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[219] Mel.: Werde munter, mein Gemühte.
1.
Wachet auff, Ihr Meine Sinnen,
Wachet auff, Hertz, Seel' und Muht.
Helffet Mir ein Lied beginnen,
Daß das allerhöchste Guht,
Jesum Christum, Gottes Lamm,
Unsern süssen Bräutigam,
Möge mit den besten Weisen
Wegen solcher Wolthat preisen.
2.
Lob und Danck sey Dir gesungen,
HERR, für deine Traurigkeit,
Die Dich dergestalt bezwungen,
Daß man Dich zur selben Zeit
Fand biß auff den Tod betrübt;
Das heisst recht: Die Welt geliebt,
Trauren, daß wir nach dem Sterben
Könten Himmels-Freüd' erwerben.
3.
Lob sey Dir, daß Du gefallen
Auff Dein heiligs Angesicht,
Zu versühnen uns für Allen
Deinem Vater, daß Er nicht
Jagt uns weg von seinem Throhn;
O Du grosser Gottes Sohn
Fälst darum so kläglich nieder,
Daß Du uns aufrichtest wieder.
[220]
4.
Lob sey Dir, das du gekämpffet
Mit des Todes Bitterkeit
Und desselben Macht gedämpffet,
So daß wir itzt sind befreit
Von des Würgers Spiess und Schwerth,
Der nur unser Haut begehrt.
Tod, du bist schon überwunden,
Nirgends wird dein Stachel funden.
5.
Lob sey Dir, das Du geschwitzet
Dikkes Bluht in höchster Noht,
Als des Vaters Grim erhitzet
Quählte Dich biß auff den Tod.
Lob sey Dir, daß Ich nun weiß,
Wie Mein kalter Todes-schweiß
Ist geheiligt durch dein Leiden
Und Ich freudig kan abscheiden.
6.
Lob sei Dir, das Du gefangen
Und drum hart gebunden bist,
Daß Ich Freyheit könt erlangen
Nur durch dich, Herr Jesu Christ.
Lob sei Dir, das Du geplagt
Und so fälschlich bist verklagt,
Daß Ich müchte von Beschwerden
Des Gerichts entledigt werden.
7.
Lob sei Dir, daß Du verspeiet
Und geschlagen bist dazu,
Daß Ich alles Hohns entfreiet
Leben mücht in Fried und Ruh.
Lob sei Dir, das Du so sehr
Bist beraubet aller Ehr,
Aber nur zu Meinem Frommen
Hab' Ich Ehr und Preiß bekommen.
8.
Lob sei Dir, daß Du geschmükket
Bist mit Purpur blos zum Spott,
Auf das Ich würd hoch erquikket
Und geziert für Dir, Mein Gott.
Lob sei Dir, Marien Sohn,
Das du bist mein Ritter-Krohn,
Gantz von Dörnen sehr verhönet;
Nun bin Himmlisch Ich gekrönet.
9.
Lob sei Dir, das Du genommen
Hast ein Rohr in deine Hand
Und so manchen Schlag bekommen
Dir zur Marter, Schmach uff Schand:
Alles darum, das nur Ich
Könt aufheben sicherlich
Dis mein Häupt und im Vertrauen
Freudig auf gen Himmel schauen.
10.
Lob sei Dir, das Du gestanden
Für dem Volck auf Jenem Plan,
Mit den Ketten, Strikken, Banden
Und den Purpur angethan,
Das dein Vater müg ansehn
Uns, wenn wir gebunden stehn,
Und alsden in deinen Willen
Unsre Noht und Knechtschafft stillen.
11.
Lob sei Dir, das Du getragen
Hast dein schweres Creutz allein,
Das auch wir in unsern Plagen
Müchten fein gedültig sein.
Liebster Jesu, gib doch Mir,
Das Ich müge für und für
Alles willig auf Mich nehmen,
Was mein Fleisch uff Blut kan zähmen.
12.
Lob sei Dir, das Du gelitten
Zwischen Mördern Spott und Hohn,
Da Du doch von Ahrt und Sitten
Bist gantz rein, O Gottes Sohn;
Dieses macht Mich Ewig frei
Von der Höllen Schlaverei,
Läst Mich auch nach diesem Leben
Stets in Ehr und Würden schweben.
13.
Lob sei Dir, das Du gestorben,
Wie dein Leib voll Bluhtes stund,
Hast dadurch den Schmuck erworben
Uns, das wir, schön und gesund,
Müchten leben in der Stadt,
Da man nie wird Freuden satt,
Da man jauchtzet, spielet, springet
Und das Drei mahl Heilig singet.
14.
Lob sei Dir, der Du bezahlet
Unsre Sünd' und Missethat,
Da dein Leib von Bluht bemahlet
Auch die Stein erweichet hat.
Nunmehr ist die Schrifft erfüllt
Und des Höchsten Zorn gestillt.
Nun ist das verlohrne Leben
Uns (Gott Lob) aufs neu gegeben.
[221]
15.
Lob sei Dir, das Du begraben
Und so wol gesalbet bist.
Ach! Mücht Ich im Hertzen haben
Dich nur stets, Herr Jesu Christ!
Solt alsden Mein Hertz allein
Stets dein Grab und Wohnung sein,
Ach! wie fest wolt Ich Dich fassen,
Ja Dich nimmermehr verlassen.
16.
Wachet auf, Ihr meine Sinnen,
Wachet auf, Hertz, Seel und Muht,
Lasset uns recht lieb gewinnen
Jesu theur vergossnes Bluht.
Lasset uns mit Ihm zugleich
Springen in Sein Freuden-Reich.
Kom, Herr Jesu, kom behende,
Gib Mir bald Ein seligs ENDE.
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