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[149] 6. Nov. 1632.
Ach weh, daß auch zuletzt der Würger kan bezwingen
Die Götter dieser Welt! Ach, daß er sie kan bringen
Zu sich ins finstre Grab! Ach, er hat unsern Held,
Der Potentaten Kron', ja den die ganze Welt
Mit Furcht verehren that, den Helfer und Erretter,
Den großen Capitein, der Libertet Vertreter,
Zu sich gerissen hin! Ach, Martis Grausamkeit,
Des Fürsten Löwenmut, der unerhörte Streit[149]
Hat dieses edle Blut so jämmerlich vergossen!
Ach weh, daß wir den Sieg, den großen Sieg genossen
Mit blutigem Triumph, dadurch in kurzer Frist
Der Ueberwinder selbst hinweg gerissen ist.
Schaut an die ganze Welt, sie hat all' ihre Sinnen
Gerichtet auf sein Thun, sein Lassen und Beginnen;
Europa stehet stil, der türkische Tyrann,
Ganz Orient mit ihm, schaut diesen Helden an:
Der spanische Monarch mit Zittren ist ümgeben,
Er spricht: »Wen finden wir, der da kan widerstreben
Dem Held aus Schwedenreich?« Der Pabst zu Rom erschrickt
Vor einem, den er doch zuvor noch nie erblickt;
Ganz Oesterreich das bebt; es fliehen die Ligisten,
Sie richten nichtes aus mit Waffen und mit Listen;
Die Pfaffen halten Rat; Prälaten sammlen sich,
Sie finden keinen Trost, sie laufen emsiglich
Zu ihrem Abgott hin; da wils auch nicht gelingen,
Der Antichrist weiß selbst kein Rat zu diesen Dingen;
Ihr Beten ist ümsonst; die Messen taugen nicht;
Was hilfts, es kommt herzu des großen Gotts Gericht;
Es ist die letzte Zeit, daß Babylon sol fallen,
Daß die verfolgte Kirch' mit Freuden wird erschallen
Dieß schöne Siegeslied: Das Urteil gehet itzt
Ueber die Hure aus, die auf dem Berge sitzt,
Die trunken worden ist vom Blut der Auserwählten,
So unter ihrem Reich in der Verfolgung quälten;
Nun wird der Antichrist, das siebenköpfig Thier,
Der ungeheure Drach', werden zertreten schier.
Wohlauf, sie brennet all, sie wird im Grimm zerrissen,
Sie wird beraubet ganz und ihre Macht zerschmissen,
Bald wollen wir mit Lust, hilf Gott, anschauen auch
Wie die verbrante Stadt läßt gehen auf den Rauch.
Der Held aus Schwedenreich der hat die Maur gebrochen
Der schnöden Babylon, er hat das Blut gerochen
Der frommen Martyrer, so durch des Thieres Macht
Ganz unerhörter Weis' wurden zum Tod gebracht.
Sein königliches Herz nicht länger kont' ertragen
Die große Tyrannei: Gustavus wolt' es wagen;
Er hat sein tapfres Volk in Eil zusammen bracht,
Sein Volk, das von dem Feind ganz höhnisch ward veracht;[150]
Ein Volk, zwar klein von Zahl, jedoch sehr groß von Thaten,
Ein Volk, dem, Gott sei Lob! sein Anschlag ist geraten.
Des Volkes Führer war ein Leu, ein kühner Held,
Gottsfürchtig, treu, gerecht, berühmt in aller Welt,
Vorsichtig, unverzagt, großmächtig, hochgezieret
Mit Weisheit und Verstand, ja, dessen Lob berühret
Des hohen Himmels Spitz', weil er mit großem Mut.
Die teutsche Freiheit hielt in königlicher Hut.
Es war das Vaterland fast ganz und gar verzehret,
Es war der Fürsten Macht durch fremden Neid verheret;
Der erste ward ein Schlav', der andre ward verjagt,
Der dritt' gar abgethan, der letzte sehr geplagt
Von dem barbarschen Volk, den glaublosen Croaten;
Da mußte Gott zuletzt den großen Potentaten,
Den Held aus Nordenland, erwecken, daß er bald
Sein wolgeplagtes Volk erlöste mit Gewalt.
