[181] 1.
Dem Herren wil ich singen
Uff preisen seine That
Sampt so viel Wunderdingen,
Die er erwiesen hat,
Dieweil er Roß und Wagen
Ins Meer hat wollen jagen.
2.
Der Herr ist meine Stärcke,
Mein Heyl und Lobgesang,
Den ich umb seine Wercke
Preiß' all mein Lebenlang.
Stets wil ich hoch erheben
Gott, meines Vaters Leben.
3.
Der Herr weiß recht zu kriegen,
Herr ist sein grosser Nahm.
Der Pharao muß ligen
Im Meer mit Spot vnd Scham',
Und seine Kriegs-gesellen
Versüncken in den Wellen.
4.
Die Fluth hat jetzt bedecket
Die Kämpffer ins gemein,
Sie ligen todt gestrecket,
Nach dem sie wie die Stein'
Auff gar zu trotzigs springen
Sehr schnell zu grunde giengen.
5.
O Herr, was Wunderthaten
Thut deine rechte Hand!
Durch sie ist ja gerahten
Der Feind in Spott und Schand';
Herr, sie hat Roß und Wagen
Des Pharao zerschlagen.
6.
Du hast der Feinde toben
Mit deiner Herrligkeit
Gestürtzet und von oben
Vernichtet jhren Streit.
Dein Grimm hat sie beschweret
Und gleich wie Stroh verzehret.
[181]
7.
Herr', auff dein starckes blasen
Thät sich das Wasser auff,
Die Fluht fieng an zu rasen,
Bald stund sie wie ein Hauff',
Als jhre Tieffe wallet,
Daß es sehr weit erschallet.
8.
Ich wil sie wol erjagen,
Sprach vnsres Feindes Huet,
Ich wil den Raub wegtragen
Und kühlen meinen Muht.
Mein Schwerdt sol sie verderben,
Diß Volck sol plötzlich sterben.
9.
Da liessest du, Herr, sausen
Die Winde, daß das Meer
Durch sein erschrecklichs brausen
Sie deckte, die so schwer
Wie Bley hinunter süncken
Und jämmerlich ertrünken.
10.
Wer ist dir, Herr, zu gleichen
In aller Götter Zahl,
Wer kan dein Lob erreichen?
Du herrschest überall.
Wer ist, wie du, so mächtig,
So heilig, schrecklich, prächtig?
11.
Wer ist, wie du, zu loben,
Wer ist so wunder-reich,
Wer ist, wie du, erhoben?
Ach dir ist keiner gleich.
Du hast den Feind bezwungen,
Die Erd' hat jhn verschlungen.
12.
Du hast dein Volck begleitet
Durch deine Gütigkeit
Und hast uns zubereitet
Erlösung dieser Zeit.
Du hast uns hingeführet,
Da uns dein' Hütte zieret.
13.
Da das kam für die Heyden,
Erbebt' ein jedermann.
Angst, Zittern, Furcht und Leyden
Kam die Philister an.
Die Fürsten Edom stunden
Mit Schrecken gantz gebunden.
14.
Die starcken Moabiter
Verzagten jämmerlich
Und alle Cananiter
Für dir befahrten sich.
Herr, laß sie Furcht und Schrecken
Durch deinen Arm bedecken.
15.
Laß sie wie Felsen stehen
Erstarret, steiff und hart,
Biß man dein Volck mag sehen,
Das so erlöset ward,
Sampt allen seinen Frommen
Hindurch mit Frewden kommen.
16.
Herr, bringe doch und pflantze
Sie auff den Berg in Rast,
Den du zum Hauß' und Schantze
Dir außerkohren hast,
Den du sampt allem Wesen
Zur Wohnung außerlesen!
17.
Laß sie zur Hütten kommen,
Die du mit eigner Hand
Zum Erbtheil eingenommen
Und heilig wird genant;
Die kan man nicht vertreiben,
Der Herr wird König bleiben.
18.
Mit Rossen und mit Wagen
Zog Pharao ins Meer;
Der Herr' hatt' jhn geschlagen,
Die Fluht lieff' über her.
Israel ist mit prangen
Gantz trocken durchgegangen.
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