Scena V.

[151] Philippus.

Der König gehet auff mit seinen Trabanten vnd dieneren / mit jhme der Printz Perseus, Antigonus, Didas, hernach kommen Demetrius vnd Poris, vnd wird in deme sie aufftreten in der Scena die Trommel gerührt vnd geblasen.


PHILIPPUS setzet sich benebenst den anderen in seinen Thron. Nun wolan jhr meine liebe getrewe / ich bin hertzlich erfrewet / daß mirs alles so wol nach meines Hertzen Wunsch vnd Willen ergehet / in deme das Volck so heuffig zuleufft / vnd ich eine so gewaltige Heeresmacht von den tapffersten Soldaten bey einander bringe / durch welche ich meine Feinde gar leichtlich zu überwältigen mir gentzlich getrawe.

PERSEUS. Ja warlich großmechtigster Herr Vater / es ist eine treffliche menge Volckes bey einander / vnd zwahr dasselbe statlich gerüstet / auch fleissig vnd wol geübet / daß auch nur in Beschauwunge desselben / mein Hertz gleichsam vor Frewden springet / wünsche auch nichtes so sehr / alß daß diese Stunde eben die sein solte / in welcher wir vnsere Feinde angreiffen / schlagen vnd verjagen solten.

ANTIGONUS. Großmechtigster König / geliebter Herr Vetter / betreffent das mechtige Kriegesvolck so sich noch alle Tage mit hauffen vermehret / vnd mit gantzen Troupen der Armee zuziehet / so ist zwar nicht ohne / das dasselbe ein außerlesenes / zierlich gerüstetes / auch wol geübtes Volck ist / wenn wir aber den Nutzen / so das Reich Macedonien von solchem Volcke zu gewarten hat / recht anschauwen vnd betrachten / wird warlich die Frewde (so wir deßwegen zu[152] haben vermeinen) gar schlecht vnd geringe seyn / in betrachtung / diese Heeresmacht / ja so leicht zum eussersten Verderben vnd Verwüstunge des gantzen Königreiches / alß zu desselben Schütze / vnnd Auffnehmen / möchte gereichen / welches / wenn es von nöthen mit Exemplen leicht zuerweisen wehre.

PHILIPPUS. Wie denn Herr Vetter? Woher entstehen solche frembde Gedancken / vnd warumb solten wir vns jeniger Gefahr zubefürchten haben / angesehen / gedachte Soldatesca nunmehr vnter vnserem / vnserer Generalen, Colonellen vnnd anderer hohen Officierer Commando ist / vnd deßwegen gar leicht im Zaume mag gehalten werden?

ANTIGONUS. Großmechtigster König / ob zwar niemand kan leugnen / daß dieses gewaltige Kriegesvolck durch sonderbahre authoritet, auch gestrenges Regiment wolbestalter Obristen vnnd Hauptleute sehr leicht in gute Ordre mag gebracht werden; so haben wir gleichwol noch (der groben enormiteten so hin vnd wieder vnter so vielen vnterschiedlichen Nationen in den Guarnisonen passieren / zugeschweigen) viel ein mehrers hiebey zu bedencken / Denn gleich / wie gemeinlich der Anfang aller anderer / also auch dieses jetzigen bevorstehenden Krieges nicht so gahr schwer / das Ende aber desselben sehr mißlich vnd zweiffelhafft ist / daß wir vns also dagegen nicht so gar höchlich zu erfrewen haben.

PERSEUS. Großmechtigster König allergnädigster Herr Vater / ob wol mein Herr Vetter Antigonus vor diesesmahl in gegenwertigen Kriegesraht seine Meinung mit gahr dunckelen vnnd verblühmten Worten vorbringet / so lasse ich mich doch gleichwol bedüncken / daß ich seines Hertzen[153] Grundt gar leicht wolle errahten / vnd zwahr erachte ich / er habe zu diesem dem Macedonischen Königreiche so ehrlichen / nützlichen vnd rechtmessigem Kriege / eben so grosse Lust / alß mein Bruder Demetrius, dessen selbstgemachter Schluß dieser ist / es müssen bey fohrtsetzung dieses Krieges alle Macedonische Länder vnd Provincien gantz vnd gahr zu gründe gehen vnd ruiniret werden.

PHILIPPUS. Daß wehre mir warlich ein wunderseltzames Werck / ein solch Weibisches Schrecken vnd vngleibliche Forcht bey denen / die wir allezeit vor die tapfferste vnnd herrlichste Gemühter geachtet / zuverspühren / Demetrius vnd Poris tretten auff. niemahls Herr Vetter Antigone, hette ich E[wer] Liebe einer solchen Zaghafftigkeit beschuldigen dörffen: aber mein Sohn Demetrius mit dem Statthalter Poride, kompt selber zu vns / wir müssen vernehmen was doch deroselben Anbringen seyn möge.

DEMETRIUS. Großmechtigster König / allergnedigster Herr Vater / E[wer] Majestät kommen wir vnterthänigst erkennen zugeben / welcher Gestalt abermahl ein Regiment Achaischer Knechte vnter den Obristen Prusia ankommen / selbiger begehret von E[wer] Majestät Ordinantz / wohin er sich wenden / vnd an welchen Ohrt er den Compagnien jhre Quartier vertheilen sol.

