Der dritter Auffzug.

[99] Monsieur Gaston, Don Anthonio, Signoro Bartholomeo, Herr Karl.


MONSIEUR GASTON. Was dünket eüch ihr Herren / haben wir das Spiel nicht ahrtig angefangen?

DON ANTHONIO. Fürwahr Monsieur Gaston, es hätte kein besser Anschlag können erdacht werden. So recht! So muß man Teutschland in den Schlaff sauffen / denn sonst ist es schwehrlich zu zähmen.

SIGNORO BARTHOLOMEO. Wahrlich Jhr Herren / daß war sehr klüglich bedacht / daß Jhr den Spanischen und Französischen Wein unter dem Bankette liesset auff die Taffel bringen / denn wir alle wissen mehr denn zu wol / daß Teutschland gerne säuffet.

MONSIEUR GASTON. Ja wol Signoro Bartholomeo, der Wein wolte es allein nicht außgemachet haben / wenn Er nicht mit anderen Sachen wäre vermischet und künstlich zugerichtet gewesen.

SIGNORO BARTHOLOMEO. Dieses weiß Jch vorhin wol / denn es war ja unsere Abrede / ehe wir noch bey dem Königlichen Hofe anlangeten / daß alles / was wir Teutschland wollen præsentiren / mit solchen Sachen solte zugerichtet seyn / welche den Schlaff hefftig befoderen / und sind die Händschuh / welche Jch Jhr zum letsten geschenket / mit einem sonderbaren Italiänischen Schlaffbalsahm præpariret / dessen blosser Geruch den Menschen gantz fast machet einschlaffen.[100]

HERR KARL. Und mein grosser Ziegenkäse ist durch und durch mit dem Opio vermischet / welcher Safft eben diese Würkung hat.

DON ANTHONIO. Und mein Spanischer Wein war mit dem Laudano angelico vermenget / welches auch redlich machet schlaffen.

MONSIEUR GASTON. Und in meinen Vin Francois hatte Jch die Essentiam Croci geschüttet / haben also gahr nicht zuzweiffelen / daß Teutschland nunmehr auff das allerhärteste schlaffe / worauff denn unser etliche schon manches Jahr mit fleiß haben gelauret / denn / so lange Teutschland wachet und Jhr das Haubt richtig stehet / Jhre sämtliche Glieder auch noch frisch und unter einander friedlich sind / so hält man es vor unmüglich / daß es könte bezwungen werden; Nun wir aber den Handel so weit gebracht haben / daß Teutschland schläfft / und diese Schlaafsucht so wol das Haupt / als alle Glieder wird unruhig und verwirret machen / nun / hoffe Jch / sol es nicht fehlen / daß wir sie unter das Joch bringen / insonderheit / wo wir dieses falles untereinder einig sind / und in diesem hochwichtigen Handel bei Leibe nicht von einander setzen; Solte sich aber nur einer unter uns nur dieses so grossen Werkes â part unterfangen / wie der Don Anthonio etwann vermeinete / daß es Jhme angehen müste / würde Er fürwahr weiniger denn nichtes außrichten.

SIGNORO BARTHOLOMEO. Jhr saget die Wahrheit Monsieur Gaston: Aber Jhr Herren und Brüder / ein jeder gebe nun guten Raht / wie wir es ferner mit Teutschland angreiffen?

DON ANTONIO. Einmahl ists gewiß / daß Teutschland schläfft und zwar über alle mahssen fast. Nun wisset Jhr Herren[101] sämtlich / zu was ende wir anhero kommen sind / daß wir nemlich daß reiche / mächtige und prächtige Teutschland wegen seiner grossen Üppigkeit / stoltzes / hochmuht / unmässigen Lebens / unerhörten Leichtfertigkeit und tausend anderer Laster nach dem Willen des Allerhöhesten straffen / plünderen / berauben / zerreissen und schließlich um alle Jhre zeitliche Wolfahrt bringen mügen. Begehren wir nun Jhres grossen Reichthums zuer ergetz- und belohnung unserer vielfältig angewendeten Mühe und Arbeit hinwieder theilhafft zu werden / so wil Jch treulich gerahten haben / daß wir uns alsobald über sie her machen / und in diesem harten Schlaffe erwürgen / alsdenn können wir unseres Wunsches stündlich gewehret werden.

