haben.

DARDONIUS. Wie, du wagst es, dem Gesetz zu widersprechen?

EWALD leise. So nehmen Sie sie doch. Verraten Sie nur nichts. Ich leih Ihnen die Fackel.

SIMPLIZIUS. Hören Sie auf, ich will ein Weib haben, die auch in der Finster schön ist, nicht eine, die man erst illuminieren muß. Laut. Ich nehm sie nicht. Will s' vielleicht ein andrer nehmen?

DIE MÄNNER. Wie alle sind bereitet, sie zu freien.

SIMPLIZIUS. Nu also. Reißender gehts weg. Das Weibsbild foppt das ganze Land.

DARDONIUS. Noch nicht genug. Um zu beweisen, wie man im Kallidalos Schönheit ehrt, erwähl ich selbst zu meiner Gattin sie.

ALLES. Es lebe unsere Königin!

SIMPLIZIUS. Jetzt wird s' gar Königin. Das wird ein Jubel sein, wann die regiert.[498]

DARDONIUS. Und augenblicklich laß ich mich vermählen.


Aloe macht Zeichen des Entzückens.


SIMPLICIUS. Der König treibts. Zu Ewald. So löschen S' doch die Fackel aus, er heirat ja die Katz im Sack.

EWALD. Entsetzliche Verlegenheit. Was soll ich nur beginnen?


Donnerschlag. Das Bild der Venus fällt herab. Lucine ist statt ihr in einer Wolkenglorie sichtbar.


LUCINA. Die Täuschung geht zu weit, legt ab die Kränze, die euch nicht gebühren. Sie nimmt der unter ihr stehenden Aloe den Kranz, ab, und Simplizius' Lorbeer fliegt ihr in die Hand. Nun fort nach Agrigent.


Ewald und Simplizius verschwinden. Wie die Fackel unsichtbar wird, verwandelt sich Aloe in ihre wahre Gestalt. Das Bild der Venus fällt wieder vor.


ALLES. Was ist geschehen?

DARDONIUS. Die Fremden sind verschwunden? Wo ist die Braut, die ich erwählt?

ALOE auf den Stufen. Hier bin ich, edelster Gemahl.

DARDONIUS. Welch häßlich Weib! Wie kömmst du in den Tempel?

ALOE. Ich bin ja Aloe, die du erwählt. Ich schwörs bei meiner Jugend.

ALLE. Betrug!

DARDONIUS. Zauberei! peitscht aus dem Tempel sie. O Scham, vernichte mich! Stürzt ab.


Man reißt Aloe von den Stufen.


Chor.


Hinaus, hinaus, du Ungetüm,

Entweih den Tempel nicht.

Erzittre vor des Königs Grimm.

Auf, schleppt sie vors Gericht.


Sie wird hinausgejagt.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 496-499.
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