PHILIPPUS. Was sagstu Demetri? Jst Prusias mit seinem Regiment auch vorhanden?

DEMETRIUS. Ja Großmächtigster König / allergnedigster Herr Vater / seine Trouppen sind gleich jtzo bey der grossen Wasserschantze ankommen.

PHILIPPUS. Nun / nun / daß gefeit mir wol / es ist die Armee nunmehr so starck / daß man mit der General Musterung lenger nicht zu warthen hat / derowegen / Herr Statthalter /[154] wil ich euch alse einen versuchten Kriegesmann gefraget haben / wie jhr vermeinet / daß gegenwertiger Krieg vernünfftig / recht vnd wol müsse angefangen / vnnd denn endtlich vnserem gantzen Königreiche zu sonderbahren Nutzen / vnd mercklichen Ersprießlichkeit / glücklich volführet werden.

PORIS. Großmechtigster König allergnedigster Herr / wenn dieser bevorstehender Krieg / mit vnseren alten vnd bekandten Feinden / alse den Athenienseren / Rhodiseren / vnnd anderen Griechischen Völckeren solte angefangen werden / alßdenn wehre gahr leicht vnsere Sachen also zu disponieren vnd anzustellen / daß wir semptlich Nutz / Ehr vnd Ruhm darvon zugewarthen hetten; Dieweil aber E[wer] Königliche Majestät / diesen Streit gegen daß aller streitbahrste Volck / nemblich der Römer vorzunemen bedacht ist / alß will hoch von nöhten sein / daß wir hierinnen einer sonderer Klugheit / Vorsichtigkeit vnd Tapfferkeit vns gebrauchen / denn einmahl ists gewiß / daß wir nicht mit Kinderen oder vnbedachtsahmen / faulen vnd verzagten Mennern / besonderen den allertapffersten / verstendigsten vnd vnbeweglichsten Helden der Welt werden zu streiten haben.

PERSEUS. Großmechtigster König / allergnedigster Herr Vater / ob mirs wohl vieleicht zu einer grossen Vnhöffligkeit möchte gerechnet werden / so ist mirs doch ohnmüglich mich lenger zuenthalten / der nichtigen Worten / deren der Herr Statthalter der Römer Lob weit über alle andere Nationen zu erhöhen sich gebrauchet / kürtzlich zu wiedersprechen. Genug wehr es / Herr Statthalter / daß die Römische Macht / bereith den gantzen Erdenkreiß hette bezwungen: Genug wehre es / daß sie bereits eine absolutam Monarchiam angerichtet / vnd also alle Völcker der Welt vnter sich gebracht hetten! Genug wehre es / daß sie niemals von anderen wehren geschlagen vnd überwunden worden.[155] Wer weiß nicht / wie die streitbahre Gallier, nicht allein die Römer / offt vnd vielmals erlegt / besondern auch endtlich so gahr zu den extremis gebracht / daß sie auch zu letzt / die Hauptstadt Rohm selber ritterlich erobert vnd eingenommen / vnd nach dehme sie alles hinweg geplündert / mit Fewr verbrandt vnd in die Aschen geleget. Wer weiß doch nicht / wie der berühmbter Obrister der Carthaginenser / der Hannibal die Römer auff das eusserste verfolget / deroselben Städte vnd Flecken / an der Zahl bey 400. gantz vnd gahr eingeäschert / in der gewaltigen Schlacht ad Cannas, 40000. streitbahrer Römer danieder geleget / ja innerhalb 17. Jahren jhrer mehr alse 300000. Mann erschlagen / daß auch vor solchen seinen Siegen / nicht allein die Römer / besonderen auch die Berge gleichsam sich erschüttert: Wer wolte denn noch sagen / daß dieses Volck gantz vnnd gahr nicht könne geschlagen noch überwunden werden.

DEMETRIUS. Großmechtigster König / allergnedigster Herr Vater / mit übergrosser Verwunderung / habe ich daß vnbedachtsahme Vorbringen meines Bruderen Persei vernommen / alß der sich daß allerstreitbahreste Volck der Welt nemlich die Römer gantz hönisch zuverachten / hat vnterstehen dörffen / da doch von jhnen das Gegenspiel genugsam kan dargethan vnd erwiesen werden. Es ist zwahr nicht ohn / daß sie in jhren Streiten vnnd Schlachten offtermahls grossen Schaden erlitten / je grösser aber vnd härter jemahlen jhre Niederlagen gewesen / je mehr jhnen das Hertze vnnd der Muht ist gewachsen / so / daß sie alßdenn erstlich recht angefangen haben / jhre / Mann vnd Tapfferkeit blicken zulassen / wenn jhnen das Glück den Rücken gekehret. Daß dieses wahr sey / bezeuget ja offenbahr das Exempel der Gallier oder Frantzosen / welche sie die Römer / in jhren grössesten Nöhten / alse jhre Feinde die Frantzosen triumphirten? vnd bereits lengest gewonnen Spiel hatten / vhrplötzlich[156] danieder gelegt / geschlagen vnnd gantz verjaget haben. Was wollen wir doch noch von Carthago sagen? Haben nicht die Römer den Hannibal / gahr auß Jtalia vertrieben / die mechtigste Stadt Carthaginem, ja gantz Africam vnter jhre Gewalt gebracht / welches sie auch noch biß auff den heutigen Tag besitzen? Was wollen wir sagen von dem mechtigen Königreiche Hispania, von der Jnsul Sardinia, von der Jnsul Corsica, von dem Königreiche Sicilia, welche gewaltige Länder vnd Provincien, sie bereit vorlengst bezwungen? Jn Summa / kein Landt / kein Fürstenthumb / kein Königreich ist jemahls gefunden / daß jhrer streitbahren Faust hat widerstehen mögen.