Er kam in Gottes Gleit mit den sieghaften Waffen,
Der armen Kirche Ruh', Rat, Hülf' und Trost zu schaffen,
Es war sein ganzes Heer mit einer großen Schar
Der Himmelsgeisterlein ümgeben ganz und gar;
Er schreckte seine Feind' und zog daher mit Brausen,
Gleich wie von Norden pflegt der Boreas zu sausen;
Er kam, sah und bezwang die Vesten ohne Zahl,
Die Schanzen wurden auch gewonnen allzumal,
Ja, ganze Fürstentum und was je war genommen
Den edlen Prinzen ab, must' zu der Freiheit kommen;
Ein jeder kriegt das Sein', ein jeder Herr sein Land,
Sein Haus, Ehr', Gut und Macht, ja hochfürstlichen Stand.
Die, so das fremde Land ein' kleine Zeit besessen,
Die musten schleunig fort, ihr ward gar bald vergessen;
Ihr Herschaft hatt' ein End', ihr Fürstenstand war aus,
Der große General floh wieder hin nach Haus.
Indessen fuhr der Held frisch fort den Feind zu zwingen
Und Teutschland zu der langgewünschten Ruhe bringen;
Er trieb den Feind hinweg, der Oderstrom ward frei,
Die Elbe ward erlöst, die Weser kam herbei,
Der weitberühmte Rhein must' auch die Schweden grüßen;
Die bischöfliche Städt' die musten auch einbüßen;[151]
Der Feind floh überall; es war durchs ganze Land
Des großen Gideons Triumph und Sieg bekant.
Da kam zuletzt heran der alte Fuchs geschlichen
Ins werte Sachsenland, daraus der Held gewichen,
Das Land leid große Not, Mord, Raub und Tyrannei,
Der antichristisch Hauf' war aller Sorge frei;
Bis unser Josua in Eil' sich that begeben
Den Feinden ins Gesicht, und wolt Ehr', Leib und Leben
Aufsetzen, ja sogar die königliche Kron'
Vor teutsche Libertet und die Religion.
Er und sein ganzes Heer die riefen an den Namen
Des Herren Zebaoth, bis daß die Feind ankamen;
Da fieng der kühne Held den Kampf mit Freuden an,
Und schlug mit solcher Macht, daß beides Roß und Mann
Das Erdreich küsseten, ließ drauf Musketen klingen,
Und denn ohn Unterlaß auch die Kanonen singen,
Da war Feur, Rauch und Dampf, Menschen- und Thiergeschrei,
Das Brausen der Geschütz', Stein, Hagel, Eisen, Blei,
Ein gräuliches Getön der Trommeln und Trompeten;
Es schwebten in der Luft viel Fahnen und Corneten;
Gott half von oben her; die Feinde liefen vor,
Die Ueberwinder nach, der alte Fuchs verlor
Lob, Ehr' und allen Ruhm. Es ward viel Bluts vergossen,
Die treuen Rittersleut' die fochten unverdrossen,
Bis daß sie wunderlich durch Gottes große Macht
Den vollenkommnen Sieg rühmlich davon gebracht.
Da haben sie mit Lust ein Lobgesang gesungen
Dem allerhöchsten Gott, weils ihnen war gelungen;
Noch wars vollendet nicht, der Held aus Nordenland
Zog fort mit großem Ruhm, bis er die Feinde fand.
Der wunderschöne Strom, die Donau, sah ankommen
Das göttlich Kriegesheer; da das der Feind vernommen,
War er bemühet, sehr bald zu entrinnen noch,
Oder im Walde ja sich zu befreien doch;
Aber es war ümsonst, der Feind ist überwunden,
Und seine große Macht gedämpft in wenig Stunden.
Es war ein herrlich Sieg, dabei denn auch zuletzt
Der alt Colonel sein Leben zugesetzt.[152]
In solcher großen Not, die Babel hatte troffen,
Da wolte doch der Feind noch gleichwol Sieg verhoffen:
Der Antichrist berief sein ganz geschornes Heer;
Der Feind erholte sich; die Liga rief zur Wehr;
Der ehmals Admiral ward abermal erkoren,
Daß er das wiederbrächt', was schändlich war verloren.
