Spanische Tänzerin

[531] Wie in der Hand ein Schwefelzündholz, weiß,

eh es zur Flamme kommt, nach allen Seiten

zuckende Zungen streckt –: beginnt im Kreis

naher Beschauer hastig, hell und heiß

ihr runder Tanz sich zuckend auszubreiten.


Und plötzlich ist er Flamme, ganz und gar.


Mit einem Blick entzündet sie ihr Haar

und dreht auf einmal mit gewagter Kunst

ihr ganzes Kleid in diese Feuersbrunst,

aus welcher sich, wie Schlangen die erschrecken,

die nackten Arme wach und klappernd strecken.


Und dann: als würde ihr das Feuer knapp,

nimmt sie es ganz zusamm und wirft es ab

sehr herrisch, mit hochmütiger Gebärde

und schaut: da liegt es rasend auf der Erde

und flammt noch immer und ergiebt sich nicht –.
[531]

Doch sieghaft, sicher und mit einem süßen

grüßenden Lächeln hebt sie ihr Gesicht

und stampft es aus mit kleinen festen Füßen.


Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 531-532.
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Neue Gedichte - Der Neuen Gedichte anderer Teil.
Insel Taschenbücher, Nr.49, Neue Gedichte