Vierdter Aufzug.

[348] Teutschland / Wahremund / Wolraht.


TEUTSCHLAND.

Auf so viel Angst und Weh' /

Auff so viel bittre Schmertzen /

Erwart' ich dennoch Trost und Hülff in meinem Hertzen /

Es saget mirs mein Sinn / der Friede sey nicht weit;

Steh auff O GOTT / steh auff / zu helffen mir bereit!


Ja du mein Gott und getreuer Vatter / Du weissest es / daß ich dir / als einen heiligen unnd gerechten GOTT / meine vielfältige begangene Sünde unnd Missethaten auß dem innersten Grund meines Hertzens gebeichtet und bekennet / mit vielen Thränen sie bereuet / unnd von gantzer Seelen habe verfluchet / zweiffele demnach gantz und gar nicht / du werdest nunmehr mein gnädiger GOtt und Vatter seyn / meine vielfältige begangene Sünde nach deiner grossen Barmhertzigkeit dämpffen / und alle meine Missethaten in die Tieffe deß Meers werffen. Ach du mildreicher GOtt / dessen Güte unaußsprechlich ist / verleihe mir deine himmlische Gnade / daß Teutschland hinfüro allen Sünden[348] und Lastern von gantzer Seelen feind seyn und ein frommes Christliches / heiliges / dir wolgefälliges Leben möge führen / Wahremund und Wolraht gehen auf. So will ich dich loben / rühmen und preisen hier in der Zeit / und dort in der unendlichen Ewigkeit / Amen / hilff HErr JEsu / Amen!

WAHREMUND. Allergnädigste Königin / der grosse GOtt vom Himmel sey und bleibe Euer Majestät Schutz und Schirm / und schenke derselben aus lauter Gnaden den längst erwünscheten Frieden.

WOLRAHT. Der Himmel bestätige diesen Wunsch / und lasse es euer Majestät hier zeitlich und dort ewig wol ergehen.

TEUTSCHLAND. Jhr meine liebe Getreue / das Gute / welches ihr mir so hertzlich wünschet / kan allein der geben / der selbst die Liebe und Güte ist / immittelst nehme ich sothanen euern Wunsch an mit sonderbaren Gnaden und Freuden / aber sagt mir / was haben wir nunmehr für Zeitung von Herannahung deß güldenen Friedens?

WAHREMUND. Großmächtigste Königin / Euere Majestät können ich und Herr Wolrath nicht bergen / wie daß wir an diesem Tag sehr greuliche und erschrekliche Ding gehört / welche alle dahin gerichtet waren / daß man Eure Majetät zu Grunde verderben / durch Argwohn und Mißtrauen der Fürsten und Stände an einander hetzen / Türken und Tartern zu gäntzlicher Verwüstung des edelsten Teutschlandes aufbringen / und endlich den Garauß damit spielen möchte.

TEUTSCHLAND. O wehe mir allerunglükseeligsten Königin / kan ich denn meines Elendes gar kein Ziel noch Ende erreichen?[349] ich verhoffte nun endlich / mit Friede und Ruh beseligt zu werden / aber da scheinet es / daß Himmel und Erde zu meinem Unglükke unnd Verderb sich wider mich verschworen / und mich allen Tyrannen zum Raube übergeben haben.

WOLRAHT. Eure Majestät betrübe sich nur nicht so gar hefftig / wir haben schon einen andern und zwar sehr kräfftigen Trost vom Himmel erhalten / welcher E[uer] Majestät gnugsam versichert / daß alle die / von dem Gewissenlosen Staatsmann ausgesonnene gefährliche Anschläge sollen zu nichte / und wir nun bald / bald / mit dem allersüssesten Friede erfreuet werden.

TEUTSCHLAND. Sind diese Anschläge vom Staatsmann herkommen? O mein lieber Wolrath / der ist ein über alle masse listiger Fuchs / aber was vermag seine Arglistigkeit wider die Göttliche Versehung? Was GOtt will / muß doch endlich geschehen / und wenn sich auch Staatsmann mit allen Teüffeln dawider setzete.

WAHREMUND. Ja gnädigste Königin / ein solches vestes Vertrauen trage auch ich zu dem allerhöchsten Gott / und bekräfftiget mich in solchem meinem Glauben der herrliche Trost-Gesang / deß uns kurtz hernach erschienenen Engels / dessen Abschafft ich Eurer Majestät unterthänigst hiermit überreiche. Er gibt ihr das himmlische Trostlied / Teutschland liset es mit sonderem Fleisse und Ernst / und spricht freudig.

