Glaukus Wahrsagung

[65] (Als die Französische Flotte aus dem Hafen von Brest nach Amerika segelte.)


Als Ludewigs Pilot mit stolzer Flotte

Westgalliens beschäumtes Thor

Verliess, hub Glaukus aus der tiefen Felsengrotte

Sein blaues Haupt empor:


Unglücklicher! der schon, von Hoffnung trunken,

Des Oceans Gebieter ist,

Du führst in deinen Schiffen einen Feuersunken,

Der beide Welten frisst!
[66]

Bald nimmt der Abgrund eine Myriade

Zu früh entleibter Seelen ein;

Bald werdet ihr im Meer der Hayen, am Gestade

Der Aaren Beute seyn!


Die Götter, die jetzt lachend mit euch ziehen,

Bereuen ihr geschenktes Glück,

Verachten euren Uebermuth, und alle fliehen

Nach Albion zurück:


Dass Albion der meerumflossnen Erde

Gerechte Friedensrichterinn,

Das Schrecken der beraubten Oceane werde,

Der Inseln Königinn;
[67]

Ihr aber, flüchtig unter jeder Zone,

So manchen schwimmenden Palast,

Und Port, und Meer, und Eyland, und der Kolombone

Durchströmte Flur verlasst.


O! weiche Söhne tapfrer Franken, sprechet

Helvetien um Männer an!

O! plündert unbewehrte Fürstenthümer! brechet

Mit Wagen, Ross und Mann


In eurer Väter alte Sitze! schreitet

Kühn über den gehörnten Rhein,

Sucht Pallas Liebling auf, der für sein Erbe streitet,

Und, eurer Macht zu klein,
[68]

Und von verschwornen Barbarn überfallen,

Einst wanken muss: erdrücket ihn! –

Ihr unter den verschwornen sollt, ihr unter allen

Allein mit Schande fliehn!


Der Ort, wo sieben Krieger funfzig jagen,

Ob ihr ihn zu vernichten sucht,

Ein Brandmaal wird er euch, worauf in späten Tagen

Ein bessrer Enkel flucht.


Ob alle Reisigen aus euren Vesten,

Ob eine neue Helene

Euch alle Prinzen aus Lutetiens Palästen

Zu Feldherrn sendete:
[69]

Dort auf den Gräbern Römscher Legionen

Erwartet eure Tapferkeit

Ein Fürst, den Jupiter, der Hirtenstäb' und Kronen

Aus Einer Urne streut,


Nicht zum Monarchen, aber zum Vergnügen

Des menschlichen Geschlechts erkohr.

Ha! welch ein lauter Päan steigt von seinen Siegen

In mein entzücktes Ohr!


»Also zerbrach mit sieggewohnter Rechte

Der Alkumena Sohn, im Zorn,

Dem wandelbaren Gotte das zum Blutgefechte

Wild aufgeworfne Horn;
[70]

Also entkräftete der göttergleiche

Ulyss den Riesen, der an Macht

Dreyhundertmal ihn übertraf, mit Einem Streiche,

Nicht ohne Muth vollbracht:


Also besieget euch, auf eure Listen

Und Punischen Betrug entbrannt,

Ein Held, den Pallas und der Brennen Friedrich rüsten,

Der Gwelfe Ferdinand;


Und so mit ewig unerschöpftem Witze

Verhöhnt er euch, die ihr den Streit

Durch stärkre Heere, Wälle, donnernde Geschütze

Zu führen muthig seyd,
[71]

So bald sein himmlisch Feuer wenig Britten,

Und Deutschlands jugendlichen Rest

Beseelt: ein Wunder allen, welche Krefelds Hütten

Bewohnen, und das Nest


Des hohen Roncevalls, und die Gefilde,

Wodurch der Esse Giessbach rinnt.

Hier sahen euch, gelehnt auf ihre goldnen Schilde,

Sein Ahnherr Witekind,


Und der Cheruskerfürst, der grosse Schatten

Des Legionentödters fliehn:

Zehn Parasangen hinter eurer Flucht die Matten

Voll Raub und voll Ruin.
[72]

Vergeblich flieht ihr diesen Feind, geschwinder

Als Kraniche den Adler; setzt

Vergeblich zwischen euch und euren Ueberwinder

Jetzt Berge, Ströme jetzt:


Auf ungezähmten Rossen, mit der Flamme

Des Shwerdtes, zürnet hinter euch

Ein zweyter Ferdinand aus diesem Götterstamme,

Dem Sohn der Thetis gleich,


Nicht wundenfrey, doch unverkürzt an Jahren:

(Geh, lebe! war der Parze Schluss,

Nach deinem Vater spät ein Kriegesgott der Schaaren

Am stillen Ockarus.)
[73]

Ihm folgen seine Brüder; alle glühen

Nach Ehre: Kriegesdonner, wie

Die Scipionen, und im Frieden, von Thalien

Geliebet, so wie sie.


Ein Eigenthum durch alle Folgezeiten

Von Braunschweigs Helden: jeder spannt

Des Gottes Silberbogen und des Gottes Saiten

Mit gleich geübter Hand.


Und dennoch übersteigt so weit und weiter

Des Herzens Güte diesen Werth,

Als jenen Sonnenball der grosse Tag, der heiter

Durch alle Himmel fährt.«
[74]

So, gleich Arions Liede, gleich dem Tone,

Der Götter und Delphine zwang,

So, zu des Gwelsen Ruhm, des Burboniden Hohne,

Teutoniens Gesang.


Du stehst beschämt, o Burbons Enkel? – Höre

Ein nie zuvor geträumtes Glück!

Des Britten schwacher Kriegesdämon giebt dir Ehre,

Und Land und Meer zurück.


Quelle:
Karl Wilhelm Ramler: Oden, Berlin 21768, S. 65-75.
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