|
[274] 1.
Wie bist du doch so from und guht,
Herr Gott, in deinen Wercken!
Gantz willig ist dein Hertz und Muht,
In Nöhten uns zu stärken;
Den aller Augen wahrten nur
Auf dich, du solst sie speisen
Und deiner armen Kreatur
Raht, Hülff' und Trost erweisen,
Das sie dich wiedrüm preisen.
2.
Wir schreien itz in unsrer Noht
Und hochbetrübtem Stande;
Es mangelt unß das liebe Brod,
Die Theürung ist im Lande.
Der Hunger drükt uns treflich schwehr,
Daß Völklein muß verschmachten.
Es läuft und bettelt hin und her;
Diß wil kein Reicher achten
Noch frembde Noht betrachten!
3.
Du hast den Vorraht gantz und gahr,
O Gott, von uns genommen
Und leider ein betrübtes Jahr
Zur Straffe lassen kommen.
Und weil die Nahrung ist so schlecht.
Viel' Arm' auch weinig essen,
So sprächen wir: Gott ist gerecht;
Der vormahls voll gemessen,
Hat unser itz vergessen.
4.
Nun, Herr, wir wollen gleichwol nicht
Wie die verzagte stehen;
Drüm suchen wir dein Angesicht:
Ach merk' auf unser Flehen!
Zwahr, da wir waren satt und stark,
Da liessen wir dich fahren;
Ein jeder frass das beste Mark,
So das sehr weinig waren,
Welch' etwas wolten spahren.
5.
Wir machten lauter guhte Zeit
Mit spielen, essen, trinken,
Wir liessen die Barmhertzigkeit
Zum armen Häuflein sinken:
Wir halffen nicht der matten Schaar,
Sehr böß war unser Leben.
Drüm müssen wir itz offenbahr
In diesem Jammer schweben;
Doch du kanst Lindrung geben.
6.
So hilf nun, Herr, mit starker Hand
Um deines Namens willen.
Du kanst das außgezehrte Land
Mit Gühtern wiedrüm füllen.
Ernehr' uns in der Theürung doch,
Gib Brod den armen Leüten.
Dein' Hülffe währet immer noch,
Du kanst auch ia von weiten
Unß Speiß' und Trank bereiten.
7.
Erwekk' auch derer Hertz und Geist,
Die grossen Reichthum haben,
Daß sie den Armen allermeist
Ertheilen Ihre Gaben.
Insonderheit lass uns fohrthin
Nach deiner Gunst, Herr, streben;
Von Ihr allein komt der Gewin,
Daß du dein Freüdenleben
Aus Gnaden unß wilst geben.
8.
Da wird uns den kein Hunger mehr
Noch Durst noch Armuht quehlen;
Da werden wir mit grosser Ehr',
Herr, deinen Ruhm erzehlen.
Da wollen wir für frischem Muht'
In reiner Wollust springen
Und, wie die Schaar der Engel thut,
Gahr hoch die Stimmen schwingen,
Dir ewig Lob zu singen.
Buchempfehlung
Die ältesten Texte der indischen Literatur aus dem zweiten bis siebten vorchristlichen Jahrhundert erregten großes Aufsehen als sie 1879 von Paul Deussen ins Deutsche übersetzt erschienen.
158 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro