Der fünffte Auffzug.

[116] Mars / Teutschland / Don Anthonio, Monsieur Gaston, Signoro Bartholomeo, Herr Karel.


MARS. Erfreüe dich itz / du mein bluthlekkendes Schwehrt und jauchtze mit mir von Hertzen du Zerfleischerinn der allertapfersten Helden / denn nunmehr sol dein grosser Hunger und appetit, welchen du nach Menschen Fleische trägest / bald gestillet werden. Keine angenehmere Zeitung kan mir von einigem Menschen der Welt gebracht werden / als wenn Jch gantze Königreiche und Länder durch die Schärffe meines Degens sol bezwingen / denn dieses ist die höheste Ergetzligkeit meines bluhtsuchenden Lebens. Wollet Jhr noch ein mehreres von mir wissen? Jch wolte Euch gern dasselbe berichten / wenn mein grimmiger Zorn mir nur so viel Zeit und weile wolte vergönnen.[116] Und was ist es wol nöhtig / daß Jch so viele Wohrte oder dicentes von meiner Tapferkeit mache? Es ist ja ohne daß dieser gantzen Welt wissend / daß Jch meinen Magen ersättige mit dem Fleische und Gedärme der allertapfersten Soldaten / meinen Durst lösche Jch mit deroselben hitzigern Blute / meine Wollust suche Jch im Feür und Rauch / meine Musik lasse Jch mir auffmachen mit Feürmörsern / Feldschlangen / Kartaunen und Mußquetten: Mein Bette ist von lauter Kuglen / Schrot / Schwefel und Salpeter zugerichtet / und mein rechtes Leben ist / nur alles das / was das Leben hat / zu erwürgen. Teutschland erwachet endlich über diesem Tumult / wischet den Schlaff aus den Augen / stehet auff von Jhrem Stuhle und fähet folgender gestalt an zu reden.

TEUTSCHLAND. Was ist doch vor ein greulicher Lermen und Tumult in diesem meinem Königlichen Schlosse mit schiessen / trumlen / blasen und schreien? Wer mag doch dieses Wesen wol haben angefangen? Aber schau! Was habe Jch dort vor einen Gast bekommen? Jst es nicht der Mars / welchen die Heiden pflagen einen Gott des Krieges zu nennen? Ja wahrlich / eben derselbe ist es: Was mag der wol vor Händel vorhaben? Glük zu Mars / wo körnst du bei dieser Zeit her? Dich habe Jch in vielen Jahren nicht gesehen.

MARS. Es ist mir leid genug Teutschland / daß du den Krieg so lange Zeit nicht gesehen hast / Jch komme itz meinen Tribut einzufoderen.

TEUTSCHLAND. Tribut? Von weme weitest du Tribut föderen?

MARS. Von dir Teutschland / fragst du noch?

TEUTSCHLAND. Von mir? Bin Jch dir etwas schuldig? Das ist ja fürwahr zumahlen lächerlich![117]

MARS. Das ist mir trauen nicht lächerlich / du must mir einmahl die Zinsen mit der Haubt-Summa bezahlen.

TEUTSCHLAND. Mars / Jch rahte dir / daß du dein vermessenes Maul haltest / oder Jch werde dich übel lassen anlauffen.

MARS. Was sagest du übermühtiges Weib? Trotzest du noch viel? Jch will / daß du dich mir alsofohrt gefangen gebest.

TEUTSCHLAND. Ha! Solte Jch deine Gefangene seyn / Ja Jch sage Jch / welche mit Jhrer Tapferkeit und Waffen der gantzen Welt bißhero ein Schrekken gewesen / solte Jch mich dir ergeben? Dir meinem Vasallen? Dir meinem Schlaven? Pfui dich an!

MARS. Harre nur ein weinig / Jch wil dir den Hochmuht bald verbieten / Jch wil dich lehren was Vasallen und Schlaven sind.


Er wil mit gewalt Hand an sie legen / Teutschland springet frich und unerschrokken auff jhn zu /reisset Jhm den Degen auß der Hand und wirfft denselben hinter sich zu rükke auff die Erden.


TEUTSCHLAND. Wie gefält dir dieser Streich Herr Struntzer? Hast du dich nicht tapfer gewehret? O du Närrischer Mars / bildet du dir wol ein / daß man Teutschland so leicht könne bezwingen? Weit gefehlt!

MARS. Ach! Was hat mir dieses verfluchte Weib in dieser Stunde vor einen überaus grossen Schimpff angethan? Jch schwere dir bei dieser meiner Rüstung / daß Jch denselben nimmermehr wil ungerochen lassen: Soltest du so kühn seyn und mir mein Siegreiches Schwehrt / das so manchen tapferen Held / ja gantze Königreiche und Länder hat bezwungen /[118] aus den Händen reissen? Aber / wahrte nur ein weinig / du must mir besser dran / was gilts Jch wil dir härter auff die Haut greiffen. Er gehet abermahl frisch auff sie zu.