MONSIEUR GASTON. Don Anthonio, dieser Raht gefält mir gahr nicht / mein guhtdünken wäre / daß wir sie im Schlaffe gefangen nemen und Jhr eiserne Feßlen und Ketten anlegten / denn auff diese weise könten wir sehr wunderbahre Geheimnissen aus Jhr bringen und vielleicht daß jenige erfahren / welches uns nach Jhrem Untergange nimmermehr würde kund gethan werden.

SIGNORO BARTHOLOMEO. Dieses wird schwerlich angehen / wisset Jhr nicht / was Teutschland vor eine unglaubliche Macht und Stärke hat? Wer wil sich unterstehen Teutschland anzugreiffen? Wer wil Jhr die Ketten anlegen? Wer wil sich erkühnen dieser so mächtigen Königinn das Leben zu nehmen? Wir zwahr sind alle viel zu schwach und weinig / eine solche wichtige Impressa vorzunehmen und glüklich zu vollenden. Dieses aber hielte Jch vor das beste / daß wir / wenn sie außgeschlaffen / auffs neue mit Jhr Mahlzeit hielten / und Jhr alsdenn in einem Trünklein Wein einen starken Gifft beibrächten / welchen zuzurichten meine benachbahrte Welsche Landesleute trefflich geschikket[102] sind / von welchen Jch auch noch ein guhtes stüklein habe gelernet.

HERR KAREL. Alle diese Vorschläge gefallen mir durchaus nicht / denn / was würde uns damit geholffen seyn / wenn wir Teutschland um das Leben brächten? Wenn Teutschland tod ist / saget an / was werden wir vor nutzen davon haben? So lange es aber lebet / können wir Jhrer Gühter trefflich gemessen. Jhr selber habet zuvor aus Jhrem eigenen Munde verstanden / wie freigebig sie sich gegen uns allen wolle erzeigen. Zu deme / so würde der an Jhr begangner Mord wahrlich nicht ungerochen bleiben. Das man Teutschland in gefängliche Hafft brächte / wäre zwahr wol etwas / Jch frage aber nochmahls mit dem Signoro Bartholomeo, wer doch so behertzt seyn und einer solchen grossen Königinn Fesseln und Ketten anzulegen keine scheu tragenwolle? Jst demnach meiner Meinung zu folge dieser der allersicherste Weg / daß wir uns zu dem unüberwindlichem Schutzherren und Führer aller Kriege dem tapferen Mars verfügen / Jhme unser Vorhaben zu verstehende geben und endlich dahin vermügen / daß Er mit seinen Waffen und unserer Hülffe das trotzige Teutschland / es schlaffe oder wache plötzlich überfalle / und mit dem Schwehrt bezwinge / alsdenn kan uns kein Mensch einiger Untreu beschuldigen / vielmehr wird die gantze Welt unsere hertzhaffte Resolution höchlich preisen / daß wir / eine so mächtige Königinn zubestreiten die Waffen in die Hand genommen / und durch dieselbe als unerschrokne männliche Rittersleute nicht nur uns / besonderen auch allen unseren Nachkömlingen nebenst grossen Reichthum und Gühteren auch einen ewigen Namen / (welcher von den tapfersten Helden der Welt über alles wird gesuchet) haben erworben und zu wege bracht.[103]

DON ANTHONIO. Per Dio santo, das ist ein über alle mahssen guhter und nützlicher Raht; Eines aber hätte Jch schier vergessen / daß wir nemlich vor allen Dingen erstlich dahin trachten / daß wir Teutschland die güldene Kette / in welcher sie ein schönes Kleinoht mit edlen Steinen versetzet / träget / welches Kleinoht die Gelahrten CONCORDIA heissen und daß sie gantz unüberwindlich sol machen / vom Halse reissen / den so bald nur solches geschehen / wird es gahr leicht seyn sie zu bezwingen.

SIGNORO BARTHOLOMEO. Eben dieser Meinung bin auch Jch / das Kleinoht muß Jhr entzogen werden / wenn wir denn nur den Mars werden zuem Helffer haben / wird es uns nicht schwehr fallen Teutschland zu übermeisteren.

