Der dritter Auffzug.

[56] Teutschland trit auff / vor Jhr her gehet der Friede in schneeweissen Frauenkleidern / auff dem Haupte einen güldenen Krant / in der Hand einen grünen Loorberweig und unter dem Arm ein Cornucopiœ tragend. Teutschland ist auff daß aller prächtigste a la mode bekleidet / hält in der Hand einen schönen Skepter / auff dem Haubte träget sie eine sehr köstliche Krohne / siehe gar frech und wild aus / hat viele Diener und Dienerinnen / sonderlich folget Jhr die Wollust in mancherlei Farben gantz leichtfertig bekleidet / jedoch daß sie fast halb nakkend daher gehet. Teutschland setzet sich auff einen[56] gantz herrlich gebauten und mit schönen Tapezereien geschmükketen Thron nieder / der Friede stehet Jhr zuer Rechten die Wollust zuer lincken / die Diener aber zu beiden seiten.

Teutschland / Friede / Wollust / Hofemeister.


TEUTSCHLAND. Jst auch unter dem grossen Geweihe des Saffirgläntzenden Himmels einige Königinn oder Beherscherinn zu finden / welche auff den herrlichen Thron aller weltlichen Glükseligkeit so hoch als Jch ist gestiegen? Kan auch die Fortun der gantzen weiten und breiten Welt mit der meinigen in einigem wege compariret oder verglichen werden? Nein per ma foy: Jch habe das erlanget / welches zwar die allergrössesten Monarchien der Welt jemahls gewünschet / niemahlen aber erhalten / Jch / Jch bin das Glükselige Teutschland / Jch bin die allergrösseste Dame von gantz Europa / groß von Macht / herrlich von Thaten / is Reich von Gühteren / vortrefflich von Verstande / ja ein rechter Tempel und Wohnhauß der allervollenkommensten Glükseligkeiten. Deine Gesellschafft O hertzwehrte Freundinn Sie schläget den Friede auff die Schulteren. ist mir viele Jahre hero dermassen nützlich / lieb und angenehm gewesen / daß Jch solches mit Wohrten außzusprechen mich viel zu schwach befinde / denn seithero Du / O wehrter Friede bei mir gewohnet / hat sich aller nothwendigen und anmuhtigen Dinge ein Überfluß in meinen Herrschafften befunden / ja es hat mir durchaus nichtes gefehlet von allem deme / welches das Hertz einer solchen mächtigen Königinn kan befriedigen. Jch weiß durchauß von keiner Wiederwertigkeit: kein Unfall kan mich treffen / kein Krieg kan mich gefehrden / keine Armuth kan mich drükken / keine Krankheit kan mich danieder legen / keine Verfolgung kan mir schaden / kein Geschöpf unter dem Himmel kan mir einiges Unglük beibringen. Es stehet[57] mir doch alles zu dienste / der Himmel lachet mich an / die Sonne buhlet gleich mit mir / alle Sterne und Planeten tantzen üm mich her mit Freuden / daß Erdreich gibt mir vollauff von allen erwünscheten Dingen / daß Meer lässet mir gleichsahm der gantzen Welt Reichthum in unzehlichen Schiffen zuführen. Die andere grosse Königinnen und Monarchien behten mich an: Hispanien zittert vor mir / Frankreich suchet meine Königliche Gunst / Wälschland küsset mir die Hände / ja alle andere Länder præsentiren mir Jhre gehorsame Dienste und legen sich gleichsam danieder zuem Schemel meiner Füsse. Sage an meine Freundinn / sage an du wehrter Friede / ob sich nicht dieses alles in der That und Wahrheit also verhalte und ob Jch nicht mit meiner Glükseligkeit alle Monarchien der gantzen Welt weit / weit übertreffe?

FRIEDE. Freilich ja / Allergnädigste Königinn ist Eure Majestät die glükseligste Fürstin unter der Sonnen / denn / wo findet man einiges Land oder Königreich / wenn man gleich alle vier Theile der Welt durchsuchte / ja vom Osten ins Westen / vom Süden ins Norden lieffe / daß mit Teutschland zu vergleichen? O wolte / wolte GOtt / gnädigste Königinn und Frau / daß E[ure] Majestät nur dankbahrlich genug müchte erkennen die hohe und unaußsprechliche Gnade / womit der allergütigster Himmel dieselbe so mildiglich hat beseliget! Wahr ist es / gnädigste Königinn / daß durch meine Gegenwahrt Euer Majestät Trohn sicherlich befästiget und alle erwünschete gedeiligkeit häuffig wird hiebei gebracht / denn wo Friede ist / da gehet alles wol zu / da blüet Glük und Segen / da muß aller Neid und Streit zu rükke weichen. Aber von gantzem Hertzen müchte Jch wünschen / daß Eure Majestät meiner weinigen Dienste sich auff eine viel andere / und dem[58] allerhöhesten GOtt wolgefälligere ahrt und weise hinführo gebrauchete.

TEUTSCHLAND. Wie denn Friede? Sol Jch mich deiner Auffwahrtung noch anders / als Jch bißhero gethan habe gebrauchen? Ja Friede / das wäre wol etwas neües.

FRIEDE. Ja allergnädigste Königinn / billig müchte E[ure] Majestät mich / als den allerköstlichsten Schatz auff Erden wol etwas besser anwenden / damit mein Vater und HErr im Himmel / der mich E[ure] Majestät so gnädigst hat geschenket / durch den sündlichen Mißbrauch nicht gar zu hefftig dermahleinst würde erzürnet. Das aber dieses von E[ure] Majestät nicht besser wird beobachtet / solches verhindert leider dieses schnöde Weib die Wollust / welche E[ure] Majestät fast stets auff dem Fuesse nachfolget / und sich dieselbe in kurtzer Zeit dermahssen eigen und verpflichtet gemachet hat / daß E[ure] Königl[iche] Majestät ohne dieses verfluchte Weib / die schändliche Wollust nunmehr fast auch keinen einigen Tag kan leben.

WOLLUST. Was sagest du Friede? Hörest du noch nicht auff meine Person bei Jhrer Majest[ät] zu verunglimpfen / und mich / deroselben getreuste und allergehorsahmste Dienerinn zu verleumbden? Must du mich denn ohne unterlaß zuer Banck hauen? Hat denn dein schmähen und übeles nachreden gahr kein ende? Was hätte doch Jhre Königl[iche] Majestät unsere allerseits gnädigste und höchstgebietende Frau in dieser Welt vor Freude / wenn sie meiner angenehmen Gesellschafft müste entbehren? Ja Friede / solte eine solche herrliche Königinn als Teutschland ist ohne Wollust leben? Du redest / wie die närrische Weiber pflegen zu reden. Zu deme / wie könte es müglich seyn /daß / wo du regierest / Jch nicht auch nothwendig zuer[59] stelle seyn müste / denn / wo Friede ist / da wohnet auch Wollust / wo Friede ist / da komt auch Freude / und kanst du fast ja so schwerlich als die Königinne selbst ohne meine Gegenwahrt leben.

FRIEDE. Pfui / schäme dich du schändliche Bestia / soltest du solche gottlose Reden von mir / dem allerhöhesten zeitlichem Guhte in deinem Munde führen? Solte der Friede ohne die Wollust nicht leben können? Weissest du denn nicht / daß Jch der Friede meine stelle auch droben bey GOtt meinem allerliebsten Vater im Himmel habe / da lauter Heiligkeit und Unschuld regieret / und wohin du verfluchte Wollust / nimmermehr einen Fuß wirst setzen? Daß du aber bei dieser Zeit Jhrer Königl[ichen] Majestät so lieb und angenehm bist / solches komt daher / daß allerhöchst geehrte Jhre Königl[iche] Majestät durch deine schmeichelhaffte Reden leider gäntzlich ist eingenommen und schon eine gute Zeit hero jämmerlich verführet worden. Sonsten weiß Jch sehr wol / daß du dich vielmehr bei dem gottlosen Mars oder Kriege / meinem ewigen und abgesagtem Todfeinde als bei mir / dem Frieden pflegest auffzuhalten / denn es ist ja auch den Kindern bekant / daß mitten im Kriege die Wollust auch offtmahls bei Bürgeren und Bauren mit gantzer macht regieret / verstehest du daß wol?

TEUTSCHLAND etwas entrüstet. Was sol dieser unnöhtiger Hader? Schämet Jhr Euch nicht in gegenwahrt Euer Königinn mit solchen ungehobelten Wohrten um Euch zu beissen? Jch glaube sicherlich / daß Jungfrau Friede mit der zeit uns vorzuschreiben vermeinet / wie wir unser Leben und Regiment sollen anstellen. Siehe da Friede / was bildest du dir[60] wol ein? Sol Jch dich / meine Dienerinn erst fragen / was vor Leute Jch an meinem Königlichen Hoff nehmen und halten sol? Das wäre für wahr eine feine Sache! Hie wird auff einem Posthörnlein gleich als von weitem geblasen. Aber / was höre Jch doch für ein blasen? Meinem bedünken nach ist es ein Posthorn / gehet bald hin Herr Hofemeister / und vernehmet / ob etwann Fremde fürhanden sind.

HOFEMEISTER. Allergnädigste Königinn / Jch gehe hin E[uer] Königl[ichen] Majestät unterthänigsten Bericht hievon schleunigst einzubringen.

TEUTSCHLAND. Daß sol mich wunderen / was doch bei dieser Zeit etwan vor ein fremder Herr mag anhero kommen. Jch sehe es sonst nicht ungern / daß grosse Fürsten mich zuem öffteren besuchen / denn eben hiedurch wird meine is Reputation mächtiglich conserviret, und dahero komt es / daß man in allen Länderen und Königreichen von Teutschland und Jhrer großen liberalitet und tractamenten (wodurch Jhre Herrligkeit täglich wird vergrössert) weis zu sagen. Zu deme / so erfordert es auch Ratio status, daß man mit fremden Herren guhte Correspondentz unterhalte / dieweil man nicht kan wissen / wie und wo man sich deroselben nützlicher Dienste dermahleinst könne gebrauchen. Unterdessen Frau Wollust / sehet wol zu / daß an allem dem jenigen / so zu prächtiger tractation vornehmer Herren gehörig / nichtes ermangelen müge.

HOFEMEISTER komt wieder und spricht. Großmächtigste Königin / Gnädigste Frau / es erzeiget sich vor dem Schlosse eine gahr wunderbare und possierliche Gesellschafft / derer gleichen Jch die zeit meines Lebens nicht gesehen.

TEUTSCHLAND. Was sind es denn vor Kreaturen? Sie werden dennoch den Menschen ähnlich sehen?[61]

HOFEMEISTER. Ja Gnädigste Königinn / es sind zwahr Menschen / aber sehr seltzame Ebentheurer dabey. Sie haben einen Geleitsmann oder Führer / dem ist sein Haubt mit einer Sturmhauben / woran Flügel / bedekket / auch hat Er geflügelte Füsse und führet einen Skepter in der Hand mit zweien Schlangen umwunden.

TEUTSCHLAND. Oho / daß wird etwann der Heiden Poetischer Merkurius seyn / welchen die Mahler in einem solchen Habit pflegen abzubilden! Aber / sagt mir / wovor geben sich denn die andere aus?

HOFEMEISTER. Gnädigste Frau / itzgedachter Jhr Führer oder Geleitsmann / saget außtrüklich / daß sie alte Teutsche Helden / ja berühmte Könige und Fürsten sind; Jch aber dörffte sie viel ehender vor alte Henker ansehn / denn sie grosse breite Schwehrter führen und wunderseltzahm bekleidet einher gehen. Jn Summa / Jch weis mich in diese Leute gahr nicht zu schikken.

TEUTSCHLAND. Sie mügen seyn wer sie wollen / uns wil gebühren / selbige dennoch ansehnlich empfangen zu lassen auch Jhnen gnädigste audientz zu verstatten / Derowegen Herr Hofemeister / nehmet meinen Kammer-Junkeren zu Euch / gehet also bald hin und empfanget diese neue Gäste geziemender mahssen und führet sie zu uns herauf? / denn wir Jhr anbringen selber anhören wollen.

HOFEMEISTER. Gnädigste Königinn / E[wer] Majestät Gnädigstem Befehl sol unterthänigstes fleisses von uns nachgelebet werden. Er gehet ab nebenst dem Kammer Junkeren / unterdessen raunet die Wollust der Königinn etwas in ein Ohr.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 56-62.
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