Der rüstet sich ins Feld, der samlet Roß und Mann,
Und zwar ein großes Volk; er fieng es tapfer an;
Er kam mit seinem Heer, den großen Held zu schlagen,
Verhofft ein ewigs Lob und Namen zu erjagen;
Aber, o starker Herr, heiliger Zebaoth,
Der du im Himmel sitzst, dir war es nur ein Spott;
Du hast des Gideons sein Arme lehren streiten,
Du thust ihm abermals ein neuen Sieg bereiten;
Mit Zuversicht auf dich und Hoffnung hat der Held
Des Feindes große Macht jetzt abermal gefällt.
Der Feind, der große Feind, so bald er hat gesehen
Den Siegesfürsten selbst ihm unter Augen gehen;
Ist er geflohen hin, doch folget ihm mit Macht
Des Ueberwinders Heer und reiset Tag und Nacht,
Bis es den Feind antrift. Der war vol Angst und Schrecken,
Da thut der höchste Gott des Helden Mut erwecken,
Daß er zum letzten Mal, ach weh! die große Schar
Viel tausend kühner Mann erleget ganz und gar.
Der Sieg war trefflich groß, nachdem der Feind geschlagen;
Doch müssen wir zumal, ach leider! schmerzlich klagen:
Der Held, der Kriegesfürst, die Kron in Israel,
Der König ist dahin, er ist gestorben schnell:
Er, leider! hat der Freud des Sieges nicht genossen.
O, weh der großen Not! er hat sein Blut vergossen,
Sein Blut, sein edles Blut, das er samt Reich und Kron'
Gewaget hat für uns und die Religion.
Ach, schauet an den Leib, wie ligt er ausgezogen,
Nachdem der hohe Geist von ihm hinweg geflogen,
Hier ist sein' tapfre Brust, hier ist sein Angesicht,
Hier ist sein starker Arm, hie seiner Augen Licht!
Seht, hie ligt Hannibal, Hektor und Alexander,
Gottfridus, Carolus, und David mit einander,[153]
Hie Kaiser Julius, hie Josua der Held,
Hie Scipio von Rom, hie ligt das Haubt der Welt!
Hie ligt die Frömmigkeit, die Gottesfurcht daneben,
Hie ligt Gerechtigkeit, mit wahrer Lieb' umgeben!
Lauf, Fama, lauf geschwind, fleug schnell durch alle Land
Und mach des Helden Tod, ach weh! der Welt bekant.
Steht stil, ihr Wasserflüß', und schauet doch mit Thränen
Den toten Körper an; ihr Wälder, thut euch sehnen
Nach diesem Gideon; o Luft, verändre dich
Und deck' den Himmel zu mit Wolken jämmerlich!
Ihr Winde, seufzet doch; ihr Vöglein in den Lüften,
Singt euren Traurgesang, ihr Thier' in finstern Klüften,
Betrübet euch mit uns; ihr Fisch im tiefen See,
Verlasset eure Stell'; ihr Geister, schreiet weh:
O hellleuchtende Sonn', verbirg doch deine Stralen;
Ihr Sternlein, die ihr pflegt den Himmel schön zu malen,
Verkriechet euch zugleich; Diana, kleide dich
Mit deinem bleichen Rock; o Firmament, zerbrich!
Du aber, hoher Geist, du hast hinweg genommen
An einen solchen Ort, da nimmer wird hinkommen
Der Thränen schwere Klag; du bist im Freudensal,
Du bist in süßer Lust, wir bleiben in der Qual.
Dir ist mit großem Pracht und Ehren aufgesetzet
Die Kron' der Ewigkeit, die dir niemand verletzet,
Du schauest nunmehr an den Herren Zebaoth,
Den König aller Welt, den dreieinigen Gott.
Der Körper ruhet sanft, bis daß in jenem Leben
Ihm wird sein edle Seel' mit Freuden wiedergeben;
Wir leben hier in Not, in Trübsal und Gefahr
Und bitten höchlich Gott, daß er uns doch bewahr,
Sein kleines Häufelein. Ach, Herr, laß dichs erbarmen,
Daß in der letzten Zeit verlassen sein wir Armen;
Herr, der du in der Not ein treuer Helfer bist,
Erhalt' dein Kirchelein, und steur dem Antichrist;
Erwecke doch den Mut der teutschen Potentaten,
Laß all ihr Werk und Thun glücklich und wol geraten;
Gib, daß sie bleiben stets in rechter Einigkeit,
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