Das V. capitel.

Krumrückers rat, das man keinen stolzen, verzagten oder auch zu starken und mutigen könig weislich erwele.


"Als nun dies lermen und auflaufen

Gestillet war im großen haufen,

Hielten rat die vornemsten herren

Auf der ganzen gemein begeren,

Wie man das regiment bestellt,

Das fromme leut in dieser welt

In fried und erbarkeit sich nerten

Und ihrer feinde sich erwerten.

Da kam herfür mancher anschlag,

Des ich nicht all gedenken mag,

Will nur sagen von dreien alten,

Deren rat ist wol zu behalten.

Der erst, Krumrücker, ein freiherr

Von hundert seinen anen her,[199]

Fieng an sein haupt empor zu lenken,

Sagt dies für sein ratsam bedenken. –

Gut wer es, meine lieben herren,

Das wir on einiges beschweren

Friedlich in eintracht leben möchten,

Nicht schedliche verandrung söchten.

Das auch vielleicht were geschehen,

Wenns solt nach unserm willen gehen,

Und nicht einander on vermuten

Uns unterworfen seiner ruten

Und ganz zu leibeigen gemacht,

Der uns dazu noch spot und lacht,

Als sei uns mer denn recht geschehen;

Das müssen wir ihm nicht gestehen,

Wolzeitig raten zu den sachen,

Nicht lassen übel erger machen.

Dazu ist mein meinung und rat:

Obgleich der Beißkopf kein recht hat

Und auch nicht haben soll, am reich

Zu regieren eim könig gleich,

So acht ichs doch nicht gut zu sein

Für uns und unser land gemein,

Das wir ein könig wolten welen,

Ihm alles regiment befelen,

Das er übr uns und untertan

Alle gewalt und macht solt han,

Seines gefallens tun und lassen,

Wie der Beißkopf getan dermaßen;

Weil es gar leichtlich kan geschehen,

Das wir uns in der wal versehen,

Ein narren für ein weisen nemen,

Ein Wütrich für Friedrich bekemen. –

Die vogel wolten gleichesfals

Ein könig haben auch ehemals,

Da gab sich an Hoffart, der pfau,

Prangt herein wie ein hochzeitfrau,[200]

Ließ als ein rad stehen den schwanz,

Beschauen seiner spiegel glanz,

Erschrecklich rauschen seine federn

Wie das wasser in den wildbedern,

Strecket sein haupt großmütig dar,

Welchs algereit gekrönet war.

Die vogel mit zittern zusahen,

Wusten darwider nichts zu sagen;

Denn solche wunderbar schönheit

Ward gesehen an keinem kleid.

Weil ihn nun got selbst hett gekrönt,

Billig man ihm das reich auch gönt.

Billig eret den jederman,

Dem got erliche gaben gan;

Dem got gab tugend, kunst, ansehen,

Bei dem solt jeder gehn und stehen,

Seinen mangl und schwachheit erkennen

Und, der herr ist, ein herren nennen. –

Bis endlich ein spöttischer man,

Markolf, der heger, dazu kam,

Besahe an pfauen schnabl und füß,

Ob er auch beißen kunt die nüß,

Was er redet, wie er geberd,

Ob er auch wer der eren wert.

Sprach: Auserwelter schöner pfaue,

Wenn ihr sein solt eins königs fraue,

Wüst ich kein schöner zu welen,

Der man solchen stand möcht befelen;

Aber zum könig und zum herren,

Unsers reichs allerhöchsten eren,

Weiß ich nicht, ob ihr dienen werdt,

Wie ser ihr auch die federn spert.

Denn wenn ihr nur wolt gehen prangen

Und alles auf das ansehen hangen,

So werden sich fuchsschwenzer finden,

Mit list euch all eur gut abschinden,[201]

Als wenns billig vererung weren,

Darein ihr euch nicht solt beschweren.

Und wenn euch die so kal geplückt,

Das ihr kein feder habt am rück,

So wolt ihr denn die untertanen

Um steur und eren notdurft manen,

Mit meiner odr eins andern feder

Widrum bespicken euer leder,

Euch behengen mit edelgestein,

Demant, rubin, carfunkelein.

Die sind ser edel, schön und klar,

Aus India bezalet bar;

Es sind seufzer, blutstropfen, trenen,

Die arme leut von herzen senen,

Den man das brot zum mund auszwingt,

Mit schatzen, pfenden, kerker dringt,

Damit der hoffart und fürwitz

Nur wie ein pfau bespiegelt sitz.

Das der sich aufbleh und ausbreit

In perlen und im purpurkleid,

Müssen viel hundert tausend schnecken

Ihr haus, blut und leben da strecken,

Ob sie gleich gar unschuldig sein –

Des werlosen gut ist gemein –

Ja er zeugt den sterbkittel abe

Dem todten seidenwurm im grabe,

Welchen er selber hat gemacht,

Und braucht ihn zu nerrischer pracht;

Da es doch ist ein alt gesetz,

Das man die todten nicht verletz.

Das alber schaf muß auch har lassen

Und one woll gehn auf der straßen;

Die woll es auch seim herren gönt,

Wenns nur die haut behalten könt. –

Den vögeln bald dieselbe wal

Auf diese red gereuet all,

Das sie den adeler erwelten,[202]

Alles in seine gewalt stellten.