TEUTSCHLAND. Ja / komme nur du verrähterischer Bluhthund / Jch bin vor dir gantz unerschrokken / nun solst du erstlich fühlen / was das unüberwindliche Teutschland vor Kräffte hat / Sa / sa / nur immer frisch heran.


Sie fallen einander in die Arme / fahen an tapfer zu ringen / endlich aber wirfft Teutschland den Mars unter sich / gibt Jhme rechtschaffene Stösse und tritt Jhn mit Fassen / Mars fähet an aus vollem Halse zu schreien.


MARS. O helffet! Mordio! Rettet / dieses grimmige Weib wil mich ermorden. Ach kommet mir zu hülffe ümme GOTTES Willen / Ehe mich diese Teuffelinn auff kleine stükken reisset. Ach helffet! helffet! helffet!


Hie höret man wieder Tromlen und Trompeten schallen / es geschehen auch hinter dem Schauplätze etliche Schüsse / immittelst springen aus vier Ohrteren die vier Kavallier als Don Anthonio, Monsieur Gaston, Signoro Bartholomeo und Herr Karel hervor. Diese kommen den Mars zu hülffe / reissen Teutschland von Jhme hinweg / daß Er wieder kan auffstehen / sie halten Teutschland unter sich / Mars schläget sie mit Fäusten darauff schreiet.


TEUTSCHLAND. Thut gemach Jhr Herren / was habe Jch mit Euch zu schaffen? Man thue mir doch keinen Gewalt und überfalle mich doch nicht so gahr ungewarnter Sache / sol Jch mit Jhnen kämpfen / so fangen sie es teutsch und auffrichtig mit mir an / Jch will Jhnen allen mit einander redlich Fuß halten.

DON ANTHONIO stosset sie zurükke und spricht. Ja / Ja Jch wil mit dir kämpfen / daß dir der Halß krachen sol / Jch wil dir meinen Spanischen Wein gesegnen du verfluchte Plaudermetze.[119]

MONSIEUR GASTON gibt Jhr auch einen Stoß. Und Jch meinen Vin Francois.

HERR KAREL. Und Jch meinen alten Ziegenkäse.

SIGNORO BARTHOLOMEO. Und mir solt du die perfumirte Händschen bezahlen. Sie geben Jhr alle Ohrfeigen / Teutschland aber komt wiedrum auff springet zurükke und spricht.

TEUTSCHLAND. Ha ihr Kavallier / wird mir meine Guhtwilligkeit dergestalt belohnet? Gedenket man auff eine solche weise mit mir umzuspringen? Wolan / so harret nur ein weinig / Jch muß mich wahrlich noch etwas besser mit Euch tumlen.


Sie gehet wiedrum frisch auff sie zu / wehret sich gegen alle fünfe mit einer grossen Hertzhafftigkeit /also / daß sie auch allesamt weichen müssen / biß endlich Don Anthonio seinen Vortheil ersiehet und im sprunge Jhr die Kette / in welcher das Kleinoht Concordia hänget / vom Halse reisset / das halt Er mit freüden in die höhe und spricht.


DON ANTHONIO. Nun frisch daran Jhr Brüder / Jch habe das Kleinoht Concordia schon hinweg / welches Teutschland bißanhero unüberwindlich hat gemachet / was gilts / wir wollen sie nun augenbliklich bezwingen?

MARS. Lustig wieder daran Jhr Herren / beraubet und plündert dieses hochmühtige Weib / Jch wil Euch helffen als ein ehrlicher Cavallier.


Sie fallen sie alle zugleich an: Einer greiffet Jhr nach der Krohn / kan sie aber doch nicht gahr herunter bringen / der ander bricht Jhr ein stüklein vom Skepter / der dritte reisset Jhr den Flor

hinweg / der vierte den Oberrok und was sie sonst nur können davon bringen. Teutschland schreietz wahr sehr üm Hülffe / aber vergeblich: Endlich spricht.
[120]

MARS. Haltet ein Jhr Herren / lasset uns nur dieses wiederwertige Weib in mein Quartier hinein schleppen und Jhr daselbst vollends alles daßjenige / was sie noch übrign an Jhrem gantzen Leibe hat / abnehmen. Jch wil Euch Herren allen diesen Raub schenken / dieweil Jch ohne das reich genug bin / aber den Schimpff / welchen mir dieses auffrührische Weib hat erwiesen / in deme sie sich meiner unüberwindlichen Macht hat wiedersetzen dörffen / wil Jch / so lange ein lebendiger Bluhtestropfen bei meinem Hertzen ist / auff das allergrausahmlichste an Jhr zu rechen wissen. Jch wil sie zwahr nicht tödten / sonderen zu ihrem Elende und stetswehrenden Plage immer hin leben lassen und sie ohne auffhören / quählen / peinigen und marteren / wozu Jhr redliche Cavallier mir zweifels ohn getreulich werdet verhelffen.

