Enttäuschter Badegast

[432] Wenn ich im Badeanzug bin

Und im Familienbade,

Geht die Erotik fort. Wohin

Weiß Gott. Wie schade!


Und Weiber jederlei Gestalt,

Sie lassen alle dann mich kalt,

Wie die verdammte Jauche

Der See, in die ich tauche,

Kalt macht, speziell am Bauche.


Von der Kabine bis ans Meer

Geniere ich mich immer sehr.

Trotz Spucke und trotz Laufgeschwind

Merkt jede Frau und jedes Kind,

Daß meine Füße dreckig sind.

Und niemand fragt woher.


Daß jemanden, der nicht gut schwimmt,

Daß man den gar nicht mehr als Mann,

Sondern als Tauchemännchen nimmt – –


So handeln Weiber, die bestimmt

Wären, mich aufzuregen.


Mir schmeckt das Badewasser nie.

Ich denke immer an Pipi

Und kann das auch belegen.
[432]

Es liegt mir fern, hier indiskret

Krampfadern aufzuwühlen,

Doch jede Frau, die baden geht,

Weiß nichts von meinen Gefühlen.

Quelle:
Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 1: Gedichte, Zürich 1994, S. 432-433.
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