Der Balkon

[597] Neapel


Von der Enge, oben, des Balkones

angeordnet wie von einem Maler

und gebunden wie zu einem Strauß

alternder Gesichter und ovaler,

klar im Abend, sehn sie idealer,

rührender und wie für immer aus.


Diese aneinander angelehnten

Schwestern, die, als ob sie sich von weit

ohne Aussicht nacheinander sehnten,

lehnen, Einsamkeit an Einsamkeit;


und der Bruder mit dem feierlichen

Schweigen, zugeschlossen, voll Geschick,

doch von einem sanften Augenblick

mit der Mutter unbemerkt verglichen;


und dazwischen, abgelebt und länglich,

längst mit keinem mehr verwandt,

einer Greisin Maske, unzugänglich,

wie im Fallen von der einen Hand
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aufgehalten, während eine zweite

welkere, als ob sie weitergleite,

unten vor den Kleidern hängt zur Seite


von dem Kinder-Angesicht,

das das Letzte ist, versucht, verblichen,

von den Stäben wieder durchgestrichen

wie noch unbestimmbar, wie noch nicht.


Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 597-598.
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