An der Alten Elster

[367] Wenn die Pappeln an dem Uferhange

Schrecklich sich im Sturme bogen,

Hu, wie war mir kleinem Kinde bange! –

Drohend gelb ist unten Fluß gezogen.


Jenseits, an der Pferdeschwemme,

Zog einmal ein Mann mit einer Stange

Eine Leiche an das Land.

Meine Butterbemme

Biß ein Hund mir aus der Hand. –

O wie war mir bange,

Als der große Hund plötzlich neben mir stand!
[367]

Längs des steilen Abhangs waren

Büsche, Höhlen, Übergangsgefahren. –


Dumme abenteuerliche Spiele ließen

Mich nach niemand anvertrauten Träumen

Allzuoft und allzulange

Schulzeit, Gunst und Förderndes versäumen. –

Hulewind beugte die Pappelriesen.

O wie war mir bange!


An der Alten Elster

Pappeln, Hang und Fluß, wo dieses Kind

So viel heimlichstes Erleben hatte,

Sind nicht mehr. Mir spiegelt dort der glatte

Asphalt Wolken, wie sie heute sind.

Quelle:
Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 1: Gedichte, Zürich 1994, S. 367-369.
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