Scena VIII.

[269] Antigonus gahr allein mit einem Traurmantel /etwas hernach der König Philippus gleichfals mit Leidkleideren angetahn / jhm folget ein Knabe / die Königliche Krohne vnnd Scepter in seinen Händen tragendt. Etwas hernach Perseus, Didas, Lurco, Knapkäse / etliche Soldaten / alle zugleich.


ANTIGONUS. Ach wehe / wehe / über alles weh / daß ich die elende Zeit vnd den trawrigen Tag habe erleben müssen / an welchem die Krohne vnnd Zierde der gantzen Macedonischen Ritterschafft / eine Bluhme vnd Ornament aller Königlichen Printzen / der edelste Fürst Demetrius sein Vnschuldiges Blut vergiessen / vnd so erbärmlich diese Welt hat gesegnen müssen. O Elendes Macedonien / wie wird es nach diesem so einen trübseligen Zustandt mit dir gewinnen / wie werden nun deine Feinde triumphiren vnd frolocken / nach deme du dich selber eines so tapferen Ritters vnd gewaltigen Schutzherren hast beraubet? Ach vnsehliger König Philippe, wie bößlich hastu dich deinen Tyrannischen vnd Mördrischen Sohn Perseum verführen lassen / daz du eines so adelichen Printzen / deines eigenen Fleisches vnd Bluhtes / deines vnschuldigen Sohns nicht hast verschonet? Philippus gehet auff mit Traurkleideren angethan / ist über die Masse melancolisch / stellet sich auff die Ecke des Theatri, seufftzet vnd windet seine Hände / sicht aber Antigonum nicht. O Perseu, Perseu, du grimmiges Tygerthier / du reissender Wolff / du vnversöhnlicher Menschen-Feindt / wie hastu dir doch jmmermehr einen so vortrefflichen Jüngling auffzuopfferen mögen gelüsten lassen? Ach so was werden die heiligen Götter über dich / ja daß gantze Macedonische Reich vor eine greuliche Rach vnd vnerhörte[270] Straffe ergehen lassen? Aber sich da / der König? Er stehet warlich in sehr tieffen Gedancken / ich kans nicht vnterlassen / ich muß zu jhm gehen / die Vrsache seiner vngewohnlichen Traurigkeit vnd Melancoley zu vernemen. Gehet zu jhm. Glück / Heil vnnd Wolfahrt dem großmechtigsten Könige Philippo.

PHILIPPUS erschrickt gleichsahm vnnd antwortet mit sehr betrübter Stimm. Ach Antigone, Antigone, vielgeliebter Herr Vetter / Glück ist weit von mir / alß der Himmel von der Erden ist? Ach wehe mir elendesten vnter allen Menschen / der ich mein Glück / Heil vnd Wolfahrt so bößlich vnnd muhtwillig von mir getrieben! Ach Blindtheit / ach Sicherheit / wie habet jhr mich so verführet / daß ich auff blosse Anklage der falschen Verleumbder / meinen allerliebsten Sohn / meinen ritterlichen heroischen Demetrium, weiches herrliche Tugenden in gantz Europa bekandt wahren / so erbärmlich vnd vnschuldig habe hinrichten / vnnd vom Leben zum Todt bringen lassen? O Antigone, Antigone, wolten die Götter / daß ich vnglückseliger ewren getrewen Raht in acht genommen / vnd mich meinen mörderischen vnd trewlosen Sohn Perseum, wie auch den betrieglichen Heuchler / den vermeinten Hofemeister Didam nicht so leichtlich hette bereden lassen / einen so elenden Mordt an meinem eigenen Fleische vnd Blühte zu begehen? Nunmehr begehre ich nicht lenger zu leben / ich wünsche vnnd seufftze von grundt meines Hertzens / augenblicklich von hinnen zu scheiden / vnnd diesem schnöden Leben vrlaub zu geben.

ANTIGONUS. Großmechtigster König allerliebster Herr Vetter / ob ich wol bey mir selber leicht kan ermessen / daß es ein sehr schweres Vnglück vnnd kümmerliche Vnfall sein müsse / welchen / der Todt vnzeitige Todt / E[wer] M[ajestät] allerliebsten Herren Sohns causiret vnd erreget hat / jedoch / alldieweil es nunmehr nicht kan noch mag geendert werden /[271] alß bitte ich hiemit auff daß aller fleissigste / Ewer Liebe wolle doch solche Schwermühtigkeit zu rücke setzen / damit sie nicht zu jrem frühezeitigem vnd dem gantzen Königreiche hochschädlichem Abscheide vnnd Todtesfalle vrsache gebe / dadurch wir dann in einen viel grösseren Jammer vnnd Elendt würden gestürtzet werden.

PHILIPPUS. Ach Antigone, getreuster Freundt / allerliebster Bruder / es hilfft an mir kein bitten noch ermahnen / ich bin dieses Lebens satt vnd müde / ich begehre nichtes anders / alse nur in steter Einsahmkeit die gantze Zeit meines Lebens zuzubringen / vnnd weil ich denn nun meines allerliebsten Sohnes Demetrij beraubet bin / ich aber den schnöden Mörder deßselben / den grausahmen Perseum nicht würdig achte / daß er nach mir auff meinem Stule sitzen / vnnd dieses löbliche Königreich regieren soll / dabenebenst mich erinnere / daß nunmehr kein näherer Erbe deßselben verbanden / alse eben jhr / alß thue ich euch hiemit die Königliche Krohn vnd Scepter / ja so gahr mein gantzes Königreich Überreichet Antigono die Krohn vnd Scepter / der sie auff den Knien liegendt empfähet. mit allen Regalien Freyheiten vnd Pertinentien bester Form vnd Masse aufftragen vnd übergeben / welches jhr also von mir annehmen vnnd gebührlich acceptiren, auch alle diese Länder vnnd Provincien, in Friede vnd Ruhe regieren wollet / wozu ich euch denn von den Götteren alle gedeiliche Prosperität von hertzen thue wünschen.

ANTIGONUS. Großmechtigster König / allerliebster Herr vnd Vetter / auß E[wer] Liebe sehr hohen vnd weitaußsehenden Anbringen / verspühre ich die sonderbahre Affection vnd Liebe / so dieselbe jederzeit gegen mir getragen / auch biß auff gegenwertige Stunde thut continuiren; Wann ich aber[272] betrachte die übergrosse Mühe vnd Gefahr / so die Monarchen beym Königlichem Regiment vnd Scepter zugewahrten haben / so thue ich gleichsahm / davor erschütteren / zitteren vnd erschrecken / ich will geschweigen / daß E[wer] Liebe annoch bey starcker Gesundtheit / guter Vernunfft / vnd allem Vermügen seyn / vnd deßwegen diesem löblichen Königreiche mit der Götter Hülffe / auch meiner vnd anderer jhrer getreuesten Rähte vnd Diener fleissiger assistentz noch eine lange vnnd geraume Zeit können vorstehen / nichtes desto weiniger aber / thue ich mich gegen E[wer] Liebe wegen der grossen Ehr / die sie mir mit præsentirung jhres gantzen Königreiches erweiset / auff daz höheste vnd fleissigste bedancken / dieselbe zugleich versicherendt / daß ich mit meinen pflichtigen Diensten deroselben getrew verbleiben will / so lange ein lebendiger Ahtem meine Seele / vnd ein warmer Blutstropffen mein Hertz wird ernehren.

PHILIPPUS. Antigone mein aller getrewster Freundt / nunmehr erkenne ich erst / wie so gahr kein vnrecht / falsches oder Betrug in ewren auffrichtigem Herzen zu finden ist; Ach wie bößlich vnd leichtfertig habe ich euch beschuldiget solcher dinge / so da nimmermehr in ewer gemühte kommen! Aber o jhr mein allerbestendigster Freundt / die Götter wollen ja nicht / daß ich meine jetztgesprochene Wort / die ich Königlich zu halten bedacht bin / widerruffe / vnd damit zu rücke halte / vielmehr ist nochmahlen mein ernstlicher Will vnnd Meinung daß jhr euch des Regiments vnd Königreiches stündtlich vnterwindet / angesehen die grosse Tapfferkeit / Verstandt / Macht / Ansehen / Glück vnd Klugheit / damit die Götter euch gantz herrlich begabet / vnd zu regierung eines so mechtigen Königreiches / reichlich mitgetheilet haben.

PERSEUS kompt mit Dida, Lurcone, Knapkäsen / vnd ein pahr Soldaten auff den Platz / fehet also an gantz frech zu reden.[273] Glück / Heil vnnd Wolfahrt / Großmechtigster König / allergnedigster Herr Vater.

PHILIPPUS sicht jhn gantz grausahm an. Was wünschestu mir Glück / du vermaledeuter Bösewicht / du lügenhaffter Verleumbder / du Tyrannischer Brudermörder / du abgescheumter Verrähter / packe dich hinweg von mir in schneller Eil / denn ich kan vnd mag eine solche schnöde Bestiam mit meinen Augen nicht lenger anschawen.

PERSEUS antwortet gahr stoltzt. Wie dann Herr Vater / was sein das vor Reden? Das sein mir vngewohnte Sachen / ich verstehe warlich nicht was damit gemeinet werde.

PHILIPPUS. Was bellestu Brudermörder / du Verrähter / darffstu noch so kühn seyn / vnnd vns wiedersprechen / ich gebiehte dir ernstlich / daß du augenblicklich von hinnen weichest / ich will dich deinem Verdienste nach wol zu straffen wissen.

PERSEUS. Muß denn ich / der ich ein Königlicher Printz / ja eintziger Erbe dieses so mechtigen Königreiches bin / solche Schmäh vnd Lästerwort in mich fressen / vnd zwahr von meinem leiblichen Vater / deme ich die gantze Zeit meines Lebens alle Kindtliche Liebe vnd Trew habe erwiesen?

PHILIPPUS sehr zornig. Was sagestu meineidiger Bösewicht / bist du ein Erbe des Macedonischen Reichs / bist du ein Königlicher Printz? Ja ein Ertzmörder / Verrähter vnd bößhaffter Verleumbder / kanstu mit recht genandt werden / nimmermehr soll das Reich Macedonien dich zu seinem Tyrannischen Regenten vnd Oberherren sehen.

PERSEUS. Was? Wer wolte so kühn seyn / mir daß jenige / so mir mit keinem rechten Fuge / noch Billigkeit mag versaget werden / zu entwenden / ich bin vnd bleibe ein rechtmessiger Erbe des Konigreiches Macedonien / ja trotz vnd abermahl trotz sey denen gebotten / die mich daran verhinderen wollen / Schleget auff den Degen.[274]

PHILIPPUS hefftig entrüstet. O schnöde Bestia / O Mörder / O verzweiffelter Bube / wahrs nicht genug / daß du meine getreweste Favoriten, den Mannhafften Poridem, vnd dessen wolerzogene Kinder / so schendtlich ermordet hast / mustestu auch meinen allerliebsten Sohn Demetrium, durch deine schendtliche Verleumbdung / ümme seine Ehr / ja Leib / Guht vnd Bluht bringen? Nimmermehr solstu den Stuel meiner Herrligkeit besitzen / schawe du vnwürdiger diesen deinen Vetteren / der soll billich aller meiner Herrschafften ein Erbe seyn / deme habe ich auch mein gantzes Königreich mit allem was dazu gehörig / gerne vnd willig auffgetragen.

PERSEUS halb vnsinnig. Was? Solte Antigonus meines Königreiches ein Erbe vnnd Beherscher seyn?

PHILIPPUS. Ja Antigonus der vortreffliche Printz / die Krohne vnd Zier der gantzen Ritterschafft des Königreiches Macedonien.

PERSEUS ziehet von Leder. Nimmermehr soll daß geschehen / ich will ein solches diese jetzige Stunde mit meinem Gewehr zuvor kommen / Er leufft hinder Antigonum her / vnd will jhn erstechen / der König springet vor Antigonum vnd ruffet.

PHILIPPUS. Halt ein / halt ein du Mördrischer Böse wicht.

PERSEUS stösset zu / vnd ersticht den Vater auff der Stelle / sprechendt. Sa / sa / so muß man seine refensie auff daß allergreulichste suchen Ad Antig[onum.] vnnd dir abgescheumten Buben / soll augenblicklich deinem Verdienste nach / gelohnet werden / Leufft hinder Antigono her mit blossen Schwerte / Didas ergreifft geschwinde / eine Pistole vnnd erscheust den Fürsten Antigonum auf der stelle sagend.

DIDAS. Also müsse es ergehen allen denen / so dem Durchleuchtigsten hochgebohrnen Fürsten vnnd Herren / Herren[275] Perseo, Erben des Macedonischen Reiches wiederstreben wollen.

Perseus gehet schnaubent auff dem Theatro herümme / vnnd stösset die todte Cörper mit Füssen / hierauff schreiet laut Didas. Demnach nun die Feinde vnd Verfolger des großmechtigsten Fürsten Persei vertilget vnd außgerottet seyn / so erfodert es nun die Billigkeit vnd das Recht / daß der Durchleuchtigster Printz Perseus, alse natührlicher vnnd eintziger Erbe des Macedonischen Reichs / von den sämptlichen Ständen zum Könige vnnd Monarchen erwehlet / gekrönet vnd bestettiget werde / demnach ruffe ich mit lauter Stimm: Glück / Heil vnd langes Leben / dem großmechtigsten Könige Perseo, Herscher vnd Regierer des Reichs Macedonien.

LURCO. Glück / Heil vnd Leben / dem Durchleuchtigsten Fürsten Perseo, Könige in Macedonia vnd Griechenlandt.


Knapkaese vnd die Soldaten.


Glück / Glück / Glück dem allergroßmechtigsten Könige in Macedonia etc.

PERSEUS. Nun wollan meine Lieben / diese ewre Glückwünschung ist mir von Hertzen angenehm / nachdeme aber meine Feinde erwürget / vnd das gantze Regiment an vns verfallen / also lasset vns nun schleunigst nach dem Königlichen Pallast verfügen / damit die Kröhnung alsobaldt jhren Fohrtgangk gewinnen möge.


Sie gehen alle ab / darauff wird gahr tragice musiciret, vnterdessen aber kommen die Trabanten /vnd tragen die beyde todte Cörper hinweg mit erbärmlichen Ceremonien.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 269-276.
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