|
[188] Umb Verschmähung der Welt und aller deroselben Eitelkeiten.
1.
Wie bin ich doch so gar betrübet,
O Jesu, Glantz der Herrligkeit,
Daß ich die Welt so sehr geliebet
Allhie in dieser Gnadenzeit.
Was war es doch,
Daß ich so hoch,
Dem Himmel gleich, geschätzet,
Ja über Gott gesetzet?
2.
Ein Blümlein war es aus dem Garten,
Ein Gräßlein, das verdorren muß,
Ein Schatten, der ja nicht kan warten,
Ein schwartzer Pful voll Uberdruß,
Ein lauter Koth,
Ein steter Tod,
Ein Rauch, den man kaum findet,
Ein Wort, das schnell verschwindet.
3.
Ach! daß ich mich so sehr bemühet
Umb Ehr' und Gut, so länger nicht
Als ein vergänglichs Kräutlein blühet,
Das schneller als' ein Glaß zubricht!
Ach daß ich mich
So jämmerlich
Umb eitles Thun gequelet
Und doch nur Staub erwehlet!
4.
Wo ist des Salomons sein' Ehre,
Wo ist sein Königlicher Pracht?
Sein Abscheid gibt uns diese Lehre,
Daß man das eitle Recht verlacht.
Die Herrligkeit
In dieser Zeit
Kan keiner jhm ersparen,
Sie wird uns nicht nachfahren.
[188]
5.
Geehret seyn vor Menschen Augen,
Das daurt nur eine kurtze Zeit;
Vor Gott dem Schöpffer etwas taugen,
Das nützet biß in Ewigkeit.
Es hilfft dich nicht,
Daß mancher spricht:
Der hat viel Ehr' auff Erden;
Muß er doch Asche werden.
6.
Nach dieser Ehr', Herr, laß mich trachten,
Daß ich nur dir gefällig sey
Und könne gantz die Welt verachten,
Die nichts nicht hat als Teuscherey.
Ja, schnöde Welt,
Dein Gut und Gelt,
Das kan mich nicht bewahren,
Wenn ich von dir sol fahren.
7.
Herr Jesu, laß mich willig tragen
Hie deine Schmah', auff daß ich dort
Geführet auff Elias Wagen
In Frewden lebe fort und fort.
O trewer Gott,
Dein Hohn und Spott
Sey lieber mir im Leben,
Als was die Welt kan geben.
8.
Was wird mir aller Reichthumb nützen,
Wenn ich die Welt verlassen sol?
Mich kan kein Gold noch Silber schützen,
Hätt' ich gleich tausend Kasten voll.
Herr, wenn du mich
Nur gnädiglich
Die TodesBahn wirst führen,
So kan mich nichts verlieren.
9.
Dich wil ich mir allein behalten,
O Gott, du bist das wahre Gut.
Dein Gnadenfewr kan nicht erkalten,
Es wärmet Leben, Hertz und Muth.
Die Seligkeit,
Gerechtigkeit,
Vergebung meiner Sünden
Sind all' in dir zu finden.
10.
Was jrrdisch heist, muß doch hie bleiben
Und endlich mit der Welt vergehn.
Was solt' ich denn daran bekleiben,
Was solt' ich nach dem Schatten sehn?
Und hätt' ich gleich
Ein solches Reich
Als' ehmals Alexander:
Hie bleibts doch mit einander.
11.
Im Himmel ist mir auffgehoben
Ein ewigs, unverweßlichs Theil,
Ein frewdigs, unauffhörlichs Loben,
Ein unbeflecktes Erb' und Heyl.
Die Lust allhie
Ist gäntzlich wie
Starck Gifft; so wir das essen,
Wird Gott dadurch vergessen.
12.
Die Welt gibt nichts als lauter Grämen,
Als früe Schmertzen, späte Reü,
Auch so, daß wir uns müssen schämen
Der vielen Sünd und Büberey.
Da kommt hernach
Noth, Weh' und Ach,
Da folget Heulen, Klagen
Sampt tausend andern Plagen.
13.
Ach mein HERR Jesu, laß mich haben
An dir allein mein' höchste Lust,
So wird mich Freüd' ohn' Ende laben,
Die Gottes Kindern ist bewust.
Laß mehr und mehr
Mein Lob und Ehr'
Allein an deiner kleben,
Nur sie kan mich erheben.
14.
Ach soltest du mein Reichthumb heissen,
So hätt' ich gnug in dieser Zeit.
Wie trefflich wolt' ich mich befleissen,
Zu nennen dich mein' Herrligkeit.
Herr, du bist mir
Gold und Saphir,
Pracht, Ehr' und himlisch Wesen;
Dein' Hand läst mich genesen.
15.
In dir hab' ich viel bessre Güter,
Als' in der Welt ich lassen muß;
Du bist mein Schatz, du Seelen-Hüter,
Bey dir ist rechter überfluß.
Und ob mir gleich
Der Groß' und Reich'
Allhie viel Spott zufüget,
Leb' ich doch wol vergnüget.
[189]
16.
In dir allein' hab ich den Segen,
Ob gleich die Welt mich gar verflucht.
Was ist mir denn an jhr gelegen,
Wenn mich der Segen selber sucht?
Allein zu dir
Steht mein Begier.
Du wirst zum FreüdenLeben,
HERR Jesu, mich erheben.
Buchempfehlung
Autobiografisches aus dem besonderen Verhältnis der Autorin zu Franz Grillparzer, der sie vor ihrem großen Erfolg immerwieder zum weiteren Schreiben ermutigt hatte.
40 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro