Ein Frauen-Schicksal

[513] So wie der König auf der Jagd ein Glas

ergreift, daraus zu trinken, irgendeines, –

und wie hernach der welcher es besaß

es fortstellt und verwahrt als wär es keines:


so hob vielleicht das Schicksal, durstig auch,

bisweilen Eine an den Mund und trank,

die dann ein kleines Leben, viel zu bang

sie zu zerbrechen, abseits vom Gebrauch


hinstellte in die ängstliche Vitrine,

in welcher seine Kostbarkeiten sind

(oder die Dinge, die für kostbar gelten).


Da stand sie fremd wie eine Fortgeliehne

und wurde einfach alt und wurde blind

und war nicht kostbar und war niemals selten.

Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 513.
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Neue Gedichte - Der Neuen Gedichte anderer Teil.
Insel Taschenbücher, Nr.49, Neue Gedichte