TEUTSCHLAND. Hochgelobet sey GOtt / der das Elend seiner hochbetrübten verlassenen Magd so gnädig hat angesehen / ja der nach so vielen außgestandenen erschreklichen Plagen /[350] mich endlich mit Frieden und Freuden will erfüllen / verleihe mir doch / O du getreuer himmlischer Vater deine Göttliche Gnade / daß ich hinfüro ein recht Christliches und dir wolgefälliges Leben führe / ja / daß alle meine Teutsche dir dienen mögen / in Heiligkeit und Gerechtigkeit / Amen / hilff uns HErr JEsu Christe / Amen!

WAHREMUND. Es ist / großmächtigste Königin / dieses alles sehr wol gethan / und hat Gott an den demütigen / bußfertigen und zerschlagenen Hertzen sein sonderbares gnädiges Gefallen / dahin aber müssen wir für allen Dingen trachten / daß ein anderes und besseres Christenthum unter uns Teutschen künfftiger Zeit angerichtet / sonder lieh aber / daß den sämtlichen Kirchen und Gemeinden solche Prediger werden vorgestellet / die bloß und allein auf Gottes Ehre und ihrer anvertrauten Schäflein Seelen Heil und ewige Wolfahrt ihr Absehen haben. Denn wozu nutzen doch solche Prediger / die nichtes anders können als fort und fort zancken / schelten / verketzeren / verdammen / neue Zeitungen predigen / den Aristotelem erklären / ja bißweilen auß demselben der gantzen Gemeine (darunter doch viel züchtige Jungfrauen / junge Knaben und Mägdelein sich befinden) die Lehre von Erzeugung deß Menschen / wie derselbe auß Vermischung beyderley Saamen herkomme / und was dergleichen saubere Discursen mehr sind / (wodurch unschuldige Hertzen und Ohren heftig geärgert / ja junge Mägdelein verschmitzter als alte erfahrene Wehemütter werden) mit einer sonderlichen angemasseten Klugheit öffentlich auff den Kantzlen vortragen. Jch sage in Warheit / allergnädigste Königin / wenn es bey solchen und dergleichen Predigten / wie auch bey dem unzeitigen zanken /[351] schelten / richten / verketzeren / verdammen / solte verbleiben / theils Lehrer auch in ihrem ruchlosen ärgerlichem Leben würden fortfahren / und hinfüro / wie rechtschaffenen Seelenhirten zustehet / sich nicht bezeigen / so werden wir deß güldenen Friedens / wenn uns gleich derselbe vom Himmel wird gegeben / nicht zu gemessen haben.

TEUTSCHLAND. Mein getreuester Wahremund / ich erkenne sehr wol / wie hoch und viel meine Kirchen (die sich auff so viel tausend erstrekken) einer guten änderung und Besserung sind benöhtiget / ich will gerne das meinige thun / du und andere meine getreue Diener werden es an ihrem Fleisse auch nicht ermanglen lassen / und alsdenn wird der höhester GOtt seinen Segen und Gedeien dazu geben.

WOLRAHT. Großmächtigste Königin / was mein würdiger Freund / Herr Wahremund / wegen Verbesserung vieler Mißbräuche / welche so wol bey den Kirchen als deroselben Dieneren an den meisten Orten eures Königreiches sich eräugnen / wolmeintlich hat erinnert / daß muß euer Majestät auch wegen derer / im Weltlichen und Regimentsstande lebenden Personen unterthänigst von mir zu Gemüthe geführet werden. Denn / gleich wie die Kirche Gottes nicht fleissig noch nützlich wird erbauet / wenn sie nicht von tauglichen Personen wird bedienet; Also werden auch die Unterthanen weder Christlich noch ehrlich ihr Leben anstellen und führen / wenn sie nicht von Gottesfürchtigen / verständigen und aufrichtigen Leuten werden regiret und zu allem guten angewiesen / wird demnach eure Majestät dahin mit gantzem Ernste sehen und trachten / daß ihre Fürsten GOTT über alles fürchten und die Gerechtigkeit[352] lieb haben / deroselben Diener / Rähte / Kantzler / Amtleute / Schreiber / Vöigte / Richter / Verwaltere / und wie sie mehr Nahmen mögen haben / keine Gottesverächter / Sabbatsspötter / Flucher / Säuffer / Haderkatzen / Wucherer / Schinder / Hurer / nichtswissende Jdioten / ungelehrte grobe Gesellen unnd derogleichen nichtswürdige Leute erfunden werden / daß auch die übermachte Gottlosigkeit unnd Boßheit in grossen und kleinen Städten abgeschaffet / unnd die Rahthäuser mit tüchtigen / GOTT unnd der Tugend ergebenen Leuten bestellet / und alles unordentliches Wesen / so viel in dieser menschlichen Schwachheit immer müglich / hinweg gethan werde.


