62. Anners möt't warden

[181] »Ne, Schröder, 't geiht nich!« seggt de Schult,

»Ne, Vadder, glöw du mi,

Wenn so en jeder reden wullt,

Denn wir't all längst vörbi.


De Obrig- un de Geistlichkeit,

De möst du stets spektieren,

Un mit din oll Rebelligkeit

Deihst di blot rungenieren.


›Schult‹, säd uns' Herr Pastur tau mi,

›Wir müssen's auferhalten

Un gegen Demokrateri

Aufstehen for dem Alten;


'ne Stärkung for Regierung sein

Un for den hohen Adel:

Un nie un nie nich fall uns ein,

Zu prätendieren Tadel.‹


›Herr Paster‹, säd ick, ›Herr Pastur,

Ick mit min Fru un Kinner

Un mit min ganzes Infentur,

Wi meinen't so nich minner.‹


So möt dat bliwen, möt dat sin,

Süs kann't nich assistieren!«

Un bost sick in 'ne Wut herin

Un spuckt un deiht handtieren.
[181]

Un kikt oll Schrödern gnittig an,

As künn hei'n gliksten wörgen,

As wir all rip sin Vaddermann

För Däms un för Dreibergen.


Dunn kümmt herin sin Ossenknecht:

»Schult, unsen schönen Weiten,

Den'n heww'n de wilden Swin mal recht

Dalrangt – 'ne Schan'n tau heiten!«


»Wat?« röppt de Schult, »de wilden Swin?

Dat möt de Düwel halen!

Un dat will 'ne Regierung sin?

Dorför säl'n wi betahlen?


Ick will doch glik taum Preister hen

Un will den Preister fragen –

Min schöne Weiten as 'ne Denn!

Ick will dat Amt verklagen!«


De Schult, de löppt, bald is hei t'rügg

Un kratzt sick achter't Uhr,

Oll Schröder grint: »Gevadder, segg,

Wat säd de Herr Pastur?«


»Gevadder«, seggt de Schult un kratzt

Noch düller as vörher,

»Bi den'n is ok wat rinner platzt,

Kamm ok wat in de Quer:


De Eddelmann möt alle Johr

Ein fettes Swin em bringen,

So'n richtig Hauptswin, grot un swor

Un fett vör allen Dingen.
[182]

Wat deiht nu uns' gaud Eddelmann?

Hei schickt 'ne olle Säg,

De't Fauder nich mihr biten kann

Un ok kein Fauder kreg.


Nu schellt de Preister gruglich hüt,

Schimpt up den Eddelmann

Un flucht up all de Eddellüd –

Dat heit, up geistlich man.«


Dunn steiht oll Schröder sacht tau Höcht.

»Na, makt Jug nich taum Naren!

Heww ick nich recht? – Wat heww ick seggt?

Möt't denn nich anders warden?«

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 2, Rostock 1967, S. 181-183.
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