Zweiter Auftritt


[269] Feierlicher Marsch. Indische Tänzer schweben voraus. Dann die Priester der Sonne. Zierlich gekleidete Mädchen, mit Lilien in den Händen, das Haupt mit weißen Rosen bekränzt, gruppieren sich um die Stufen des Tempels. Die Priester beschäftigen sich im Innern desselben. Dann erscheint Alzinde und ihr Hofstaat. Sie begibt sich auf einen Seitenthron, neben ihr die Großen des Reichs. Das Volk verteilt sich um den Tempel und dem Thron gegenüber. Vorige.


Chor.


Singt das Lob der Schönheitsblume,

Die auf Indiens Flur erblüht

Und die zu der Götter Ruhme

Für das Heil der Tugend glüht.

Sende deinen Strahl, o Sonne,

Nieder auf ihr weises Haupt,

Weil ihr Herz mit frommer Wonne

An der Götter Allmacht glaubt.


ALZINDE. Volk meines sieggekrönten Reichs, ich habe dich versammeln lassen, um einzufallen in den großen Chor, den das Gefühl des Dankes an stimmt, weil die Götter uns erleuchtet, daß wir durch Moisasurs Sturz der Sonne Zorn versöhnt, daß sie von diesem Augenblick mit Siegesglück die Pfeile unsres Heeres nach dem Busen unsrer Feinde wendet. Vielleicht, indem wir hier die Götter preisen, hat mein Gemahl, der königliche Held, den kleinen Rest des müdgekämpften Feindes aus den Grenzen dieses Reichs verjagt.[269]

MANSOR. So ist es, du erhabne Tochter der gewaltgen Sonne, die deine Ahnung zur Prophetin weiht. Die Wahrheit deines Worts bestätigt dieser Bote hier.

OMAR. Der, große Königin, mit seinen Knien den Staub an deinem Thron hier küßt, aus Ehrfurcht teils und teils aus Müdigkeit, weil er im schnellsten Laufe aus des Königs Lager eine holde Last dir bringt, eine Nachricht von dem ungeheuersten Gewicht! Friede, dieses goldne Wort, laß in alle Palmen schneiden, daß mit vollem Recht sie dann Friedenspalmen heißen. Gesiegt hat dein erhabener Gemahl. Noch gestern abends ward die letzte Schlacht gewonnen und in der Nacht der Friede abgeschlossen, durch den ein Teil vom Feindesland noch zu dem deinen fällt. Nur heute ruht das Heer, doch morgen bricht es auf und zieht mit Zimbelklang und Jubelsang im Vaterlande ein.

Dies zu berichten, ward ich abgesendet.

Mein Auftrag ist erfüllt, der Bote hat geendet.


Steht auf und tritt zurück.


ALZINDE sinkt auf die Knie. Sonne, sei gelobt!

ALLE. Heil den Göttern! Heil dem König Hoanghu!

ALZINDE. O mein Gemahl, warum kann ich an deine Heldenbrust nicht fliegen? Du edler Sohn der unnennbaren Götter, dessen Lieb ich nicht für alle Kronen Asiens tauschen möchte! Juble, Volk! Sei ausgelassen froh! Ihr Priester, weiht den Tempel ein, der Tugend Macht hat sich bewährt, ein ewig Denkmal sei ihr hier errichtet! Wer sagt mir doch, warum mein Glück mich zu so freudgem Wahnsinn treibt? Warum ist diese Lust so ungeteilt, so allgemein, daß ich kein Stück davon kann eurem Herzen überlassen? O sprecht, wer nimmt mir einen Teil der edlen Bürde dieses Freudenreichtums ab, womit die goldne Sonne mein Gemüt beschenkt? Verdien ich denn, daß ich so glücklich bin? –


Fürchterlicher Donnerschlag.

Die Bühne umzieht sich mit schwarzen Wolken, aus welchen rote Blitze sich schlangenartig winden. Aus der Versenkung sprüht Feuer, dann erscheint Moisasur als ein Ungeheuer mit Drachenflügeln. Auf dem[270] Haupte eine rote Foliokrone mit Schlangen umwunden. Der Leib mit Schuppen bedeckt. Alles sucht sich in den Hintergrund zu retten. Einige auf

Bäume. Alzinde, welche bei ihrer Rede vom Thron gestiegen, bleibt im Vordergrund. Der Thron verschwindet.


MOISASUR mit fürchterlicher Stimme. Alzinda, du verdienst es nicht!

ALZINDE fährt zusammen. Ha! Wer bist du, scheußlich Ungeheuer, des Anblick mir Besinnung raubt? Wie giftig Unkraut stehst du da, das plötzlich aus dem Schoß der Erde treibt.