Herr Degenwehrt gehet auff / gar statlich als ein Gesanter bekleidet.


TEUTSCHLAND. Herr Wolraht / Jch erkenne euer auffrichtiges Tugendliebendes Hertz gar wol / weiß auch / daß die Regierung in Teutschland so gar übel ist bestellet / daß GOtt in seinem Reiche sich darüber mag erbarmen / versichert euch aber / daß ich / dafern uns der getreue Gott den allersüssesten Frieden wird günnen / alle meine Kräfte und Vermügen wil anwenden / daß es so wol mit den Regiments- als Kirchensachen zu einem viel besseren Stande soll gebracht werden. Aber / wen sehe ich dort? Jst es nicht der verständiger / tapferer und gelehrter Obrister Degenwehrt / welcher mich neulich / als er sich bey unserem Königlichen Hofe eingestellet / mit seinen hochvernünftigen Unterredungen über die masse sehr hat belüstiget?

WOLRAHT. Ja / gnädigste Königin und Frau / eben derselbige fürtrefliche Rittersmann ist es.


[353] Degenwehrt kommet näher herzu / erzeiget der Königin in aller unterthänigkeit die geziemende Ehrerbietung / also redend.


DEGENWEHRT. Durchläuchtigste / Großmächtigste Königin / allergnädigste Frau / die Durchläuchtigste Princessin Batavia / eurer Majestät gehorsamste Frau Tochter / lasset euer Majestät ihre unterthänige kindliche Dienste vermelden und durch meine Wenigkeit gehorsamst andeuten / welcher gestalt / nach deme es dem allerhöhesten Gott gefallen / ihre Person auch sämtliche schöne Kinder und niderteutsche Herrschaften nach vollenführeten 70 Jährigen blutigen Kriege / durch Vermittelung deß edlen Friedens / mit dem großmächtigsten Könige Jbero in gute Vertrauligkeit / Sicherheit und Ruhe zu setzen / sie nicht unterlassen wollen / ihrer höchstgeehrten Frau Mutter unterthänigst auffzuwarten und dieselbe / wenn es euer Majestät also gnädigst beliebete / noch diese Stunde mit einem Hertzerquikkenden Friede und Freudenblikke zu verehren.

TEUTSCHLAND. Was saget ihr / Herr Degenwehrt? unsere Tochter Batavia? Jst der Streit zwischen ihr und dem gewaltigen Könige Jbero nunmehr gäntzlich beygelegt / und ist sie unserem Pallast so nahe / daß wir sie noch diese Stunde sehen können?

DEGENWEHRT. Ja / gnädigste Königin / die Princessin Batavia ist nicht allein Persönlich für der Mauren ihres Königlichen Pallastes / sonderen wird auch von dem großmächtigsten Könige Jbero begleitet / und von sieben fürtreflichen Nimphen / ihren Fräulein Töchteren / sehr lieblich und freundlich bedienet.[354]

TEUTSCHLAND. Jst es müglich mein Freund / daß unsere Tochter die Princessin Batavia / in Gesellschaft eines so grossen Königes / uns in diesem annoch trübseligen Zustande will besuchen?

DEGENWEHRT. Eure Königl[iche] Majestät versichere ich hiemit bey meinem Leben / daß beyde Durchläuchtigste Personen / König Jberus und die Princessin Batavia / durch den Friede / welcher sie beide durch Göttlicher Gnade Verleihung nunmehr in eine grosse Vertrauligkeit glüklich hat gesetzet / an diesen Ort und zu eurer Majestät sind geführet worden.

TEUTSCHLAND. Ey Herr Degen wehrt / die Zeitung welche ihr uns zu diesem mahle bringet / ist fast gar zu gut. Aber werde ich denn auch den Frieden / ach den alleredelsten / ach den allerlieblichsten / ach den allersüssesten Frieden bey ihnen finden?

DEGENWEHRT. Ja gnädigste Königin / ich berichte E[uer] Majestät die Warheit / der Friede gehet in der Mitte / und führet den König Jberum und die Printzessin Batavia / an ihren Händen / mit ihrem allerseits grossen vergnügen.

TEUTSCHLAND. Eiligst / eiligst machet alle Thüre und Thore auff / damit ich diejenige Personen gegenwertig sehen müge / nach welcher Ankunfft mir von Grund meiner Seele hat verlanget.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 348-355.
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