Tristan

[101] Ach, warum durch Meereswogen

Steuern wir auf schwankem Kiel?

Kaum von Wünschen fortgezogen,

Ruft uns heim der Sehnsucht Ziel!

Was noch gestern hoch erfreute,

Ocean und Inselstrand,

Wie Verbannung dünkt es heute

Von des Lebens festem Land!


Nutzlos war dein Unterfangen,

Armes Herz, mit harter Pflicht

Zu beschwicht'gen dein Verlangen,

Denn die Fessel läßt dich nicht.

Und nur heftiger entbrennet,

Was bekämpft du tausendmal,

Seit ein ganzes Meer dich trennet

Von den Augen deiner Qual!


Stürme, die ihr meergeboren

Reis't durch ungemessnen Raum,

Nach dem Lande, das verloren

Liegt in Dunst und Wellenschaum,[102]

Fort, zum Liebling meiner Seele!

Sagt es, klagt es, daß allein

Ich die Tag' und Stunden zähle,

Einzutauschen Pein um Pein!


Quelle:
Otto Roquette: Gedichte, Stuttgart 31880, S. 101-103.
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