MOISASUR. Moisasur heiß ich, kennst du diesen Namen? mit Flammenzügen hat der große Geist ihn auf das finstre Tor der Hölle einst geschrieben, und aus meinem Auge leuchtet ihre Sendung.

ALZINDE. Was hat die Hölle an mich abzusenden? ich habe dich und sie aus meinem Reich verbannt. Die Tugend ist mein Heil, dich hab ich nie verehrt, und jedem Opfer Fluch, das dir mein Land noch bringt.

MOISASUR. So nimm denn Fluch gen Fluch, verruchtes Weib, das meinen Tempel umgestürzt! So zieh mein Haß denn einen Zauberkreis um dein verrätrisch Land! So will das Leben ich aus seinen Grenzen jagen und lahmen diesen üppgen Teil der Welt: Vertrocknen soll der Baum, die Frucht, der Strom, verdorren soll das Gras und was in deinem Reich mit Leben prahlt, dein Volk, die Diener deines Hofs! Wem Blut nur in den Adern kreist Mensch oder Tier, das steh erstarrt und wandle sich in Stein! Und jegliches Geschöpf, das dieses Land mit frechem Fuß betritt, das werd ergriffen von Versteinerung und steh als marmorn Denkmal meiner Rache da!

ALZINDE. O mein Gemahl!

MOISASUR. Schau hin und lab dich an dem süßen Anblick! Die Wolken gehen auf, man sieht die Gruppen, wie sie ängstlich standen, nun in buntem Marmor stehen, einige auf Palmen hängen. Doch der Tugend Tempel strahlt im hellen Sonnenglanz. Verdammt, daß ich den Tempel schauen muß als Nebenbuhler meines Ruhms.

ALZINDE. Entsetzlich Scheusal, von der Erde ausgespien,[271] weil du ihr Innres zu vergiften drohst, wie kannst du dieses Reich zerstören, das die Sonne ihren Liebling nennt?


Die Wolken fallen wieder vor.


MOISASUR. Fluch gegen Fluch! Vernichtung für Vernichtung! An dir ist jetzt die Reih! Ich bin es, ich, der dir nach deinem Wunsch die holde Last der Freude von dem zarten Nacken reißt. Deine Liebe, deinen Reiz, deine Hoffnung, deine Ehre, deinen Ruhm, dein Diadem will ich auf einen Knaul zusammendrücken und ihn in den Pfuhl der Hölle schleudern! Erscheint, ihr Geister bleicher Nacht! Vier schwarze Geister erscheinen und ergreifen die Königin. Seid Zeugen und Vollführer meines Fluchs! Zerstöret ihren Reiz, die Krone reißt von ihrem Haupt, der Locken Glanz verwandelt mir in welkes Grau, die Haut schrumpft ein und überzieht damit ein fleischloses Gebein, das ihr mit halbverfaulten Lumpen dann behängt! Doch laßt die junge Seele nicht aus ihrem morschen Leib entfliehn, damit sie zehnfach jeden Schmerz empfind und die Erinnrung ihres Glücks sie quäle! Doch halt, damit des Menschen Habsucht bis zum Tod sie peinigt, so laßt sie diamantne Tränen weinen als Wehmutzeichen, daß sie Indiens Fürstin war. Nun schleppt sie fort, verwandelt sie, dann schleudert sie dem Nordwind in die eisgen Arme, daß er mit ihr nach einem andern Weltteil rase und dort die alte Ariadne setz auf nacktem Felsen aus! Befolgt, was ich befahl!


Die Königin sinkt in Ohnmacht.


ERSTER GEIST. Noch nicht! In deiner Rache wütgem Eifer hast du vergessen, ihr ein Ziel zu setzen. Ewig darfst du nicht verfluchen, wie du es von dem ewgen Geiste bist. Drum sprich, wie lang an diesem Zauberfluch ihr Glück gefesselt bleibt und wann und wie sich lösen können diese Schreckensbande?

MOISASUR. Weil du mich mahnst an meine Pflicht, verruchter Geist, so höre meinen Spruch: Nur dann, wenn sie im Arm des Todes Freudentränen weint, kehrt ihr zurück,[272] was ihr mein Zauberfluch entrissen. Nun regt die trägen Drachenglieder, eilet fort, Erwartung geißelt mein Gefühl. Den höchsten Berg der Welt will ich besteigen, und durch der Hölle Mikroskop will ich mit süßer Lust auf ihr verbittert Leben schauen.


Ab.

Die Geister versinken mit Alzinden.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 269-273.
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Moisasurs Zauberfluch
Raimundalmanach / Moisasurs Zauberfluch

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