Christliches Morgen-Lied,

sich dem Schutze des Allerhöhesten zu befehlen

1.

Gott, der du selber bist das Liecht,

Des Güt' vnd Trewe stirbet nicht,

Dir sey jtzt Lob gesungen,

Nach dem durch deine grosse Macht

Der helle Tag die finstre Nacht

So kräfftig hat verdrungen

Vnd deine Gnad' vnn Wunderthat

Mich, da ich schlieff, erhalten hat.


2.

Lass' ferner mich in deinem Schutz',

O Vater, für des Sathans Trutz

Mit Frewden aufferstehen,

Damit ich diesen gantzen Tag

Dich ja mit meinem Nutzen mag

Im Glauben frölich sehen.

Vor allem sey du selber mir

Das Liecht des Lebens für vnd für.
[177]

3.

Des Glaubens Liecht in mir bewahr',

Ach stärck' vnd mehr' es jmmerdar,

Erwecke Trew' vnd Liebe,

Die Hoffnung mach' in Nöthen fest';

Hilff, daß ich mich auffs allerbest'

Auch in der Demuth übe,

Daß deine Furcht stets für mir steh'

Vnd ich auff gutem Wege geh'.


4.

HERR, halte meinen Gang gewiß,

Treib aus von mir die Finsterniss'

Vnd Bößheit meines Hertzen.

Behüte mich den gantzen Tag

Für Aberglauben, Zorn vnd Plag',

Auch für verbotnem Schertzen.

Bewahre mich für stoltzem Pracht'

Vnd allem, was mich lästern macht.


5.

Gib, daß ich dir gehorsam sey

Vnd mich für Zanck vnd Hader schew',

Auff daß der Sonnen Stralen

Mich diesen Tag nicht zornig sehn

Vnd nachmals trawrig vntergehn.

Ach laß mich nicht bezahlen

Dem Nechsten seine Bittrigkeit

Mit Feindschaft, Hassen, Grimm vnn Neid.


6.

Für Unzucht vnd für böser Lust,

Für Kargheit vnd des Geitzes Wust

Behüte mich in Gnaden.

Gib, daß die Falschheit dieser Zeit

Zusampt der Ungerechtigkeit

Mein Hertz ja nicht beladen.

Ach daß dein heiligs Angesicht

Doch solche Sünd' erblickte nicht!


7.

O trewer Gott, erweck' in mir

Nur einen Hunger stets nach dir,

Daß mich die Welt verliere;

Auch lehre mich, du starcker Held,

Zu thun allein, was dir gefält;

Dein guter Geist mich führe,

Damit ich ausser bösem Wahn

Stets wandlen mög' auff ebner Bahn.


8.

Befiehl' auch deiner Engel Schaar,

Daß sie mein Leben für Gefahr

Den gantzen Tag beschützen

Vnd auff den Händen tragen mich,

Daß nicht der Satan grawsamlich

Mich könn' allhie beschmitzen;

So werd' ich gegen Löwen stehn

Vnd vnverzagt auff Drachen gehn.


9.

So nimm von mir, O Vater, hin

Mein Hertz, Gedancken, Muth vnd Sinn,

Daß ich dir gantz vertrawe.

Behüt' auch, du getrewer Hort,

Mein tichten, reden, Werck vnd Wort,

Daß es nur stetig schawe

Auff deines thewren Namens Ehr',

Auch meines Nechsten Nutz vermehr'.


10.

HERR Jesu Christe, laß allein

Mich Armen ein Gefässe seyn

Vnd Werckzeug deiner Gnaden.

Richt' all mein Thun, Beruff vnd Stand,

Halt' über mir dein' Hülff vnd Hand,

So kan mir niemand schaden.

Du wollest auch ja gnädiglich

Für den Verleumbdern schützen mich.


11.

Mit Hertz' vnd Mund' ich dir befehl',

Herr Jesu, meinen Leib vnd Seel',

Auch Ehr' vnd Gut daneben.

Wenn ich nun sitze, geh' vnd steh',

Alsdenn so schaffe, daß ich seh',

Herr, über mir dich schweben.

Gib ja, daß deine Gnaden-Hand

Sey nimmer von mir abgewand.


12.

Für bösen Pfeilen, die bey Tag'

Auff Erden bringen grosse Plag',

Als für des Todes Seuche,

Für Pestilentz behüte mich,

Damit sie nicht so grawsamlich

Bey Nacht herümmer schleiche.

Bewahr' vns auch für Krieges-Noth,

Wend' einen bösen, schnellen Todt.
[178]

13.

Gib, lieber Herr, zu dieser frist,

So viel zum Leben nöhtig ist,

Doch nur nach deinem willen.

Wenn du die Speiß' vnd Nahrung hie

Mit Gnaden segnest spät' vnd früh,

Kanst du vns reichlich füllen:

Doch, daß man deine milde Gaab'

Auch nicht zu einem Mißbrauch hab'.


14.

Allein zu dir hab' ich gesetzt

Mein Hertz, O Vater, gib zuletzt

Auch mir ein seligs Ende,

Auff daß ich deinen jüngsten Tag

Mit grosser Frewd' erwarten mag,

Drauff streck' ich auß die Hände:

Ach komm, HERR Jesu, komm, mein Ruhm,

Vnd nimm mich in dein Eigenthumb.


15.


Christlicher Segen.


Mein Gott vnd Vater segne mich;

Der Sohn erhalte gnädiglich,

Was er mir hat gegeben;

Der Geist erleuchte Tag vnd Nacht

Sein Antlitz über mich mit Macht

Vnd schütze mir mein Leben.

Nur dieses wündsch' ich für vnd für:

Der Friede Gottes sey mit mir.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 172-173,177-179.
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