Das X. capitel.

Reinik bringet Petz den beren mit den mantieren zu kampf.


"Das ich aber vom raben sag,

Und wie ich die hüner hintrag,

Ist durchaus darauf nicht gemeint,

Das ich verzag am grösten feind,

Sondern der leue, wolf und der

Dürfen mich nicht ansehen überquer,

Oder ich reiß ihn wider possen,

Das sie merken, mich habs verdrossen.

Also ich, wie gestern gedacht,

Den Braun auf den honigmark bracht

Und seinen bruder Petz in not,

Weil er mir oft gedraut den tod,

Drum das ich seiner het gelacht,

Wenn er sein anschleg nerrisch macht,

Wie denn weisheit und guter rat

Im feisten wanst wenig raum hat.

Denn als ich die nacht hatt gejagt

Und gegn morgen, ehe denn es tagt,

Wider heim eilt zu meinem schloß,

Widerfur mir ein loser poß,

Das mir ungefer unterwegen

Der hungrig Petz stutzet entgegen

Auf einen engen schmalen steg,

Zu jeder seit war sumpf und dreck.[93]

Ich dacht: nimst du zurück die flucht,

So findt er was er hat gesucht

Und ergreift dich; bleibst du hie stehen,

So wirds dir auch ans leben gehen.

Zu glück war da eine hole weid,

Darin kroch ich über die seit,

Fieng an zu kotzen und zu schneuzen,

Kleglich zu stönen und zu seufzen,

Und sprach: Ach das ich wünschen kunt,

Das ich leg in der erden grund;

Das ich niemand in schaden setzt,

Nicht ander tier tötlich verletzt! –

Petz hieng den kopf und sahe mich an

Und sprach: Reinik, mein lieber man,

Was ist dein klag, was ist dein not? –

Ich antwortet: Itzt bin ich tot.

Das mantier hat mir gift gegeben,

Darum kan ich nicht lenger leben;

Und wer mein as reucht oder ist,

Selber den tod ins herze frist.

Ich aß mit gift gefüllte feigen,

Darum kan ich nimmer gedeien. –

Petz ward zornig und sagt zu mir:

Lieber, was ist das für ein tier?

Für mich, da ich dasselbig sind,

Ich zerreiß es auf stück geschwind

Und bezal ihm damit sein gift,

Ehe denn es dir das herze trift. –

Ich sprach: Ach mein Petz, edler herr,

Ich bedank mich der großen er,

Das ihr aus lieb zur grechtigkeit

Mir tröstlich seid in meinem leid

Und seid über das noch bedacht,

Mit unüberwindlicher macht

Wider das bös mantier zu kempfen

Meinenthalb ganz und gar zu dempfen.

Ich bin ser mat und mag nicht leben,

Wil mich doch auf die reise geben[94]

So weit mit kriechen, hinken, gehen,

Bis das ihr seht das mantier stehen.

Es ist ja rach süßer denn leben,

Was solt man um sein feind nicht geben!

Geht ihr nur vor, dahin ich sag,

Das euch nicht irr meins atems plag. –

So kamen wir vom engen steg

An des waldes eingang beim weg

Und traten in ein dick gesteud,

Zu schauen auf die wandersleut.

Bald hinkt heran ein Lappenheuser,

Hieng das haupt wie ein alt Carteuser,

Wolt hin aufs dorf zur bettelei.

Petz fragt: ob er das mantier sei.

O nein, sagt ich. er ists gewesen,

Das spürt man bei der blauen nesen.

Drauf folget ein knab im bloßen kopf,

Trug in der einen hand ein topf,

In der andern sein morgenbrot

Und sang mit furcht: Aus tiefer not!

Wolt aber suchen walderdber.

Petz fragt aber, obs dieser wer.

Er wirds noch werden, sprach ich wieder,

Jetzund ist er gar from und bieder.

Endlich der jeger einher trat,

Armbrust, spieß, schwert und hunde hat,

Einer hieß Greif, der ander Halt,

Waren ser wol bekant im wald,

Hatten manch schwein und hirsch gefangen,

Es war ihnen kein wolf entgangen.

Da sagt ich: Da kömt das mantier,

Ich muß sehn, wo ich mich verlier,

Es ist mir zu stark und behend. –

Petz sprach: Frisch auf, mein liebe hend,

Und rücket dem mantier die kap,

Das es den letzten odem schnap! –

Damit sprang er ihm fort entgegen.

Die hund furn auf den Petz verwegen,[95]

Griffen ihm tapfer nach der kelen;

Er gdacht: Du must wider nicht felen.

Und wie Hippolten, Martis kind,

Als sie ihm kampf bot so geschwind

Der Hercules nam in die arm,

Das ihr ausfur beid sel und darm:

So druckt Petz den Halt an die brust,

Das ihm entfiel wasser und wust

Und der rückgrat mitten zubrach.

Dem Greifen er also zusprach,

Das ihm die derm fürn füßen hiengen,

Da hört man ein erbermlich singen.

Indes ward der jeger gefast,

Schoß etlich pfeil in großer hast

Ihm in den pelz, arm, bein und lenden.

Petz zog sie aus mit seinen henden

Und gieng zum jeger aufgericht,

Das er sein gschoß kont brauchen nicht,

Sondern dem Petz entgegen schmiß,

Nam zu beiden henden den spieß,

Setzt ihm den manlich an die brust,

Das war zu sehen schöne lust,

Und ich het drauf verwett ein land,

Er het ihn durch und durch gerant.

Abr Petz fasset den streich gewiß

Und schlug den schaft hinweg vom spieß,

Das der jeger zu boden gieng

Und ich zu verzagen anfieng.

Dieweil abr Petz das eisen zog,

Das ihm vom pfeil ins auge flog,

Die zung auch weit zum hals ausreckt

Und aus zorn seine finger leckt,

Sprang der jeger wider auf gering,

Ruckt aus seines schwerts scharfe kling

Und strich und stach zu Petzen ein

Ueber den kopf, hend, arm und bein,

Das er vom blut ward rot und naß

Und das link or hinfiel ins gras. –[96]

Zu seim glück kam ein weib herknarren,

Ihr mel zu holn auf ein schaubkarren

Aus der mül, so da lag am wasser.

Als Petz vernam das groß geprassel

Und sah das rad zu ihm angehen,

Kont er für schrecken nicht bestehen,

Sondern lief unsinnig holzein.

Der jeger kert auch wider heim,

Sich um leut und hund zu bewerben.

Der Petz sol von sein henden sterben."
[97]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 93-98.
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