TEUTSCHLAND. O Mars / handle doch nicht so gahr unchristlich und tyrannisch mit mir / bedenke doch nur einmal / was Teutschland vor eine mächtige und gewaltige Königinn ist.

MARS. Was Königinn? Was mächtig / was gewaltig? Du bist ein verfluchtes Weib. Kanst du nun bessere Wohrte geben Teutschland? Wahrte nur ein weinig / Jch wil dich bald andere mores lehren. Schleppet sie nur immer hinein Jhr Cavallier / sie sol drinnen etwas härter von uns allen getribuliret werden.


Sie greiffen sie alle vier gantz ungestühmlich an und schleppen sie mit gewalt hinein / Mars stosset binden nach mit schelten und fluchen / wird also Teutschland unter dem Schalle und Gethön der Tromlen des blasens und schiessens hinein geführet.

[121] So bald nun Teutschland durch den Mars und desselben Spießbrüdere gewalthätiger weise mit schelten stossen und schlagen ist hinein geschleppet / muß alsobald darauf eine gahr klägliche Musik werden angefangen und ein weinig hernach müssen gantz unversehner weise zwo Weiber in langen Klag-kleideren herfür wischen /und nachgesetztes Lied mit sehr traurigen Geberden / allezeit einen Verß üm den anderen singen / jedoch daß von anderen verborgener weise dazu gespielet werde. Wen nun dieses Lied vollendet so müssen diese beide Klag-Weiber auch plötzlich wieder davon gehen und die verborgene Musikanten diese andere Handlung vollends beschliessen und zuem Ende bringen.
[122]

Erbärmliches Klag-Lied

Uber den jämmerlichen zustand des beraubten /

geschmäheten / verstrikten und

geschlagenen Teütschlandes.

1.

Hjmmel / weine bitterlich /

Laß Kometen an dir sehen /

Weil nun fast den letsten Stich

Unser Teutschland sol außstehen /[123]

Teütschland / daß Guht / Ehr' und Leben

Fremden muß zur Beüt' hingeben!


2.

O Jhr Wolken / öffnet Euch /

Lauter Trähnen zu vergiessen /

Trennet Eüch und last zugleich

Feürigs Wasser von Euch fliessen /

Liebe Sonn' hör auff zu prangen /

Teütschland / Teütschland ist gefangen.


3.

O Jhr leichten Federthier' /

Haltet inn mit Lust zu singen /

Besser / daß man für und für

Lass' ein traurigs Lied erklingen /

Teutschland ist vor weinig Stunden

(O deß Jammers!) hart gebunden.


4.

O Jhr Fisch in tieffen Meer /

Schauet doch auß Eüren Quellen /

Schauet Teütschland / das so schwehr

Mars gefallen / es zu feilen /

Teütschland / das sich nicht ließ pochen /

Jst zuem Kreütz' izt fast gekrochen.


5.

O du wild und zahmes Vieh' /

Eile Teütschland zubeklagen /

Schaue mit waß Grimm' und Müh'

Jhre Würger auff Sie schlagen /[124]

Wie Sie gleich mit Grimm und beissen

Jhr den Rok vom Leibe reissen.


6.

O Jhr Teütsche / geht herbei /

Klaget Eürer Mutter Schaden /

Machet bald ein Mordgeschrei:

Teütschland muß im Blühte baden /

Teütschland / die Sich frisch gewehret /

Als man ihren Tod begehret.


7.

Jst das Kleinoht nicht mehr da?

Nein / es ist hinweg genommen /

Himlische CONCORDIA

Wirst du niemahls wiederkommen?

Weh' uns / daß wir dich vermissen!

Ach / wer hat den Band zerrissen?


8.

Teütschland ist gezogen aus /

Teütschland muß Jhr Kleid entbehren /

Feinde / welch' Jhr Hoff und Hauß

Ja Jhr Guht und Blüht begehren /

Halten Sie so hart verstrikket /

Daß Sie schier vor Angst erstikket.


9.

Unterdessen bleibet doch

Jhre Krohn' unabgerissen /

Und ob gleich die Feinde noch

Jn die Schultern Sie gebissen /

Wird Sie dennoch Sich erheben

Ja fast sterbend wiedrum leben.
[125]

10.

Teütschland / Teütschland tröste dich /

Gott wird dir zuer selten stehen /

Beht' und streite ritterlich /

Denn wird man mit Freuden sehen /

Dich die Feind' hinwieder binden

Und gantz Siegreich überwinden.


Ende der Anderen Handelung des Friedewünschenden Teütschlandes.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 116-126.
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