Zweite Scene.

[16] MANFRED.

Helene!

HELENE.

Mein Gatte!

Weh, was liegt zwischen dir und mir?

Was ist geschehn, daß du so fremd mir scheinst?

Wie bist du kalt, ach, anders warst du einst!

Was that ich dir?

MANFRED.

Nicht quäle dich und mich, was soll dein Fragen?[16]

Kann ich ihr sagen,

Was mich durchglüht?

Wie mir die Seele

In Flammen sprüht?

Wie mit Gewalt

Es mich hinzieht zu ihr?

HELENE.

Ach, wer kann sagen,

Warum er mich flieht,

Sein Auge sich wendet,

Das mir einst geglüht?

Was mit Gewalt

Ihn hinwegreißt von mir!

HELENE.

Ach, anders warst du einst, wie bist du kalt!

Was that ich dir?

MANFRED.

Laß mich, nichts, nichts!

HELENE.

Wie liegt so weit

Die gold'ne Zeit,

Die Zeit des ersten Lenzen,

Da ich dein Haupt durft' kränzen.

Deines Auges Stern, mir strahlt er nicht mehr, –

Was that ich dir? Nun bin ich freudeleer!

Kehr um, kehr um, ich fühl' den Boden wanken!

Weißt du es nicht, was dich bedroht?

Weißt du es nicht? Es geht um deine Krone!

MANFRED.

Um meine Krone hat's nicht Noth,

Noch sitz' ich fest auf meinem Throne.[17]

HELENE.

Du stürmst einher in rauschender Wonne,

Dem Himmel willst entreißen du die Sonne,

Verstreu'n die Sterne mit der Hand,

Weh', ahnend seh' ich schon den Brand!

O diese Angst, das Herzeleid,

Kehr um, kehr um, noch ist es Zeit!

MANFRED.

Was sagst du, Weib? Willst du, daß ich soll büßen

In Sack und Asche, – knieen zu den Füßen

Des Stuhls zu Rom? – Ich habe nichts mit dir!

HELENE.

Manfred! – halt ein! – Manfred!

MANFRED.

Hinweg von mir?

Die Zeit, sie war, daß ich an dich geglaubt!

HELENE.

O Gott! Nun hast du all' mein Glück geraubt!

Wie liegt so weit

Die gold'ne Zeit,

Die Zeit des ersten Lenzen,

Da ich sein Haupt durst' kränzen.

Seines Auges Stern, mir strahlt er nicht mehr –

Es ist vorbei, nun bin ich freudeleer!


Quelle:
Carl Reinecke: König Manfred. Leipzig [o. J.], S. 16-18.
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