Das III. capitel.

Wie der Murner aus einer schönen jungfrauen zur katz worden.


"Denn wie ich hört hab von den alten,

In meiner jugend noch behalten

Und in den poeten gelesen,

Ist Murner vor ein mensch gewesen,

Ein schön jungfrau, zierlicher sitten,

Nach der viel junkern habn gestritten.

Sie stand auch immer an der tür,

Wartet, ob jemands gieng dafür,

Dem gab sie viel der süßen wort,

Verhieß ihm auch ihr freundschaft fort;

Wenn er aber nun war enzundt,

Alles ihr zutrug, was er kunt,

Hoffend, das er der liebste wer,

Keiner würd vorgezogen mer,

So übergab sie ihn untreulich

Und redet von ihm gar abscheulich

Mit unverschemten lesterworten

Bei andern an vertrauten orten,

Sagt, das sie ihn hielt für ein gauch.

So tat sie mit den andern auch,

Denen sie doch oft schwur ein eid,[68]

Wünscht ihr selbst alles herzeleid,

Wo sie die nicht hielt lieb und wert,

Wolt auch tun, was ihr herz begert;

Gedacht doch: ja wol, hinter sich!

Dein geld und gut das meinet ich!

Lacht ins feustlein derselben gecken,

Die sich die wort so ließen schmecken,

Alles glaubten, was man nur sagt,

Das mancher narr mit schaden klagt.

Wie die schlang, Empusa genant,

Wont in der Afrikaner land,

Unten ein wurm, oben ein weib,

Mit schönem angsicht, brust und leib,

Mit züchtigem zarten geberd,

Als wer sie eines engels wert:

Die sich in dem gebüsch versteckt,

Bis an den halben leib bedeckt,

Und lest sich nicht ferner anschauen

On so weit sie gleicht einer frauen;

Geht einer von jungen gesellen

Nach hasenküren, vogelstellen

Oder ledig im wald spazieren,

Lesset ihm die vogel hofieren

Und trift ongefer ihren stand,

Schaut sie ihn an, halb abgewandt,

Mit liebeseuglein seuberlich,

Als ob sie wolt und wegert sich,

Wird bleich und rot, ob sie sich schem

Und gern was für die augen nem,

Wenn sie nicht wer on hend und kleid,

Bewegt ihn zur barmherzigkeit,

Das er zutrit, nimt sie in arm,

Küsset ihr rotes mündlein warm,

Fasset ihr brüst klein mit den henden,

Wil sich mit ihr zum lager wenden;[69]

Bald schleust um ihre brust ein schal,

Begreift ihm die arm überal,

Das er muß ihr gefangner sein;

Der böse wurm beist zu ihm ein

Mit seinem drachenkopf und rachen,

So unten aus dem schwanz herbrachen,

Reist ihm erst ab sein tasch, wer, kleid,

Darnach die haut, fleisch, eingeweid,

Endlich das herz, gehirn, mark, beine,

Das har bleibet über ganz alleine;

Weil aber der gsel in solcher not

Sein hende los bittet durch got,

Bekomt das weib hundesgestalt,

Das sie nur zankt, murt, beist und balt. –

Wie vor zeiten im Südersee

Auch taten viehe und menschen wehe

Die Sirenen, waren merfrauen,

Ser fein und freundlich anzuschauen,

Sangen holdselig liebliche reien

In bosaunen, pfeifen und geigen,

Das zu ihn fur, wer es nur hort,

Wer aber kam, der ward ermordt;

Wie feur das stro küst und anlacht,

Bis das es alls zu aschen macht. –

Ja wie der wolf, hyena gnant,

Zu tun pflegt in der Moren land,

Der lernt die hund rufen bei namen

Und locket sie freundlich zusamen,

Frißt sie darnach, wien fuchs die raben. –

So tat die jungfrau auch den knaben.

Dis trieb sie nun so lang und fest,

Bis ein schöner jüngling zu lest,

Edel und reich, sie dazu bracht,

Das sie ihn zu nemen gedacht.

Die hochzeit ward auch angefangen

Und kamen zu der kirch gegangen,

Doch ließ sie ihre tücke nicht,

Es brant ihr herz und angesicht[70]

Nach den gesellen, die da waren,

Wer gern zu dem haufen gefaren

Und ihrer noch etlich gefangen,

Sie in unkost bracht und verlangen;

Sie winkt ihn zwar mit augn und henden,

Must sich doch nach der kirch hinwenden,

Abr da sie noch saß fürn altar,

Dies gar allein ihr andacht war:

Sie wolt und kunt an einem man

Durchaus allein kein gnügen han.

Und als der pfarrer las die ler:

Der man sol hinfort sein dein herr!

Sprach sie bei sich: mir gescheh kein er,

Wo ich nicht auch sein meister wer.

Da verdroß got das untreu herz

Und straft sie mit eim bösen scherz:

Ein meuslein kroch aus dem altar,

War anzusehen ganz und gar,

Wie sie daucht, an geberd und fell

Als ein übraus schöner gesell;

Für dem kunt mein jungfrau nicht bleiben,

Das herz wolt ihr zum mund austreiben,

Und fur unsinnig zu dem knaben,

Wolt ihn geherzt, geküsset haben;

Da war des gesellen gestalt aus

Und ward und war ein ware maus,

Und mein Ketherlein ward ein katz,

Das sie kein gesellen mer fatz.

Dieser geschicht sie noch gedenkt:

Wenn sie irgend ein meuslein fengt

Beschaut sie das mit allem fleiß,

Spielt damit wunderlicher weis,

Obs nicht sei der schöne gesell

Und sich da in die maus verstell;

Wenn sie denn spürt alles verlorn,

Frisset sie ihn mit großem zorn.

Wie auch Salomons katz nicht wolt[71]

Das licht mer halten, wie sie solt,

Sondern der maus nachsprang zuletzt,

Die Markolf aus dem ermel setzt.

Desgleichen, wenn sie hochzeit machen

Und verrichten ihre brautsachen,

So scheuen al katzen das licht;

Der freudenspiel treiben sie nicht,

Sondern weinen wie kleine kind,

Die von der mutter verstoßen sind,

Das man dafür erschrecken möcht

Und noch vielmer dabei gedecht,

Das sie ein todte leich beweinten,

Denn das sie eine hochzeit meinten.

So jammert ihnen ihr elend,

Das ihr gestalt so ist geschendt

Und sie für schöne jungfreulein

Vierfüßig tier geworden sein.

Ja sie wollen bei weibern sein,

An ihrem kleid sich schmücken fein,

In ihren menteln rugen, schlafen,

Wo sie es nur je können schaffen,

Als ob sie ihres gleichen weren

Und mitgenossen ihrer eren.

Fürwitz und untreu strafet got

Hie im leben und nach im tod.

Drum ich in großen trauren stehe,

Wenn ich noch solche jungfraun sehe,

Fürcht, das ihr mer zu katzen werden,

Beweisen uns mer trotz auf erden. –

Das ist der Murner, lieber son,

Und nicht der könig mit der kron."
[72]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 68-73.
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