Draußen schneit's

[329] Wir hatten ein Schaukelpferd vorher gekauft.

Aber nachher kam gar kein Kind.

Darum hatten wir damals das Pferd dann Bubi getauft. –


Weil nun die Holzpreise so unerschwinglich sind;

Und ich nun doch schon seit Donnerstag

Nicht mehr angestellt bin, weil ich nicht mehr mag;

Haben wir's eingeteilt. Und zwar:[329]

Die Schaukel selbst für November,

Kopf und Beine Dezember,

Rumpf mit Sattel für Januar.


Ich gehe nie wieder in die Fabrik.

Ich habe das Regelmäßige dick.

Da geht das Künstlerische darüber abhanden.

Wenn die auch jede Woche bezahlen,

Aber nur immer Girlanden und wieder Girlanden

Auf Spucknäpfe malen,

Die sich die Leute doch nie begucken,

Im Gegenteil noch drauf spucken, – –

Das bringt ja ein Pferd auf den Hund.


Als freier Künstler kann ich bis mittags liegen

Bleiben. – Na und die Frau ist gesund.

Es wird sich schon was finden, um Geld beizukriegen.

Anna und ich haben vorläufig nun

Erst mal genug mit dem Bubi zu tun.

Rumpf zersägen, Beine rausdrehn,

Nägel rausreißen, Fell abschälen.

Darüber können Wochen vergehn.

Das will auch gelernt und verstanden sein,

Sonst kann man sich daran zu Tode quälen.

Solches Holz ist härter als Stein.

Dann spalten und Späne zum Anzünden schneiden

Und tausenderlei.

Aber das tut uns gut, uns beiden,

Sich mal so körperlich auszuschwitzen.


Außerdem kann man ja dabei

Ganz bequem auf dem Sofa sitzen;

Raucht seine Pfeife, trinkt seinen Tee,

Und vor allem: Man ist eben frei!

Man hat sein eigenes Atelier.

Man hat seinen eigenen Herd;

Da wird ein Feuerchen angemacht –

Mit Bubipferd –,

Daß die Esse kracht.

Und die Anna singt und die Anna lacht.
[330]

Da können wir nach Belieben

Die Arbeit auf später verschieben.

Denn wenn man das Gas uns sperren läßt

Oder kein Bier ohne Bargeld mehr gibt,

Dann kriechen wir gleich nach Mittag ins Nest

Und schlafen, solange es uns beliebt.


Freilich: Der feste Lohn fällt nun fort,

Aber die Freiheit ist auch was wert.

Und das mit dem Schaukelpferd

Ist jetzt unser Wintersport.

Quelle:
Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 1: Gedichte, Zürich 1994, S. 329-331.
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