Kurzweilige Liebesbegebenheit

[187] wie die eifersüchtige Jungfrau Klyzia von dem heidnischen Sonnengott Apoll, sonst auch Phöbus genannt, in eine Sonnenwende verwandelt wurde.


Wien im Brachmond 1785.


In einer Stadt (war's Stockholm, Wien,

Fünfkirchen, Koppenhagen,

Konstantinopel oder Brün,

Das konnt' ich nicht erfragen).

Lebt' einstens Jungfer Klyzie,

Ein blühend Kind. Stäts blinzelte

Ein Heer verliebter Ritter

Nach ihrem Fenstergitter.


Doch Thetys, ihre Frau Mama,

Litt keinen Pflastertreter,

Und Ocean, der Herr Papa,

Rief: fort, ihr Schwerenöther![188]

Er war ein Seemann, der, ergieng

Ihm's nicht nach Wunsch, gleich jedes Ding

Bey seinem Namen nannte,

Und keinen Weltton kannte.


So ward die Kleine fromm und zahm

Erzogen nach dem Schnürchen:

Sie eilte, wenn ein Festtag kam,

In mehr als zwanzig Kirchen,

Und liebte Mess' und Rosenkranz

Mehr als Theater, Spiel und Tanz,

Bis Phöbus sie erblickte,

Und ihr den Kopf verrückte.


Mich wundert's nicht; Herr Phöbus war

Ein Mann, der durch Koncerte

Und Wunderkuren Jahr für Jahr

Sein Geldchen brav vermehrte.[189]

Auch trugen seine Reimereyn

Ihm manchmal ein paar Groschen ein:

Er reimt', als ob er hexte.

Doch weiter nun im Texte!


Apoll wollt' eben heimwärts schon

Die Sonnenrosse führen,

Um noch mit Wielands Oberon

Ein Stündchen zu passiren:

Da sah er plötzlich Klyzien

In eines Gartens schattichten

Kastanienalleen

Nach einer Grotte gehen.


Flugs band der feurige Galan

Der Hengste goldne Zügel

Fest an des Steinbocks Hörner an,

Sprang über Ebne, Hügel,[190]

Steinklippe, Berg und Gartenzaun,

Stiess sich die Nase blau und braun,

Und kam in vollem Trotte

Zum Mädchen in die Grotte.


Nett wie ein Klosterkandidat,

Und rings mit goldnen Tressen

Bebrämt, war Phöbus in der That

Ein Stutzerchen zum Fressen.

Er sprach: Pardon, ma belle enfant,

Si mon amour trop brusquement ...

Mais je suis hors d'haleine:

Excusez–moi, ma Reine!


Wen suchen Sie so hastig? ach!

Wer sind Sie? rief die Schöne.

Ich bin der Herr des Lichtes, sprach

Apoll, und notabene.[191]

Auch Arzt, Poet und Musikus,

Und kam, weil ich's doch sagen muss,

Mit meinem Herzchen Ihnen,

Mein schönes Kind, zu dienen.


Viel Dank! sprach Klyzie, nicht wahr?

Glaubt' ich den süssen Lügen,

So könnt' ich in dem nächsten Jahr

Ein Jungferkindchen wiegen?

Nein, Engel, nein! schwur Phöbus ihr,

Man raube meine Gottheit mir,

Wenn ich, du liebe Kleine,

Wenn ich's nicht redlich meine!


Man reisse mich mit Stumpf und Stiel

Heraus aus dem Kalender,

Zerschmettre mir mein Saitenspiel,

Häng' einen Bratenwender[192]

Mir statt des Köchers um den Leib,

Und meinen Lorber soll ein Weib

Zum Strohwisch sich verwandeln,

Sollt' ich nicht edel handeln!


Fest schlang er nun den Arm um sie,

Und prägt' ein feurig Mäulchen

Ihr auf den Mund. Die Schöne schrie,

Wie's Jungfern ziemt, ein Weilchen,

Scholt, und zerzauste wacker ihm

Die Locken: doch ihr Ungestüm

Ward mählich immer lauer;

Ihr Muth war nicht von Dauer.


Ermüdet musste sie zuletzt

Dem Feind den Wahlplatz lassen.