PHILIPPUS. Demetri, wenn du ein gebohrner Römer wehrest / hettestu meine Feinde nicht höher erheben noch rühmen können / alse du eben jetzo gethan hast / jedoch / alldieweil in diesem Kriegesraht einem jeden seine Meinunge zu eröffnen frey stehet / alse will ich dir solchen deinen Discours auch gerne zu gute halten / gleichwol / damit wir nichtes vnbedechtiges anfangen / wollen wir auch weiter vernemen / was doch andere in dieser so wichtigen Sachen rahten / zu dem Ende wir auch dir mein Hofemeister aufferlegen / du alß ein KriegesObrister / in dieser wichtigen Sachen auch deine Meinung frey herauß reden wollest.

DIDAS. Großmechtigster / vnüberwindtlichster König / allergnedigster Herr / demnach es E[wer] Majestät allergenedigst beliebet / auch meine Weinigkeit in diesem hochwichtigen Kriegesraht zuhören / alse erkenne ich mich so wol schuldig / alse willig / deroselben hierinnen zu gehorsahmen / könte zwahr anfengklich von vnseren Feinden den Römeren / jrem Glücke vnd Vnglück / Victorien vnd Niederlagen / Tugent vnd Lasteren etwas weitleufftiger discurrieren, wenn nicht dasselbe vor mir der Durchleuchtigste Printz Perseus zur genüge gethan hette. Daß die Römer grosse vnnd gewaltige Kriege geführet / selbiges kan mit nichten geleugnet werden / daß aber keine andere Nation, sonderlich daß berühmste[157] vnd tapfferste Volck der Macedonier mit jhnen (was Glück / Muht / Verstandt / Künheit vnd Hertzhafftigkeit betrifft) könte vergliechen werden / setze ich warlich in grossen Zweiffel / vnd wird der Außgang dieses nützlichen vnnd nohtwendigen Krieges gnugsam erweisen / daß auch Macedonia Leute habe / die den Römeren nicht das geringste bevor geben. Jch will hie nicht sagen / daz das Glück / welches jhnen nun eine geraume Zeit trefflich favorisiret hat / sehr wanckelbahr ist / vnd die jenige welche es plötzlich erhöhet / auch gering widerumb erniedrigen vnd in schneller Eil kan herunter stossen. Derowegen großmechtigster König / so bitte ich nun die vnsterbliche Götter / daß sie E[wer] Majestät Gemühte / Willen vnd Anschläge bekrefftigen / auch zu bevorstehendem Kriege / alle gedeiliche Prosperitet, Glück / Heil vnd Wolfahrt verleihen wollen.

PHILIPPUS. Nun wollan meine liebe Getrewe / demnach wir nun aller vnd eines jeden insonderheit eigentliche Meinung angehöret vnd vernommen / alß wil hochnötig seyn / solche auff das allerfleissigste zu ponderiren; Vnterdessen sol dieses vnser endtlicher Schluß seyn / daß die Generalheerschawung vnd Musterung dem Macedonischen gebrauche nach / morgendes Tages sol gehalten / vnd die gantze Kriegesmacht in zwey Theil / (dehren eins dem Printzen Perseo, das ander aber dem Demetrio vntergeben werden sol) abgetheilet / vnd also aneinander geführet werden / auff daß sie im Schertze / (der doch einem Ernste gleich sey) scharmutzieren / in allerhandt Gewehren sich üben / vnd zum Kempfen vnd Streiten sich gewehnen. Vnterdessen wollen wir vns zeitlich hinein verfügen / in allem gute Anordnung zu thun / damit es morgenden Tages an nothwendigen Sachen nicht fehlen möge.

Finis Actus primi.
[158]


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 151-159.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Vorschule der Ästhetik

Vorschule der Ästhetik

Jean Pauls - in der ihm eigenen Metaphorik verfasste - Poetologie widmet sich unter anderem seinen zwei Kernthemen, dem literarischen Humor und der Romantheorie. Der Autor betont den propädeutischen Charakter seines Textes, in dem er schreibt: »Wollte ich denn in der Vorschule etwas anderes sein als ein ästhetischer Vorschulmeister, welcher die Kunstjünger leidlich einübt und schulet für die eigentlichen Geschmacklehrer selber?«

418 Seiten, 19.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon