|
[238] Nun, Welt, du must zurücke stehn
Mit allen deinen Schätzen;
Mit Freuden wil ich schlafen gehn,
Den Leichnam sol man setzen
Ins Grab hinein, da keine Pein
Hinfür' ihn wird verletzen.[238]
Mein Seelichen fleugt himmelan,
Der Leib schläft in der Erden,
Bis daß er mit der Seelen kan
Wiedrüm verknüpfet werden;
Inmittelst sol er ruhen wol
Ohn' einige Beschwerden.
O was für Reichtum werd' ich doch
In jenner Welt besitzen!
Hinfüro wird des Kreuzes Joch
Mich nimmermehr erhitzen;
Es wird die Sünd ein Gottes Kind
Nicht können mehr beschmitzen.
O was für Ehr' und Herlichkeit
Wird mir daselbst gegeben!
Wie lieblich werd' ich nach der Zeit
Im Hause Gottes leben!
In welchem Glanz werd' ich doch ganz
Verkleidet ewig schweben!
Wie groß wird sein der Liebe Macht
Ohn' einiges Betriegen!
Wie herlich meiner Glieder Pracht,
So durch die Wolken fliegen!
Hätt' ich nur schon die Freudenkron'
In Gottes Sal erstiegen!
Wie groß wird dort die Wollust sein,
Die gar nicht Eitles heget!
Ein Himmelskind bleibt allzeit rein,
Sein Herz wird nie beweget
Von Haß und Neid; auch alles Leid
Wird dort rein abgeleget.
Wie werd' ich auch der Jugendkraft
So trefflich wol empfinden!
Es wird ein süßer Lebenssaft
Von Neuem mich verbinden,
So daß noch Not, noch Schmerz, noch Tod
Mein Herz kan überwinden.[239]
Wie werd' ich künftig sein so klug,
Wenn ich mag Christum sehen
Und alle Sachen kan genug
Dem Grunde nach verstehen!
Wie wol wird mir denn für und für
In Gottes Reich geschehen!
Wie trefflich wird der Freiheit Schatz
Nach dieser Knechtschaft prangen!
Drum trag ich auch nach diesem Platz'
Ein sehnliches Verlangen,
Ach wär' ich nur des Lebens Uhr
Einst völlig durchgegangen!
Wie wird mir dort die werte Schar
Der Engel und der Frommen
Mein Herz ergetzen immerdar,
Wenn ich bin aufgenommen!
Möcht' ich nur bald, mein Aufenthalt,
Herr Jesu, zu dir kommen!
Mein Gott, wie werd' ich jauchzen dort,
Wie werd' ich mich erquicken,
Wenn ich an deinem schönsten Ort
Dich selber werd' erblicken!
Ich wil mit Lust an meine Brust
Dich, o mein Heiland, drücken.
Ich wil nach dieser kurzen Zeit
Dich unaufhörlich preisen,
Du heilige Dreifaltigkeit,
Und deinen Knecht mich weisen;
Du wirst ja mich auch ewiglich
Mit Freud' und Wonne speisen.
Hinfort, o Welt, kenn' ich dich nicht,
Ich weiß ein ander Leben:
Dem Himmel wil ich meine Pflicht
Nun ganz für eigen geben,
Der wird geschwind mich armes Kind
Zur Herlichkeit erheben.[240]
Kom denn, o hocherwünschter Tag,
Mich herzlich zu befreien,
Kom, liebstes Stündlein, das mich mag
Zum Himmelsfürsten weihen.
Kom bald heran, damit ich kan
Dein ewigs Lob ausschreien.
Buchempfehlung
Der junge Wiener Maler Albrecht schreibt im Sommer 1834 neunzehn Briefe an seinen Freund Titus, die er mit den Namen von Feldblumen überschreibt und darin überschwänglich von seiner Liebe zu Angela schwärmt. Bis er diese in den Armen eines anderen findet.
90 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro