Das IV. capitel.

[17] Bröseldieb rümet seine manheit, sterk und ansehen.


"Sonst bin ich zwar klein von person

Und meiner eltern gleicher son,

Aber das herz ist groß und gut,

Dabei ein unverzagter mut,

Wie denn die größ kein hirsch macht stark,

Man findt auch manchen helden zwark,

Das auch oft ein ser kleiner hund

Ein groß wildschwein aufhalten kunt,

Man findt auch manchen wackerlos,

Der auf dem mist ligt groß und foß.

Das größt tier ist der elephant,

Ich kan ihn jagen aus dem land,

Und wenn entstehet kriegsgefar,

Ich bleib und weich nicht um ein har;

Ich darf ganz unerschrocken laufen,

Da man sich schlegt und sticht mit haufen.

Kein man war je so groß und stark,

Vor dem ich mich aus furcht verbarg,

Ich kriech ihm nach ins bet mit fleiß

Gleichwie die künen flö und leus,

Such korn und wenn im bettestro,

Bin mit seiner unlust ser fro;

Ob er gleich ungedultig wird,

Mancherlei seiner klagen fürt,

Hinter sich schlegt, alles umkert,

Auch nach mir sticht mit bloßem schwert,

Vermeint mich damit zu erschrecken

Und zum schlaf friedlich sich zu decken:

So acht ich doch das pochen al

Nicht um einen vergebnen schnal,

Sondern wenn sein augen nicht sehen,

Beiß ich ihm nach den großen zehen[17]

Und kneip seine waden mit macht,

Das er mit ungedult erwacht

Und doch nicht weiß, das ich ihn beiß.

Der possen ich mancherlei reiß.

Ihr vil halten für weisheit auch

Diesen wunderbarlichen brauch,

Das sie an ihrem bet daneben

Mir eine hand vol weizen geben,

Das ich sie friedlich schlafen ließ;

Aber ich acht nicht des genieß,

Vil lieber war mir der vorteil,

Den ich durch mein jagen ereil

Und mit meiner arbeit erwürb,

Ob gleich mein feind für wachen stürb.

Damit sie aber mich nicht sehen,

Pfleg ich mit ihn so umzugehen,

Wie Ulysses und Diomed

Zu Troja bei der nacht gar spet

Der Pallas sieghaft bild wegnamen,

Als sie heimlich zur kirchn einkamen:

Ich find mich erst bei die lucern,

Die vom feur leuchtet wie ein stern,

Und rück das dacht zur lampen aus

Und schleif es weit hinweg ins haus,

Das sie noch got danken daneben,

Das sich das one brand begeben,

Und halt danach die finster mette,

Trotz einem der mir das nachtete,

Der so dürft scherzen mit dem feur,

Das lachen solt bald werden teur.

Noch neulich begaben sich sachen,

Der ich bei mir muß selber lachen:

Der ochs lag müssig in dem stal,

Die speis zu keuen andermal,

Und als ich daselbst auch hertanz,

Schmeist er nach mir mit seinem schwanz.

Ich sprach: Du großer fauler tropf,[18]

Hast du bei hörnern ghirn im kopf,

Ein herz im leib und sterk in beinen,

So setz sie künlich an die meinen,

Ich wil mich deiner wol erweren,

Den sieg davon bringen mit eren!

Der ochs sprang auf in großem zorn

Und sprach: Dein leben hast du verlorn,

Ich wil dich mit eim grif umbringen,

Wil die flieg mit dem elphant ringen? –

Ein narr ist, der sein feind veracht!

Sagt ich und nam mein sach in acht,

Wie Davids stein dem Goliath,

So für ich ihm ins stirneblat,

Setzt ihm die zen tief in die haut

Zwischen den hörnern; er rief laut,

Er sprang, er stampt, er stieß die wend,

Poltert herum von ort zu end,

Das ihm der schaum ran aus dem mund

Und er kein atem holen kunt,

Wie der leue, den der Samson fieng,

Als er nach seiner jungfrau gieng.

Endlich fiel er auf sein knie

Und sprach: Solt ich gleich sterben hie,

So kan ich mich dein nicht erweren,

Ich muß aus not dein gnad begeren;

Laß mich los, ich wil dir zusagen,

Das ich bei allen meinen tagen

Keiner maus wil zufügen leid,

Ich wil ihr schonen jederzeit,

Sie hab bei mir ihrn freien gang,

Ner sich von meiner speis und trank. –

Dies zeig ich nur derhalben an,

Das ich fürcht weder viehe noch man,

Und man daraus die rechnung mach,

Wie schlecht ich schetz geringe sach.

Was solt der maulwurf wider mich

Oder eidechs versuchen sich?[19]

Ich halt eine schlang bei der kel,

Bis ich sie aller todt hinquel,

Ja ein ganzes fenlein heuschrecken

Wolt ich mit einem sprung erschrecken

Und ein halb tausend grillen jagen,

Mit süßen treten und zerschlagen,

Wie ich noch hab bewiesen heut:

Denn wie ich auszoge nach beut

Und einen kirschbaum het erstiegen,

Fieng an die zweigelein zu biegen,

Da flogen rottenweis hinweg

Der heuschrecken ein groß getreck

Und auch der käfer manche art,

Da sie spürten meine gegenwart;

Denen bin ich so nachgeeilt,

Das meine diener mein gefeilt,

Und ich mit den vieren bin kommen,

Allein zu trinken aus dem bronnen.

Dieweil aber der her der welt

Sein regiment also bestelt,

Das kein tier lebet überal,

Es hat seinen feind und unfal,

Ja das verachte greselein

Hat seinen feind am schefelein,

Das schaf den wolf, der wolf den hund,

Der hund des beren klaun und mund,

Der ber den großmutigen leuen,

Und der leu muß das mantier scheuen,

Das mantier eins das ander mordt,

Das man von keinem tier sonst hort,

Denn dies das allerbösest ist,

Beide mit sterke und mit list.

Damit niemand auf dieser erd

Zu ser stolzier und sicher werd,

So hab ich auch samt meinem geschlecht,

Die uns zwingen mit dem faustrecht;

Doch ihr nur drei in der welt sind,

Die ich für alles fürcht geschwind:[20]

Den falken und die leidig katz,

Tun mir beide großen aufsatz,

Die fal auch mit ihrem notstal

Bringt in unfal mich oft zu fal,

Von welchen wer zu lang zu sagen,

Und die am freudentag zu klagen

Euer lieb halt mir das zu gut,

Was sonst die jugend alle tut,

Braucht unbedacht weitleuftigkeit.

Sonst ist warhaftig der bescheid."
[21]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 17-22.
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