Derselbig fürt zwar keine pracht,

Blieb bei der gewönlichen tracht,

Spart auch zusam viel geld und gut,

Widrstand dem feind mit hohem mut;

Aber sein untertane leut

Waren seiner wenig erfreut,

Er hört nicht ihr not und klagen,

Wartet sein weidewerk und jagen,

Fieng kaninchen, hasn und rehe

Und sonst viel ander wildpret mehe,

Als wer er um ein großes geld

Für ein jegermeister bestellt

Oder mit Nebucadnezar

Verdamt zu der bestien schar,

Und nicht gesetzt zum landesherren,

Sein leut zu regieren mit eren,

Zu befordern gericht und recht

Zu schützen den herren und knecht.

Wenn auch jemands um gar gering

Ihm zu viel für den augen gieng,

Oder heimlich angeben ward

Als gfiel ihm nicht des königs art:

So nam er ihm dazu kein zeit,

Das er fordert der sach bescheid,

Sondern fur auf in großem zorn,

Als hett er sinn und witz verlorn

Oder wer bei der finster nacht

In trunkner weis ongfer erwacht,

Und riß und biß alles auf stücken,

Das für ihm niemands dürft aufdücken.

Er ließ auch gar kein vorbitt gelten,

Wie herzlich sie die auch anstelten. –

Denn wie die nachtigal ihn fand,

Das er bei ihrem nestlein stand,

Bat sie, er wolte doch aus gnaden

Ihrn unschüldign kindern nicht schaden,[203]

Oder got würde richter sein.

Er sprach: Was sol mein lon denn sein,

Wenn ich ihnen mein gnad zusag? –

Ach, sprach sie, alls was ich vermag. –

So fahe, sagt er, ein liedlein an,

Dessen ich mich erfreuen kan!

Die mutter sang mit bittern schmerzen,

Aber künstlich von ganzen herzen:

Das ich nur muß elende sein,

Für freud leiden traurige pein,

Klag ich dir, got, in meiner not,

Behüt mein kinder für den tod!

Mein herzer vater Pandion

War ein könig und königsson,

Im Griechenland herlich bekant,

Seine stadt war Athen genant.

Meine schwester, Progne mit namen,

Hat ein könig von Martis samen,

Der Tereus hieß, war mein verdrieß.

Ach das mein vater mich verließ!

Der Tereus solt für allen dingen

Mich zu meiner schwester hinbringen,

Als sie begert, und er ihr schwert,

Und ich herzlich wolt sein gewert;

Er sagt ihr aber, das im mer

Ich gstorben und verdorben wer,

Das er nicht meint, doch böslich greint.

Mein schwester unaussprechlich weint.

Als aber ihn der teufel blendt,

Das er mich schelmisch zwang und schendt,

Und ich al tag für jammer klag,

Draut auch ernstlich mit der nachsag,

War das zuletzt die morgengabe,

Das er mir schnitt die zungen abe,[204]

Dazu ich ward gefangen hart

Und acht jar im waldschloß verwart.

Wol sagt man recht, das not bricht eisen!

Mein elend kont mich unterweisen,

Das ich die sach im Schleier mach,

Bitt mein schwester um rat und rach.

Die kam zu mir, wies fast nacht war,

Fürt mich wie sie vermummet gar,

Ihren son schlacht, zur speise macht

Und dem könig zu essen bracht.

Der könig fragt: Wo bleibt mein son?

Sie sprach: Er ist der schwester lon;

Du, ervergessen, hast ihn gfressen,

Schau, der kopf hat auf ihm gesessen!

Der könig sie und mich ansahe,

Zuckt das schwert, das er uns erschlage;

Eilet geschwind; wir abr im wind

Ihm allebeid entflogen sind;

Mein schwester ein hausschwalbe wird,

Von ihrem son den blutfleck fürt,

Ich, Philomel, ein nachtigal,

Klag meine not bergen und tal.

Tereus ward mit dem gkrönten kopf

Und krummen schwert ein wiedehopf;

Sein art nicht lest, tut in sein nest,

Fragt: Wo, wo ist mein son gewest?

So muß ich bauen mein elend,

Bis das es got mit gnaden wend.

Der könig allein mein kinderlein

Und mich verschon mit schwerer pein!

Ich wil zu got tun mein gebet

Für eur königlich majestet,

Das er der geb, das sie lang leb

Und in wolfart und freuden schweb. –

So war der nachtigaln gesang,

Das lieblich, abr erbermlich klang.

Da sprach der adler also fort:

Am gsang taug weder weis noch wort,[205]

Es füllt die oren, nicht den magen,

Dem muß ich sein speis nicht versagen.

Kanst du beten, so bitt für dich,

Darfst dich nicht bekümmern um mich!

Und fraß die kinder one dauren,

Ließ die elende mutter trauren.

Für der grausamen tyrannei

Ist nunmer auch kein vöglein frei,

Das sie noch bis auf diesen tag

Ueber ihre wal halten klag,

Das sie auf diese torheit kamen,

Einen tyrannen zum könig namen.

Das, fürcht ich, könt im gleichen fall

Uns auch so gehn mit dieser wal."
[206]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 199-207.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Froschmeuseler
Froschmeuseler (9 )
Froschmeuseler
Froschmeuseler, Volume 1 (German Edition)

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Die beiden betuchten Wiener Studenten Theodor und Fritz hegen klare Absichten, als sie mit Mizi und Christine einen Abend bei Kerzenlicht und Klaviermusik inszenieren. »Der Augenblich ist die einzige Ewigkeit, die wir verstehen können, die einzige, die uns gehört.« Das 1895 uraufgeführte Schauspiel ist Schnitzlers erster und größter Bühnenerfolg.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon