Das IX. capitel.

[91] Reinik erwürget des hauspropheten großvater.


"Also tat ich mit dem haushanen,

Herren Kuckelrücken mit namen:

Derselb einmal zu mitternacht

Die stunden ausrief, das es kracht,

Auf seiner stangen da er was,

Bei seinen liebsten weibern saß.

Das hort ich an und sprach zur stund

Aus meinem wolberedten mund:

Was ist das für ein engelstim,

Die ich an diesen ort vernim?

Bin ich so selig nicht auf erden,

Das ich doch möcht berichtet werden,

Wer damit sei so hoch begabt?

Für allen stimmen sie hertrabt! –

Der gute han im finstern stal

Nicht recht kont sehen überal,

Meint, es wer sonst ein geistlich man,

Ders aus getreuen herzen getan,

Antwort: Ich bin der hausprophet,

Der wind und wetter wol versteht

Und kan die nachtwach treffen eben,

Dazu ist mir die stim gegeben,

Denn zu mitternacht und mittag,

Drei stunden zuvor und hernach

Eh die son auf- odr untergehet,

Der himmel noch rotgelblich stehet,

Wenns drei, sechs, neun und zwölf wil schlagen,

Kan ich die stund gewiß ansagen,

Danach das hausgesind aufstehet,

Der kriegsman auf die wacht angehet,

Derhalben auch mich die heerwagen

Zum krieg für knecht und reuter tragen.

Wenn ich aber die stund nicht halt,

Verendert sich das wetter bald,[91]

Regen folgt auf den sonnenschein,

Nach der son wird trüb wetter sein,

Ja wann meine weiber laut schwatzen,

Als die regenwetter herplatzen,

Oder müßig die federn pflücken,

So wil ein wetter herzu rücken.

Ist der mensch klug, er tue mirs nach,

Oder sag meiner kunst ursach,

Die noch kein gelerter erraten,

Aß er gleich mein kinder gebraten.

Darum muß ich für allen tieren

Mein angeborn erenkron füren

Und meinen zweispitzigen bart

Nach aller hauspropheten art. –

Ach, sagt ich bald, verleihe mir got

Aus barmherzigkeit die genad,

Das ich in diesem mist alhie

Nur seß auf meine bloße knie

Und mit meinem sündlichen mund,

Der nichts denn übels reden kunt,

Unwürdiglich an deiner stirn

Küsset das heilige gehirn,

Darin der prophetische geist

Seine wonung helt allermeist;

Das wolt ich bei all meinen tagen

Got danken und mein kindern sagen! –

Der haushan nam in guter acht

Meine so heilige andacht,

Sprach: Ich sol meinem nechsten man

Mit allem dienen, wo ich kan,

Ja auch mit meinem leib und leben,

Darum wil ich dir den wunsch geben,

Wenn dir damit gedienet ist.

Sprang zu mir hinab auf den mist

Und reicht sein haupt treuherzig dar,

Wust nicht, das ich ein mörder war

Ich biß ihm bald den kopf entzwei,

Das er kracht wie ein frisches ei,

Und spottet seiner noch dazu:[92]

Wenn ein prophet werest du,

Hettest du den kopf nicht hergereckt.

Da ligt der prophet tot im dreck!

Damit nam ich ihn bei der brust,

Trug ihn hin da ich gselschaft wust,

Die sich der arbeit nicht beschwerten

Und den propheten gar verzerten."
[93]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 91-94.
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