Der König

[523] Der König ist sechzehn Jahre alt.

Sechzehn Jahre und schon der Staat.

Er schaut, wie aus einem Hinterhalt,

vorbei an den Greisen vom Rat


in den Saal hinein und irgendwohin

und fühlt vielleicht nur dies:

an dem schmalen langen harten Kinn

die kalte Kette vom Vlies.


Das Todesurteil vor ihm bleibt

lang ohne Namenszug.

Und sie denken: wie er sich quält.


Sie wüßten, kennten sie ihn genug,

daß er nur langsam bis siebzig zählt

eh er es unterschreibt.

Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 523.
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Neue Gedichte - Der Neuen Gedichte anderer Teil.
Insel Taschenbücher, Nr.49, Neue Gedichte