Das I. capitel.

[78] Wie der storch der frösche könig ward.


"Als nun die frösche angesehen,

Was ihrem könig war geschehen,

Das ihn der baur hat weg gebracht:

Da ward erst der Marx hoch veracht

Mit dem beistand der alten herren,

Keiner wolt ihr mer einen eren.

Koax der war der beste man,

Dem hieng nimmer ein jeder an.

Der hieß die gemein ziehen ins haus

Und einmal wieder schlafen aus;

Sobald die morgenröt anbrech,

Wolten sie halten neu gesprech,

Versuchen, was für rat gefelt,

Wie das königreich werd bestellt. –

Got aber hat an diesem allen

Ganz und gar durchaus kein gefallen

Und schloß, er wolt ihn einen stellen,

Würden sie die wal auf ihn fellen,[78]

Er solt ihn die hauben so rücken,

Das sie sich müsten für ihm bücken.

Der narr kem doch sonst nicht zur witz,

Ehe denn er sich am schaden schmitz.

Drum als vergieng die finster nacht,

Die morgenröt den tag anbracht,

Die frösch auch all beisamen waren,

Des Koaxen rat zu erfaren,

Sahen sie einen stolzen man

An dem ufer spazieren gan

Und eine schlang gering bezwingen,

Im angriff tödten und verschlingen;

War als ein halb kamel gestalt,

Etwas kleiner, schön ausgemalt,

Sein angesicht schön weiß und rein,

Sein augen wie karbunkelstein,

Sein mund schön rot wie die kornrosen,

Rote stiefeln trug er für hosen,

Sein schneweiß kleid war schwarz gezieret,

Sein pantufl horn, glanz auspolieret

Und gehertet mit schlangenblut,

Als Signoten harnisch und hut,

Anschaulich, prechtig und großmütig,

Aber dabei leutselig gütig

Anzusehn der ganzen gemein.

Jeder rief: Der sol könig sein,

Wenn der das reich wil nemen an,

So haben wir den rechten man!

So murt und quackt beid groß und klein,

Obgleich die alten sprachen: Nein! –

Der Koax sich selber entsetzt,

Wolt doch nicht gern bleiben der letzt,

Sondern zog mit hin zu dem man,

Sprach ihn ihr aller wegen an:[79]

Gnad, herr, das ganze fröschgeschlecht

Vermeint, es hab geschlossen recht,

Das ihr warheit fordert mit fleiß,

Weil euer kleid ist schwarz und weiß,

Das ihr liebet gerechtigkeit,

Weil ihr schön rot daneben seid,

Dazu auch sanftmütig und lind,

Weil ihr im tritt nicht eilt geschwind,

Sondern gemachsam einhergehet,

Wie einem weisen wol anstehet,

Eur heupt ist auch kein wetterhan,

Sondern bleibt unbeweglich stan,

Oder wendet sich mit bedacht,

Welchs denn sein bestendigkeit macht.

Insonderheit gefellt ihn wol,

Das ich billig auch rümen soll,

Das ihr für keiner schlang erschreckt,

Wie weit sie auch die zung ausstreckt

Und ihre giftige zene drauet,

Dafür uns fröschen heftig grauet.

Mit einem griff ist sie geschlagen

Und muß hinab durch euern kragen

Und all ihr tyrannei bezalen,

Die sie uns beweist oftermalen.

Darum als wir die heldentat

Semtlich sahen in unserm rat,

Rief alsobald die ganz gemein:

Der held soll unser könig sein!

Das on zweifel got hat vorsehen,

Denn on got kan doch nichts geschehen.

Derhalb ist hie das ganze reich

Und bittet euch mit mir zugleich,

Ihr wollet annemen die er

Und sein der frösch könig und herr,

Sie für der schlangen macht erhalten,

Frieden und recht bei ihn verwalten.

Nichts soll an uns werden gespürt

On was eim untertan gebürt.[80]

Wir woln euch sein getreu und hold,

Alles tun, was ihr haben wolt;

Und würd der feind sich was anmaßen,

Woln wir gut und blut bei euch lassen.

Ihr frösch, sagt ihr alle ja darzu,

Das ich dies nach eurm willen tu?

Sie antworten: Ja, ju, ja, jo,

Wir habens befolen also.

Vivat rex, vivat, vat, rex, rex,

Er sol sein unser rex und lex!

So rief der ganze hauf mit schall,

Das es gab einen widerhall,

Als wenn in schmelzhütten die hemmer

Ein puffen machen und gedemmer,

Das einem orn und hirn beteubt;

Sie riefen mer denn jemand gleubt.

Die alten aber saßen fern

Und sahen dies spiel gar ungern,

Sprachen nur: Ach und wehe uns armen!

Got woll sich der torheit erbarmen!"
[81]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 78-82.
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