Potz Blitz! wie hurtig sah man jetzt

Apollen Posto fassen![193]

Sie wurde von des Feindes Hand

Recht ritterlich traktirt, und fand,

Dass ihre Niederlage

Ihr trefflich wohl behage.


Seit diesem kleinen Duodram

Gab's tägliche Visiten.

Die Ältern selbst, als Bräutigam

Ihn schon betrachtend, bieten

Herrn Phöbus alles an im Haus,

Und machen sich viel Ehre draus,

So einen feinen Knaben

Zum Schwiegersohn zu haben.


Denn vor den Ältern that Apoll

Gar ehrbar und bedachtsam,

Als wär' er noch so unschuldsvoll:

Er schwatzte traulich nachts am[194]

Kamin dem alten Ocean

Ein Märchen vor vom Tamerlan,

Und gab der Mutter Pillen,

Die Gicht und Hundswuth stillen.


Dafür durft' er mit Klyzien

Auf dem beblümten Anger

Selbander sich erlustigen.

Wenn's dann zu kühl ward, sang er

Zu Haus ihr Weissens Lieder vor,

Und amüsirte drauf ihr Ohr

Mit Arien der beyden

Tonkünstler Gluck und Hayden.


Verführt von eitlem Selbstvertraun,

Begann nun Jungfer Klyzchen

Manch Schlösschen in die Luft zu baun.

Erhob ihr Nasenspitzchen[195]

Von Tag zu Tage mehr, und liess

Schon deutschen Atlas von Paris

Nebst Schmuck und Zobelfellen

Zum Brautkleid sich bestellen.


Doch Klyzchens treuer Seladon

Ward plötzlich zum Verräther;

Denn unstät war Latonens Sohn

Gleich einem Thermometer.

Er schlich durch Schmeicheln unversehns

Sich in das Herz Leukothoens,

Und Klyziens Karessen

Begann er zu vergessen.


Entzückt von seiner neuen Wahl,

Hielt er sein Schelmenstückchen

Für löblich; denn Apolls Moral

War links und rechts voll Lückchen,[196]

Und da an Reitz Leukothoe

Viel reicher war, als Klyzie,

So schien sein Fehltritt freylich

Noch halb und halb verzeihlich.


Indess zum drittenmale nun

Die Sonne meerwärts sinket,

Und bey dem Wassergott Neptun

Den Sauerbrunnen trinket,

Erfährt die Tochter Oceans

Den Meineid ihres Herrn Galans,

Und fängt, trotz Wäschernymphen,

Erbärmlich an zu schimpfen.


Voll Eifersucht und voll Verdruss,

Wie ein gereitzter Kater,

Trollt sie zum alten Orchamus,

Dem königlichen Vater[197]

Leukothoens, sich hin, und spricht:

Herr Graubart, traut Apollen nicht!

Er schläft zur Zeit der Mette

In eurer Tochter Bette.


Der Teufel soll's dem Lumpenhund

Vergelten! sprach der Alte,

Und warf das Pfeifchen aus dem Mund:

Es drängte Falt' an Falte

Auf seinem Antlitz sich. Hatschier!

Lauft alsogleich, und holet mir

Die unverschämte Dirne!

Rief er mit finstrer Stirne.


Leukothchen kam. »Was that Apoll

»In deinem Schlafgemache?

»Du läugnest? Ha! dein Heucheln soll

»Dich reun, du falscher Drache!«[198]

So schrie der grausame Papa,

Und liess in prima furia

In einen Sarg sie stecken,

Und rings mit Erde decken.


Nach ein paar kurzen Nänien

Zu seines Liebchens Ruhme

Verwandelt Phöbus Klyzien

In eine Sonnenblume,

Die seit der Zeit noch, wie ihr wisst,

Der Eifersücht'gen Sinnbild ist,

Und wo Apoll sich zeiget,

Ihr Köpfchen zu ihm neiget.


Ihr Schönen, Klyzchens Strafe mag

Zur Toleranz euch leiten;

Denn Eifersucht taugt heut zu Tag

Noch minder, als vor Zeiten.[199]

Die Dame, die zu leben weiss,

Giebt ihren Trauten willig preis,

Und lässt von muntern Gästen

Für den Verlust sich trösten.

Quelle:
Joseph Franz Ratschky: Gedichte, Wien 1791, S. 187-200.
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