Das IV. capitel.

[73] Beschreibung des hauspropheten.


"Der könig mit der purpurkron

Und roten bart, mein lieber son,

Ist unsers wirtes hausprophet,

Der anzeigt, wie das wetter steht,

Und wie die nachtwach sei getan,

Wie am zeiger die stunden gan,

Und ist gewiß der redlichkeit,

Das er kein meuslein tut ein leid,

Uebervorteilt niemand mit list,

Handelt aufrichtig jeder frist,

Das er lieber den teufel sehe,

Denn das jemand mit ihm umgehe,

Der anders red mit seinem mund

Denn er meinet ins herzen grund;

Wil aber eins seiner har han,

Mutet sein weibern unzucht an,

So setzt er sich manlich zur wer,

Erhelt mit seinem blut sein er.

Darum du seine wort nicht al

Gar recht verstehest auf dismal;

Er hat damit dis wollen sagen:

Die glock hat abermals geschlagen.

Die aber um und bei ihm sein,

Sind alle sein hausmütterlein,

Deren er soviel nimt zun eren,

Als er sich getraut zu erneren,

Wie bein menschen der Salomon

Ehmals im ehstand auch geton:

Die lert er from und heuslich wesen,

Die körnlein von der erden lesen,

Und ins nest legen weiße eier,

Davon man kuchlein beckt wie schleier.[73]

Zu denen magst du wol hingehen

Und nach deiner notdurft zusehen,

Sie gönnen dir gern deinen teil,

Ihr wolfart ist auch unser heil.

Murner ist aber beiden feind,

Mit keinem teil ers treulich meint,

Hat oft auch ihr kinder genommen,

Wo er sie vermocht zu bekommen,

Ja er ist so vol böser list,

Das er die eltern selber frist;

Das auch der jetzig hausprophet,

Der noch im hof spazieren geht,

Riechwetter, der mutige han,

Von dem schelm ward geklaget an,

Das er den tod verschuldet het,

Weil er also die hüner tret,

Mer weiber het, denn sichs gebürt,

Darum er ihn erwürgen würd. –

Der prophet die schrift allegiert,

Sprach: Meinem stand also gebürt,

Wie die patriarchen zu leben,

Weil ich zur tauf mich nie begeben

Oder zu eim gesetz verbunden,

Welchs dem mantier zum recht erfunden,

Bin auch davon in allem recht

Befreiet mit meinem geschlecht,

Des namen von dem alten got

Nicht gedacht ward im eheverhot;

Darum der pfarr und al gelerten

Mir dies zu keiner sünde kerten,

Sondern straften mich noch vielmer,

Wenn ich hierin nachlessig wer,

Wie sie derhalben meinen bruder,

Weil er viel müssig lag im luder,

Auf dem söller beim weizenhaufen,

Seine weiber ließ manlos laufen,

Getödtet haben und gebraten,[74]

Die keuschheit wolt ihm nicht geraten.

Wenn ich aber mein ehe nicht hielt

Und wer nach fremden weibern wild,

Die meinen tret aus haß und neid

Und nicht aus lieb und freundlichkeit,

Dazu sie mir als ihrem herrn

Unterworfen sind willig gern,

Thun gern was ich von ihn beger,

Wenns gleich mit etwas eifer wer.

Den sommer schendt kein donnerwetter,

Liebschleg fallen wie rosenbletter.

So hettestu wol etwas klag,

Aber der hausherr die rechtsfrag,

Der unser beider richter ist

Und wil nicht, das du hüner frist,

Ihm vorgreifest im hausgericht

Wie ein reuber und bösewicht.

Der hat kein erlichen tropfen blut,

Der dem unschuldigen schaden tut,

Wie du getan meinem großvater.

Der teufel wird noch sein dein bader;

Wenn du mirs aber wolst vertragen,

Wolt ich dir ein fein gleichnus sagen."
[75]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 73-76.
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