MONSIEUR GASTON. Jhr redet wahrlich recht Signoro is Bartholomeo, Mars kan uns Teutschland leicht helffen überwinden / insonderheit da sie nun in einem so tieffen Schlaffe sitzet / zu deme auch wir des Mars so außerkohrne guhte Freunde sind / Aber wir müssen eilen / denn Eilfertigkeit per Dieu das beste thun muß bei der Sachen.

HERR KARL. So recht Jhr Herren / es wil dieses Werck keinen Verzug leiden / Mars sitzet schon hiebei im Quartier zuer negsten Wand / wir dörffen Jhn nicht weit suchen. Drum auff / auff / daß wir nur bald eins mit Jhm werden / was gilts / das prächtige Teutschland sol uns alsdenn bald zuem Raube und wolverdienten Beute werden.


Sie gehen alle ab.

Also bald darnach / wen die Kavallier sind hinweg gangen / muß einer mit etwas närrisch gemachten Kleideren / als einem Spanischen[104] Wamse /Französischen Hosen / Polnischen oder Krabatischen Mützen und anderen dergleichen fremden Trachten angethan / herfürtreten / seltsam Geberde führen und folgendes Lied mit einem hönischen und offtverenderten Gesichte / bald als ein ernsthaffter Spanier / bald als ein leichtsinniger Franzose / bald als ein schmeichelhafter Italianer und so fohrtan / nach dem eß der Jnnhalt gibt / fein langsahm singen und eine Spanische Kitarra oder Laute entweder selber dazu schlagen oder von einem anderen darinn spielen lassen / jedoch also /daß die wöhrter fein deütlich gesungen und von denen Zuhörern wol verstanden werden.
[105]

Teütschland wird sehr beklaget

von wegen des grossen Unglükkes /

welches Jhme die Bewirhtung und gahr zu freundliche

Gemeinschafft mit denen fremden

Völkern wird veruhrsachen.

1.

Teütschland hat zu seinem Schaden

(O der grossen Raserei!)

Fremde Völker inngeladen

Daß es ja bald dienstbahr sei /

Fremde Völker / welche leider

Bringen nichts alß fremde Kleider.

Fremde Sprachen / fremdes Geld /

Diß verdirbt die gantze Welt.


2.

Teütschland lustert Wein zutrinken

Den Maderen Jnsul bringt /

Teütschland will mit Spanien hinken

Wen Kitarra singt und klingt /

Teütschland will Sich mit Grandetzen

Spanien an die seite setzen /

Jst auch dessen hertzlich froh

Mit dem Don Anthonio.


3.

Teütschland will Couranten machen

Wie man sonst in Frankreich thut

Monsieur Gaston weiß die Sachen

Anzugehn mit schlauem Muht

Er läst unser Teütschland sauffen

Rohten Wein den es muß kauffen

Vor Jhr Blüht / daß heist wol recht:

Teütschland hat Sich selbst verzecht.
[108]

4.

Teütschland will die Hände zieren /

Jhr gefält der neue Pracht /

Teütschland die will Händschuh führen

Die der Welsch hat hergebracht /

Wol gewelscht! Diß weiche Leder

Jst ein Gifft vor dein Geäder /

Dieses Teütschland / samt den Wein

Wird dein Weg zuer Armuht sein.


5.

Teütschland hat den Schmak verlohren

Jhr gefält noch Wein noch Bier /

Hat deßwegen außerkohren

Alten Käse mit begier /

Käse der den Durst erwekket /

Käse da der Wein auff schmekket /

Doch bezahlt der Teütsche Schlund

Tausend Krohnen vor ein Pfund.


6.

Teütschland ist nun wol tractiret

Durch der Fremden höfligkeit

Welch' Jhr haben außgeführet

Einen Schmauß bei dieser Zeit /

Dessen wehrt nicht ist zu schätzen /

Dieses / mein' Jch / heist ergetzen

Selber Sich und seine Gäst' /

Es ist hin biß auff den Rest.


7.

Teütschland muß den Wirth bezahlen

Und den Gästen dienstbahr sein /

Welche bei der Wirtschafft prahlen

Und noch tapfer schenken ein /[109]

Alles doch ohn' Jhren Schaden /

Daß heist frische Gäste laden /

Daß heist bei den Fremden stehn /

Teütschland du must bettlen gehn.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 99-106,108-110.
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