Der erster Auffzug.

[156] Teutschland.

Teutschland gehet auff in der Gestalt eines armen elenden Bettelweibes / mit alten zerrissenen Lumpen bekleidet / sie steuret sich an einem Stekken / träget einen Bettelsak am Halse fähet an mit sehr kläglicher Stimme folgender gestalt zu reden.


O Wehe und aber wehe mir armen unglükseligem Weibe! Jst auch ein Schmertz unter dem Himmel / der meinem Schmertzen zu vergleichen? Jst auch einiger Jammer / ist einiges Unglük unter der Sonnen / das so schwehr wieget als das meinige? Jst auch wol ein Elend so groß / daß von dem meinigen nicht weit wird übertroffen? Ach! Ach! Jch is bin das allergeplagteste / das zerrissene / das beraubte / das geplünderte / das verbrante / das außgemergelte / das biß auff den Grund verderbte Teutschland! O wehe mir armseligen Weibe! Jch war biß an die Sterne erhoben / nunmehr aber bin Jch schier biß in die unterste Hölle gestürtzet: Jch war die aller großmächtigste Königin der gantzen Welt / nunmehr aber bin Jch zu einer Schlavinnen ja zuer elendesten Bettlerinnen worden: Jch hatte Reichthum die Fülle / nun bin Jch fast gantz und gahr außgelähret und in die eusserste Armuht versetzet. Jch war mit einer solchen unvergleichlichen Schönheit begäbet / daß sich alle Welt an mir vergaffete / nunmehr aber bin Jch so heßlich und abscheülich[156] geworden / daß auch die geringste auff Erden / ja meine eigne Kinder einen Greuel und Ekkel an mir haben. Meine Glükseligkeit war durch alle Theile der gantzen Welt berühret / nun ist kein Winkel mehr zu finden / da man nicht von meinem Elende und überaus grossen Unglükseligkeit weiß zu singen und zu sagen. Ach! wie habe Jch bei mir selber doch so gar thöricht gehandelt! Wie übel habe Jch gethan / daß Jch derjenigen Freundschafft gesuchet / welche mich aller meiner zeitlichen Wolfahrt so grausahmlich haben beraubet! Ach / wie grimmig und hart haben mir die vier fremde Kavallier / welche Jch doch bester mahssen bewihrtet und tractieret / in kurtzer Zeit mit rauffen und schlagen zugesetzet / sonderlich nach deme sie sich mit dem erschröklichem Bluhthunde dem Mars in vertrauliche Bündnisse eingelassen! Jch meine Ja / sie haben mir is alle genossene Freundschafft bezahlet / so gahr / daß sie mir auch keinen einzigen gantzen Rok / ja kaum das Hembd am Leibe übrig gelassen! Ach / wie bin Jch von Jhnen geschlagen / verwundet / zerprügelt / mit Füssen getreten und schier aller meiener Gühter beraubet! Ja /der grausamer Mars ist nicht damit ersättiget gewesen / daß Er so Unmenschlich mit mir elendem Weibe ümgesprungen und durch die vier fremde Kavallier biß auff den Tod zermarteren / schlagen / plagen und berauben lassen; Nein Er muste mich armselige Königinn (Ach ja gewesene Königinn!) in noch mehr und grösser Elend und Unglük stürtzen: Denn / nach deme Er mich lange genug hat gequählet / siehe / da sind noch zwene Weibesbilder (welche sich vor des Mars Schwesteren außgeben / auch von Jhme und anderen vor solche gehalten werden / derer Eine Frau so Pest / die Andere Frau Hunger wird genennet) dazu kommen: Was nun diese beide Weiber mir armen / kranken[157] und verwundetem Teutschlande vor ein Elend haben zugerichtet / solches ist meiner schwachen Zungen außzureden unmöglich. Und welcher Redner kan gnugsahm erzählen was Jch armes Teutschland nicht nur vom Kriege / sondern auch von Hunger und Pest habe außgestanden und erlitten? Diese beide nun folgen dem Mars Jhrem Bruder auff dem Fuesse nach und muß Jch Unglükselige mich befahren / ob zwahr nicht viel mehr als ein weinig Odem in mir übrig ist /daß doch der grausahmer Mars nebenst obgedachten seienen beiden Schwesteren dennoch nicht ablassen werden mich ferner zu marteren und zu plagen. Ach! Ach! Wenn Jch mich meiner vorigen Herrligkeit ein weinig nur erinnere / möchte mir ja das Hertz im Leibe vor grossem Leide zerspringen. Ach! wie war Jch eine so glükselige / reiche und mächtige Königinn! Jhr / Jhr / die Jhr mich in meiner vorigen Glükseligkeit habet gesehen und gekennet / Jhr / Jhr könnet mir dessen überflüssige Zeugnisse geben: Alle Welt liebete mich / alle Welt ehrete mich / alle Welt fürchtete mich / Armuht und Dienstbarkeit war viel weiter von mir als der Himmel und der Erden ist / Aber! Hie wird aber mahl getrummelt / geblasen und geschossen / Mars gehet gantz prächtig auff / Jhme folgen seine beide Schwesteren Hunger und Pest / der Hunger ist mit einem langen schwartzen / die Pest aber mit einem biß auff die Füsse hängendem weissen Tuche bedekket / hinter diesen dreien gehet der Tod mit seiner Sensen / Teutschland erschrikt hefftig hierüber und schreiet mit lauter Stimme. O Jhr Berge fallet über mich! O Jhr Hügel bedekket mich! O wehe / wehe / weh!


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 156-158.
Lizenz:
Kategorien: