Erster Auftritt

[3] Lucifer der Höllenfürst. Der Todt. Die Sind. Der Geiz. Der Neyd. Ein Reyhe der höllischen geister.


LUCIFER.

Ja werthe kleinod meiner Crone!

Ich schwör, das mich ein sorg bewohne,

Die mir die ganze brust durchfrißt,

Und nicht mehr zu erdulten ist.

Wan jemahls unsrer höllen porten

Ein harter streich getrohet worden,

So schweben wür anjezt firwahr

Mit höchster forcht in der gefahr.

Ich dencke, was ich kan erdencken,

Und findt doch nichts als angst und kräncken

Ich finde jenes mittl nicht,

das mich von kumer ledig spricht.

Ihr seyt, auf die ich noch vertraue,

Und gänzlich meine hoffnung baue,

Wan ich von euch kein hilf erlang,

So ist mein reich beym untergang.

TOTT.

O großer fürst du hast erfahren,

das mir dein reich stätts zu bewahren

Und abzuwenden die gefahr

Noch allzeit angelegen war.

Werd auch hinfiro stätts beginnen

Die ruh der Cronne zu gewinnen,

Damit du nicht mehr so entrüst

Und außer disen kumer bist.

SÜND.

Soll alles unglickh sich verbinden,

Und dir zugleich den krieg ankünden,

So wird es ja noch mittl geben,

Das reich aus der gefahr zu heben.

Ich werde gleich fahls nicht erwinden,

Ein solchen Rath noch auszufinden,[3]

Der den gewalt so dich bekränckt,

In seine eigne gruben senckt.

LUCIFER.

Wan ihr mich hier nicht werdt verlassen,

Kan ich noch freylich hoffnung fassen,

Jedoch ist selbe zimlich schwach,

Weil uns das übl allzunach.

Ihr wißt bis her, das mir nicht wenig

Die ganze weldt ward unterthänig,

Wo imer meine flamm gebrannt,

Da wurd der sig mir zuerkannt.

Was gott befahl wollt niemand halten,

Man lasste sein gesaz veralten,

Weil alles nur nach meinen willen

Der sinnen bosheit wollt erfüllen.

Nun aber haben wür erfahren,

Das in Judäa schon vor jahren

Ein bey dem Volckh beliebter man

Sich ohngefähr hervorgethan.

Nun diser thuat mit seinen lehren

Das ganze sinden-nest zerstehren.

Dan was er lehrt, das glaubt man schon,

Weil er sagt, er sey gottes sohn.

Ja was mich mus ins herz betrüben,

Thuet er auch solche wunder üeben,

Das ich nicht ohne grund abnimm,

Die göttlich allmacht sey mit ihm.

Er rufft zur bueß, thuat von den finden

Was immer zu ihm fliecht ent binden,

Ist überdas auch ein Prophet,

Dem, was verborgen offen steht.

Der also ist, der mir abraubet

So villes volckh, so an ihm glaubet.

Sagt mir, ob ich wohl disen mann

Zu meinen nachtheil weichen kan?

SÜND.

Nein großer fürst! mit allen machten

Must du vill mehr zu hemmen trachten

Ein so fruchtbahre tugendtslehr,

So dir zum höchsten schaden wär.

TOTT.

Und zwahr kan ich mit nichten sehen,

Wie dir könn eine ruh zugehen,[4]

Bis diser mann nicht würkhlich todt,

Und wäre er auch mensch und gott.

LUCIFER.

Ihr thuet hier meine meinung stärken,

Jedoch wie ist es zu bewerken?

Wie sezen wir ein macht daran,

Die dises werckh erzwingen kan?

SÜND.

Hier sihest du ja meine kinder?

Durch dise dir den schmerzen linder

Der Neyd wird in dem dinst nicht ruhn

Der geiz auch stätts sein bestes thun.

Wan diser mann mit wunderdingen

Das volckh so weiß an sich zu bringen,

Gewis die Jüdisch Priesterschafft

Darbey nicht ohne sorgen schlafft.

Sie wird sich in verachtung sehen,

Und ihre ehr in trümmer gehen,

Und dises ist ja vor den Neyd

Die sicherste gelegenheit?

Wie leicht kan er den Rath bewegen,

Und alls darinn in feyer legen,

Bis das der lehrer ist besigt

Und sambt der ehr zu boden ligt.

LUCIFER.

Du redest vill, und mus bekennen,

Das diser Rath sehr klueg zu nennen.

TOTT.

Jedoch sech ich hier ein beschwerdt,

So einen reiffern schlus begehrt.

Wan der Prophet schon diser zeittn

So villes Volckh auf seiner seithen,

Und dises zur beschüzung hat,

Was kan alsdan ein schwacher Rhat?

Wird diser also wohl vermögen

Denselbem in verhafft zu legen?

SÜND.

Darum mus auch der geiz darneben

Dem bruder seinen beystand geben,

Er mus sich zu den jüngern wenden,

Den judas noch weith mehr verblenden,[5]

Der ohne das der geldt begürd

Gar leichterdings zum Sclaven wird.

Wan Judas nur hat geldt zu hoffen,

So ist der handl schon getroffen.

Er gibt gewis umb den gewinn

Selbst seinen eignen meister hin

Und also kan ohn villes lauffen

Der Priester-Rath sein ehr erkauffen.

Wan der Prophet durch dise list

In ihrer macht, und händen ist.

TOTT.

Ja, großer fürst ich mus gestehen,

So kan die sach ganz leicht geschehen.

Indem doch überall die sindt

Ein leichten weeg und zutritt findt.

Ich werd sodan auch aller orthen

Verwunden, brennen, und ermordten.

Auch trachten wie ich deinen thron

Mit leichen unterstüzen kan.

NEYD.

Der Priesterschafft das volckh entführen

Wird jederman, wie billich rühren,

Wer kan wohl bey so großen schein

Gelassen, und nicht neydig sein?

Da Christus alle völcker lehret,

Hiemit auch seinen glanz vermehret,

Werd ich den Rath ohn mühe bewegen,

An dessen fahl die hand zu legen.

GEIZ.

Mir wird mein ambt auch leicht gelingen,

Dan Judas braucht nicht vill bezwingen,

Er gibt sich selbsten meiner list

Weil er schon secklmaister ist.

Laß nur o fürst die sorgen schwinden,

Wür werden beyde überwünden.

Wo neyd und geiz nur brechen ein,

Da mus der sig gewonnen sein

LUCIFER.

Was ihr mit so vill grund erwisen,

Das sey nunmehr von mir geprisen,

Macht das das reich der finsternusß

Euch dises lob auch geben mus.[6]

Geht also hin von mir gesändt,

Und dises werckh mit ruhm vollendt.

Bringt nur die Nazarener ein.

ALLE.

Ja Christus mus des todtes sein.


Gehen ab: Lucifer mit seinen auf einer, der geiz, und der neyd auf der anderen seithen.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 3-7.
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