Erster Auftritt


[267] Indische Landschaft. In der Ferne die Hauptstadt des Diamantenreiches. Auf einem entfernten Hügel die Ruinen des zertrümmerten Tempels Moisasurs. In der Mitte des Theaters ein herrlicher Tempel im indischen Geschmacke, mit der goldenen Aufschrift: Wer sich der Tugend weiht, hat nie des Bösen Macht zu scheuen. Die Statue der Tugend, eine verschleierte weibliche Figur, einen Lilienstengel haltend, sitt auf einem Piedestal in der Mitte des Tempels. Auf den Säulen sind Lilien angebracht. Das Volk bringt Omar, einen Boten von Hoanghus Heer, frohlockend auf die Bühne und umringt ihn fragend. Mansor. Hassar, der Mohr.


Chor.


Wackrer Bote, sei willkommen!

Strahlt aus deinem Auge Sieg?

Ist das Heer zurückgekommen,

Ist geendet unser Krieg?

Ja, es spricht dein froher Sinn:

Du bringst Heil der Königin.


OMAR. Sieg bring ich euch, so wahr die Sonn auf Indien scheint! Gebt mir Palmenwein dafür. Er nimmt einem eine Flasche von der Seite. Der Krieg trinkt Blut, der Friede Sekt.

VOLK. Halt, halt, erzähl uns erst!


Halten ihn ab vom Trinken.


OMAR. Gerettet ist das Reich, von unsern Grenzen ist der Feind vertrieben. Geendet ist der heiße Krieg.

VOLK. Sonne, sei gelobt!


Alles sinkt mit dem Haupt zur Erde und bleibt einen Augenblick in dieser Stellung.


OMAR. Da liegt das Volk, jetzt netz ich meinen Hals. Trinkt. Der König sendet mich voraus, daß ich den Tag der Königin berichte, an dem er seinen Einzug hält.[267]

HASSAR. Und wenn man fragen darf, wann strahlt uns dieser große Tag?

OMAR äfft ihn nach. Spion von Ebenholz! Was hast du nach dem Tag zu fragen? Nacht hat die Sonn auf dein Gesicht gebrannt, das heißt: du sollst im Finstern wandeln.

HASSAR. Du hassest mich?

MANSOR. Schweigt! Zu Omar. Sogleich wird unsre Königin erscheinen, dann stellen wir dich vor. Mit Sehnsucht harret schon Alzind der Rückkehr ihres tapferen Gemahls.

OMAR. Doch was erblick ich? Moisasurs Tempel eingestürzt, und die Sonne leuchtet noch? Und wer hat diesen aufgebaut? Wozu ist der bestimmt?

MANSOR. Ein erhabnes Schauspiel wird sich deinem Auge zeigen.

OMAR. Wird dieser Mohr vielleicht darin gebraten? Für sich. Das wär mein liebstes Schauspiel auf der Welt.

HASSAR. Für dich vergift ich einen Pfeil.

MANSOR. Lästre nicht! Der Tugend Tempel ists.

OMAR. In ihm soll man das Laster opfern.

MANSOR. Es ist geschehn. Dem bösen Geiste Moisasur wird in unserm Reich kein Opfer mehr gebracht.

OMAR. Wehe dann dem Diamantenreich! Schon seit Jahrhunderten hat diesen grimmgen Tiger durch unzählge Opfer man gestreichelt. Werft ihm Beute vor, wenn ihr nicht wollt, daß euch sein stets geschäftger Zahn zerreißt.

MANSOR. Die Königin, die, seit der König kriegt, das Zepter schwingt im Reich, hat, weil der Krieg, trotz all den reichen Opfern, die man unsern Göttern brachte, sich doch nicht glücklich wenden wollte, mit den weisen Priestern sich beraten. Und glaubt, daß die guten Götter zürnen, weil neben ihnen und der mächtgen Sonne Moisasurs böser Geist verehret wird. Sie hat Moisasurs Tempel niederreißen lassen, doch wies geschah, da rollte fürchterlicher Donner, die Erde bebt', als hätte das Gewicht der umgestürzten Säulen das ganze Reich in seinem Mark erschüttert.

OMAR. Der Löwe brüllt, wenn man ihn aus der Höhle treibt.

MANSOR. Doch wie die Erd auch bebt, fest steht der königliche[268] Sinn. Sie läßt dafür in diesem Tal der Tugend einen Tempel bauen und schreibt auf ihn: Wer sich der Tugend weiht, hat nie des Bösen Macht zu scheuen. Soeben wird er eingeweiht. Dort nahet schon die Priesterschar.

HASSAR. Wenn nur die Tugend uns vor Moisasurs Rache schützt! Den ganzen Morgen hat der Himmel sich mit Donnerwolken oft umzogen, die in sich brummen, als ob sie Zaubersprüche murmelten, und der Blitze Feuerzungen lecken an der Kuppel dieses Tempels.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 267-269.
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